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Gut für die Wirtschaft - bedenklich für die Demokratie?

Wäre Swetlana Orlowa musikalisch, würde sie ein Loblied auf Präsident Putin singen. Doch die Russin ist Berufspolitikerin und deshalb von nüchternerem Gemüt. Dennoch fällt ihre Bilanz der ersten Amtszeit von Präsident Wladimir Putin überaus positiv aus

Autorin: Sabine Adler | 12.03.2004
    Das Land hat das dritte Jahr hintereinander einen Haushaltsüberschuss zu verzeichnen, die Auslandsschulden sinken, die Löhne steigen und das Land wird nicht wie zu Zeiten von Ex-Präsident Jelzin vom Krankenbett aus regiert. Putin hält sich ständig in den Regionen auf, hat Kontakt zu den Menschen. Die Bürger haben in diesen vergangenen vier Jahren das Vertrauen in die Regierung wiedererlangt.

    Die Senatorin im Föderationsrat, des Oberhauses des russischen Parlaments ist Putinwählerin, auch wenn die Parlamentskammer, in der sie sitzt, keine wahre Volksvertretung mehr ist. Im Zuge von Putins Stärkung der so genannten vertikalen Macht ist der Föderationsrat praktisch demontiert worden, seine Vertreter werden ernannt, nicht mehr gewählt. Der damit verbundene Demokratieabbau in Russland stört die Senatorin offenbar nicht. Eben so wenig, dass die Opposition in der zweiten Kammer des Parlaments, der Duma, keinerlei Einfluss mehr hat. Die Kremlpartei "Vereintes Russland" herrscht dort jetzt mit Zweidrittelmehrheit.

    In den gleich geschalteten Fernsehsendern, die in Russland die öffentliche Meinung bestimmen, ist jegliche Kritik am Präsidenten untersagt, auch beim früher unabhängigen Fernsehsender NTW, der inzwischen halbstaatlich ist, sind nur moderate Töne zu hören. TW 6 bzw. TWS, einst ebenfalls unabhängige Sender, sind ganz vom Bildschirm verschwunden.

    Die eingeschränkte Pressefreiheit vor allem des Fernsehens gehört zur Bilanz der ersten Amtszeit des russischen Präsidenten Putin wie auch der nicht beendete Konflikt in Tschetschenien und die zunehmenden Terroranschläge außerhalb des Krisenherdes.

    Inzwischen sind mit dem Beginn seiner Zeit zunächst als Premier, dann als Präsident weit über 600 Menschen Terroranschlägen zum Opfer gefallen. Bei den Wohnhausattentaten im Hebst 1999, bei unzähligen Terrorakten in Tschetschenien, in Regionalbahnen, auf Märkten, in einem Musicaltheater, auf einem Rockfestival, in der Moskauer Metro.

    Immer häufiger gehen Sprengsätze nicht mehr nur im Kaukasus, sondern auch in der russischen Hauptstadt hoch. Ein Ende ist nicht in Sicht, denn der Konflikt ist mitnichten beigelegt. Jederzeit können neue Bomben explodieren, gezündet von tschetschenischen Selbstmordattentätern, die damit von Zeit zu Zeit die Krise in ihrer Heimat ins öffentliche Bewusstsein rufen.

    12.000 russische Soldaten hat allein der zweite Tschetschenienkrieg, den Wladimir Putin 1999 begann, nach Angaben des russischen Soldatenmütterkomitees das Leben gekostet. Nach Regierungsangaben waren es nur 3000, also viermal weniger. So wie die eigenen Verluste runterschwindelt werden, wird bei den Gegnern übertrieben. Nach Regierungsangaben sollen über 20.000 Separatisten getötet worden sein.

    Doch trotz des offensichtlichen Versagens des Präsidenten, das Blutvergießen zu beenden, eine Lösung herbeizuführen, stehen die Bürger der russischen Föderation in einem Ausmaß hinter ihrem Präsidenten, bei dem jeder andere Staatsmann in der Welt vor Neid erblassen würde.

    Natürlich werde ich wählen gehen und zwar den amtierenden Präsidenten, sagt der 53jährige Drucker Alexej Lykow. Mir gefällt, wie sich Putin gerade in den letzten Wochen von der ganzen Jelzin-Küche getrennt hat, die Regierung und den Premier entlassen hat. Dieser Präsident ist meiner Meinung nach ein Präsident der Hoffnung, mit ihm verbinden wir wirklich all unsere Hoffnungen. Von ihm, seiner Persönlichkeit erwarten wir noch viel.

    Soja Petuchowa, eine 56jährige Angestellte meint, dass es nur einen wirklichen Kandidaten gibt, nämlich Putin, gegen den alle anderen keine Chance haben. Sie wird auch für Putin stimmen, obwohl sie ihm nicht bis zuletzt vertraut. Er erinnert sie zu sehr an die Zeit, in der die kommunistische Partei das alleinige Sagen hatte.

    Nadeschda Furssewa, Buchhalterin, 41 Jahre alt, schenkt ihr Vertrauen ohne jeden Vorbehalt Putin. Denn der habe Erfahrung und werde für ihr Land mehr von Nutzen sein als jeder seiner Opponenten. Sein Programm sei auch realistischer als die der anderen."

    Dass Präsident Putin Russland gut tut, davon ist auch Christof Rühl, Chefökonom der Weltbank in Moskau, überzeugt.

    Allerdings macht Rühl Einschränkungen. Zwar zeigten die Wirtschaftsdaten steile Aufwärtstendenzen, die wirkliche Schaffung einer leistungsfähigen konkurrenzfähigen Marktwirtschaft spiegelten sie dennoch nicht wider.

    Wenn man sich Russlands Wirtschaft anguckt hinsichtlich der volkswirtschaftlichen Daten, dann stehen sie wirklich sehr gut da. Sie sind alle im grünen Bereich, also Budgetüberschuss vier Jahre hintereinander, einen großen Leistungsbilanzüberschuss vier Jahre hintereinander, der Ölpreis, der sehr stark gestiegen ist nach der Krise 1998 und seitdem immer noch weiter steigt. Es sieht aus, wie so ein Schiff, das mit vollen Segeln fährt. Aber die Zeit, die man jetzt gehabt hat - diese drei, vier Jahre des Aufschwungs, der sehr stark von den Energiepreisen getragen war -, wurde nicht genutzt, um das Schiff wirklich fit zu machen, wenn sich das Wetter verschlechtert oder ändert. Mit anderen Worten: Wenn der Ölpreis morgen fallen würde, dann wäre Russlands Wirtschaft ziemlich stark am schlingern und die Gefahr eines Einbruchs wäre relativ groß. In dem Sinne hat Russland viel Glück gehabt, aber auf die Dauer ist das natürlich keine haltbare Grundlage.

    Weit über 60 Prozent der Wähler sind entschlossen, Wladimir Putin für eine zweite Amtszeit ihre Stimme zu geben. Putins Beliebtheitswerte lagen während der gesamten Amtszeit zwischen 60 und 80 Prozent.

    Das Feld der Herausforderer bietet einen entmutigenden Anblick.

    Iwan Rybkin zog seine Kandidatur zurück. Zu Beginn des Wahlkampfes war er für mehrere Tage verschwunden. Was es mit dieser mysteriösen Abwesenheit wirklich auf sich hatte, ist bis heute nicht klar. Kandidat Nummer zwei, der Vorsitzende des Föderationsrates Sergej Mironow, hat gleich zu Beginn des Wahlkampfes erklärt, dass er nicht gegen Präsident Putin antritt, sondern diesen unterstützt. Damit füllt er zwar die Kandidatenliste auf, hat sich selbst als Alternative zu Putin von vornherein unmöglich gemacht. Der dritte im Bunde der fünf Mitbewerber ist Oleg Malyschkin. Ein ehemaliger Boxer und der Leibwächter des Ultranationalisten Wladimir Schirinowskij, der bei den vergangenen Präsidentschaftswahlen früher selbst antrat. Dieses Mal möchte der als Radaubruder verschriene Parlamentsabgeordnete nicht selbst kandidieren, um Präsident Putin, nicht zu viele Stimmen wegzunehmen. Trotz aller Skandale, die Schirinowksij immer wieder provozierte, ist er nämlich de facto dem Präsidenten treu ergeben. Nun seinen Leibwächter in den Ring zu schicken, ist deshalb ebenfalls ein vorgeschobenes Manöver, mit nur einem Zweck: mehr Kandidatennamen auf die Wahlzettel zu bekommen.

    Nur drei Herausforderer verdienen tatsächlich diese Bezeichnung: Irina Chakamada, Sergej Glasjew und Nikolai Charitonow.

    Für den Kommunisten Charitonow steht die Rückverstaatlichung der natürlichen Ressourcen an oberster Stelle seines Wahlprogramms, das unter kommunistisch Gesinnten durchaus Anhänger findet. Charitonows Konzepte hält der Chefökonom der Weltbank in Moskau, Christof Rühl, für wenig zukunftstauglich. Irina Chakamada dagegen stehe für wirtschaftsliberale Reformen. Die seien modern, leider aber der Masse nicht vermittelbar, wie schon das Abschneiden ihrer Partei bei den Dumawahlen gezeigt habe.

    Man muss einfach sehen, wenn der Durchschnittsrusse ‚Marktreformen' hört, dann rennt er erst einmal in Deckung, weil die Erfahrungen nicht so glänzend sind. Der zweite Kandidat, den ich interessant finde, ist Herr Glasjew. Glasjew ist eher so jemand, der so eine Art sozialdemokratischer Richtung verkörpert. Und ich glaube, so etwas wäre in Russland bitternötig, dass einfach sich verschiedene Traditionen entwickeln und es nicht nur diesen neokonservativen orthodoxen Wirtschaftsflügel gibt und die kommunistische Partei und dazwischen den Geheimdienstpräsidenten. Aber die Ansätze, die da gemacht werden, man müsste mehr umverteilen, man müsste den Ölüberschuss irgendwie einsammeln von Staats wegen und dann an die ärmeren Bevölkerungsteile verteilen, und das wäre machbar in so einem Ausmaß, dass eben jeder besser dran wäre, spürbar besser dran wäre: Das sind Thesen natürlich, die man in jedem westlichen Land auch hören würde, ohne dass man deswegen gleich Panikstimmung erzeugen würde. Und ich glaube, das ist ein Anzeichen von Modernisierung, dass sich also solche verschiedenen Elemente sich jetzt auch rausbilden. Und daher ist natürlich alles, was Wettbewerb erhöht, in der Politik immer begrüßenswert. Auf der anderen Seite ist es so, dass keiner von den beiden eine ernsthafte Chance hat. Und wenn Sie mit irgendeinem Investment-Banker hier in Russland reden, der herkommt - die reden inzwischen von dem 'Putin-Risiko'. Damit meinen sie nicht das Risiko, dass Herr Putin irgendwas falsch macht, sondern das Risiko, dass ihm irgendwas passiert.

    Tatsächlich aber geht es kaum um Konzepte oder Namen, denn die Chancen sind einfach zu ungleich verteilt. Sowohl Irina Chakamada, als auch Sergej Glasjew und Nikolai Charitonow spielten immer wieder während des Wahlkampfes mit dem Gedanken, ihre Kandidatur zurückzuziehen, um den Farcecharakter dieser Wahl zu unterstreichen.

    Sergej Glasjew, dem ehemaligen Vorsitzenden der Dumafraktion "Heimat" wurde in diesem Wahlkampf wohl am übelsten mitgespielt. Bei seinen Reisen in die Provinz wurde er offen behindert. Die örtlichen Medien berichteten kaum über seine Auftritte, lange im Voraus gebuchte Versammlungssäle standen plötzlich nicht mehr zur Verfügung.

    Obendrein zettelte sein Parteifreund Dmitri Rogosin mitten im Wahlkampf Glasjews Entmachtung als Fraktionschef an. Glasjew hatte von seinen Genossen bereits vorher einen schweren Schlag in die Magengrube bekommen, als der Wahlblock erklärte, er werde Präsident Putin und nicht etwa den eigenen Vorsitzenden Glasjew im Präsidentschaftswahlkampf unterstützen.

    Für die Politologin Lilija Schewzowa kann jedoch auch diese Intrige über eins nicht hinwegtäuschen:

    Das Parteiensystem der 90er Jahre existiert nicht mehr, es ist mit vollem Bewusstsein liquidiert worden und der Einfluss der Parteien auf das gesellschaftliche Leben ist bei Null angelangt. Statt dessen ist eine neue Konstruktion aufgetaucht, der Ein-Parteien-Staat, der uns an die Sowjetzeiten erinnert. Mit einem Unterschied: Zu Sowjetzeiten hat die Partei den Staat und alles andere formiert. Jetzt ist es so dass der Kreml bestimmt, welche Partei es gibt. Alles ist jetzt Sache der Präsidialadministration und wir wissen nicht, mit welchen Folgen das endet. Niemand bedroht Putins Macht. Er ist stark, er hat keine Gegner oder Konkurrenten. Aber: gerade das ist das Problem Putins. Das gesamte politische System hängt an ihm und seiner Popularität wie eine Parasit. Man kann sich vorstellen was passiert, wenn seine Popularität sinkt.

    Dass in diesem Wahlkampf so wenig Bilanz gezogen wurde, Kritisches der vierjährigen Amtszeit Wladimir Putins zur Sprache kam, lag auch an dessen hervorragendem Ablenkungsmanöver, drei Wochen vor dem Urnengang die Regierung zurücktreten zu lassen, einen neuen Premier und ein neues Kabinett zu bestimmen. Damit richtete sich die Aufmerksamkeit der Medien auf genau die Themen, die dem Präsidenten willkommen waren, meint der Journalist Wladimir Korsunskij:

    Das war doch ein abgekartetes Spiel, das nur ein Ziel hat: Ablenken von den wirklichen, den unangenehmen Themen: Tschetschenien, die Geiselnahme im Musicaltheater Nordost, das Unglück im Aquapark. Jetzt sollen alle nur noch über die neue Regierung nachdenken. Putin kommt mir vor wie der Magier Copperfield, der vor aller Augen einen Wagon klaut und davon ablenkt, in dem er eine nackte Assistentin auf der Bühne platziert.

    Wladimir Ryschkow, der unabhängige und äußerst Putin-kritische Dumaabgeordnete, hat die Kabinettsneubildung vor der Wahl als eine unerträgliche Präsentation der Arroganz der Macht empfunden.

    Ich halte eine Regierungsbildung noch vor den Wahlen für eine Nichtachtung des Wählers. Und noch dazu erklärt Putin ebenfalls drei Wochen vor den Wahlen, ich werde ihnen im Jahr 2008 meinen Nachfolger benennen. Damit ist sogar schon für das Jahr 2008 alles entschieden! Und das soll Demokratie sein? Ich halte es für eine Schande, dass ein einziger Mann dem Land von 140 Millionen Einwohnern, die alle seine Geiseln sind, seinen Willen aufzwingen kann. Er allein entscheidet, verlangt, dass die Duma ihn unterstützt und degradiert dabei das Volk zu Statisten, dass nur die Aufgabe hat zu den Wahlen gehen. Und mit welchen Methoden das betrieben wird! Ich habe aus den Regionen erfahren, dass das Innenministerium seinen Beamten keine Prämien zahlt, wenn sie nicht wählen gegangen sind, Studenten werden nicht aus den Hochschulen entlassen, wenn sie nicht ihren Wahlschein vorzeigen können und Kranke werden nicht in Kliniken aufgenommen, wenn sie nicht mit dem Schein beweisen können, dass sie wählen waren. Wir kehren in aller Ruhe zu jenen Sowjetzeiten zurück, da die Parteikomitees und die Betriebsdirektoren die Leute zu den Wahlen gejagt wurden.


    Mit der Regierungsumbildung, so glauben es politische Beobachter, wollte Präsident Putin das Interesse an den Wahlen erhöhen, in der Hoffnung, dass dadurch doch mehr Bürger am Sonntag wählen gehen werden. Doch den Wählern sagte er, dass er mit der neuen Regierung bereits jetzt zeigen möchte, in welche Richtung sich das Land entwickeln wird, wenn die Bürger ihn wieder wählen.

    Aber als er Michail Fradkow als neuen Premier ernannte, sagte dieser Namen den allermeisten Menschen im Land überhaupt nichts. Viele Experten dagegen waren erstaunt, wussten sie doch, dass Fradkow bereits unter zahlreichen Regierungen von Ex-Präsident Jelzin mitgearbeitet hat. Die angebliche Loslösung Putins von seinem Ziehvater Jelzin konnte das demnach nicht bedeuten. Der Politologe Andrej Piontkowski will in Fradkows Ernennung als Premier sogar erkennen, dass Putin den Kampf gegen die so genannten Oligarchen nur halbherzig führt:

    Der Präsident geht mit einem Pathos in die Wahlen, das den Kampf gegen die Oligarchen verspricht. Seine Propagandisten tun so, als ginge es jetzt um die Entscheidung zwischen den Oligarchen und Putin und als ginge es um eine Loslösung von der Jelzinschen Vergangenheit. Dabei hat in eben jenem Außenhandelsministerium, in dem unser jetziger neuer Premier Fradkow saß, die muntere Verteilung des Volkseigentums begonnen. Und alle unsere Öl-Oligarchen haben genau in dieser Behörde angefangen, ihren Reichtum zusammenzutragen. Dort wurden die Quoten vergeben, dort erhielten sie ihre Exportlizenzen.

    Bereits Monate vor den Dumawahlen hatte der Präsident einen Mann mit aller Entschlossenheit bekämpft: Michail Chodorkowskij, den Besitzer des Ölmultis Jukos. In ihm soll er einen wirklich gefährlichen Gegner erkannt haben. Einer, der Putins Pläne wohl nicht bei diesen, möglicherweise aber bei den nächsten Wahlen, im Jahr 2008 hätte durchkreuzen können. Chodorkowskij wurden zu dieser dann anstehenden Präsidentschaftswahl eigene politische Ambitionen nachgesagt. Doch wer kandidieren bzw. wer nicht kandidieren wird, entscheidet offenbar immer noch der amtierende Präsident. Der reichste Mann Russlands, mehrfacher Milliardär, wanderte wegen angeblicher Steuerhinterziehung in Untersuchungshaft und muss dort bis mindestens Ende März ausharren.

    Inzwischen erklärte Putin, wie er sich seine Nachfolge im Jahr 2008 vorstellt, offenbar fest ausgehend von der Voraussetzung, dass er die Wahl am kommenden Sonntag gewinnt. Eine Verfassungsänderung kommt für ihn nicht in Frage, stellt er klar, ansonsten aber möchte er durchaus ein Wort mitreden:

    Die Aufgabe eines jeden Leiters, umso mehr wenn es sich um einen in einem solchen Range handelt, besteht darin, der Gesellschaft einen Nachfolger zu präsentieren, den er für würdig hält, auf diesem Platz weiter zu arbeiten. Wenn die Menschen einverstanden sind und denjenigen unterstützen, dann wird das fortgesetzt, was derzeit entsteht. Aber ein solcher Mann ist immer ein anderer Mensch. Mit ihm kommen neue Leute, frische Ideen und andere Vorgehensweisen und das ist immer ein Plus.

    Diese Ankündigungen versetzten Kritiker in Alarmbereitschaft. Fürchten sie doch in vier Jahren eine Wiederholung der jetzigen Wahlfarce, die bis dahin jeden unbequemen, starken Konkurrenten ausschaltet. Um das zu verhindern, haben Oppositionsmitglieder, die jetzt nicht mehr im Parlament vertreten sind, das so genannte Komitee 2008 gegründet. Einer von ihnen ist der Vorsitzende der Partei Jabloko, Grigori Jawlinski, der seit Wochen schon zum Wahlboykott aufruft. Ein halbherziges Manöver. Jabloko hat der einzigen demokratische Kandidatin Irina Chakamada die Unterstützung versagt und sie sogar kritisiert, weil sie sich angeblich vom Kreml für die Wahlfarce instrumentalisieren lasse. Doch weder hat Jabloko jetzt die Kraft, noch die Medien hinter sich, für den Wahlboykott tatsächlich Massen zu mobilisieren. Jawlinski sieht dennoch einzig im Boykott ein wirksames Mittel, um gegen diese seiner Meinung nach undemokratischen Wahlen zu protestieren:

    Weil es keine politische Konkurrenz gibt, weil die Wähler keine Auswahl treffen können, weil der Wahl als demokratischer Wahl drei Grundvoraussetzungen fehlen: unabhängige Gerichte, die im Zweifel als Schiedsrichter über die Rechtmäßigkeit der Wahlen befinden können, es braucht für demokratische Wahlen unabhängige landesweite Medien und es braucht eine unabhängige Finanzierung der Kandidaten.

    50 Prozent der Wähler müssen am kommenden Sonntag an die Urnen gehen. Sind es weniger, ist die Wahl ungültig und muss nach einer Mindestfrist von vier Monaten wiederholt werden. Allen Unkenrufen der Opposition zum Trotz rechnen Politologen mit einer Beteilung von rund 60 Prozent und mehr, vor vier Jahren sind es 68,7 Prozent gewesen. Dass die Wahlbeteiligung also tatsächlich noch zur großen Unbekannten werden könnte, ist kaum wahrscheinlich, wenngleich weniger vorhersagbar, als Putins Wahlsieg.

    Dennoch findet die Präsidentschaftskandidatin Irina Chakamada, dass es wichtig ist, diesen Kampf bis zu Ende zu führen:

    Dieser Wahlkampf ist doch längst ein einziger Protest. Wir kämpfen nicht mehr um Prozentpunkte und darum, in welcher Reihenfolge wir abschneiden. Es geht doch längst darum, der Gesellschaft zu zeigen, dass man überhaupt kämpfen muss. Dass man in einer solchen Situation nicht zu Hause sitzen und den Kopf wie Vogel Strauß in den Sand stecken darf.