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Gut geschnitten ist halb geerntet

Nur wenn Obstbäume regelmäßig ausgelichtet werden, tragen sie saftige Früchte und bleiben gesund. Im Winter, noch bis Ende Februar, ist der richtige Zeitraum dafür. Doch nur kürzen bringt nichts. Man muss bestimmte Regeln beachten, um später die Früchte seiner Arbeit auch genießen zu können. Das Umwelthaus am Schüberg am Hamburger Stadtrand ist ein Ort, der Seminare zum Obstbaumschnitt anbietet.

Von Karin Jäger |
    Zwölf Hobbygärtner stehen mit Werkzeugen bewaffnet auf der Streuobstwiese des Umwelthauses am Schüberg. An einem niedrigen Apfelbaum erproben sie die Kunst des Obstbaumschnitts. Frauke Burmeister legt ihre Gartenschere an einen Zweig an.

    "Den hier, den nehmen wir auch weg. Und den hier auch, der wächst auch hoch. Der hier wächst auch so doll in die Höhe, der könnte kürzer sein, gut so. "

    "Oh, guck mal, der wächst schön waagerecht, den kannst du wieder lassen."

    Waagerechte Zweige entwickeln sich meist zu stabilen Äste und liefern gute Erträge. Senkrecht in die Höhe schießende hingegen bleiben dünn und entziehen dem Baum nur Kraft, erklärt Sabine Limmroth. Den Teilnehmern an ihrem Seminar empfiehlt die Umweltpädagogin, diese so genannten Wassertriebe vollständig zu entfernen.

    "Eine Regel wäre, dass man alles kürzer schneidet, was so die Tendenz hat, nach oben zu wachsen. Und alles lässt, was aus der Mitte raus wächst und alles wegnimmt, was in die Mitte reinwächst. Man dünnt ein bisschen aus, um zu verhindern, dass Äste und Zweige sich überlagern, so dass die nicht aneinander scheuern und sich nicht gegenseitig behindern. Sinnvoll ist natürlich, dass das Laub nicht so dicht ist, dass die Früchte keine Sonne mehr abbekommen."

    Manche Zweige wachsen zuerst waagerecht und biegen sich später in die Höhe oder auch nach unten. Sie sollten vor dieser Biegung abgeschnitten werden. Und zwar hinter einer Knospe, die nach außen zeigt. Aus dieser Knospe entwickelt sich im Frühling mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Trieb in die richtige Richtung. Einen jungen, in die Höhe strebenden Ast kann auch ein Gewicht in die gewünschte Waagerechte bringen.

    "Und zu diesem Zweck kann man was dranhängen, Steine oder gehäkelte Säckchen eben mit Steinen drin zum Beschweren. Die kann man dann irgendwann wieder abnehmen. Und dann ist der Ast eben kräftig genug und hält seine Position."

    Auf der Streuobstwiese fällt ein Ast von etwa fünf Zentimetern Dicke der Säge zum Opfer. Er steht zwar waagerecht, doch an ihm wuchern mehrere Geschwulste, der sogenannte Baumkrebs. Viren oder Pilze rufen diese Krankheit hervor. Iris Burmeister sägt den Ast so weit zurück, bis die Geschwüre enternt sind und die Schnittstelle wieder saftig und hell aussieht. Für diese Arbeit hat Sabine Limmroth der Seminarteilnehmerin eine japanische Baumsäge in die Hand gedrückt. Das Werkzeug sieht aus wie eine Pistole.

    "Die hat so einen leicht gebogenen Griff und ist so dreißig Zentimeter lang. Die Sägezähne sind so ausgerichtet, dass man also die Hauptkraft ins Ziehen verwendet, wobei Kraft eigentlich auch schon übertrieben ist. Es reicht eine ganz leichte Bewegung und schon hat man das erledigt mit dem Schnitt. Sie ist lang und man kommt gut in alle Ecken rein. Es gibt ja so Stellen an Bäumen, die so ein bisschen unzugänglich sind, wo man also auch mit Leiter da steht und sägt. Und ich finde, dass das gut geht mit dieser Säge."

    Für dünnere Äste und Zweige eignen sich scharfe Gartenscheren. Jeder Schnitt sollte glatt sein und schräg, so dass das Regenwasser daran herunterläuft. Würde es sich auf der Schnittstelle, sammeln, könnten sich schadhafte Viren darin ansiedeln. Ebenso an eingerissener, ausgefranster oder durch stumpfes Gerät abgequetschter Borke. Diese Verletzungen kann ein scharfes Taschenmesser glätten. Noch einfacher geht es mit einem Spezialwerkzeug, der Hippe, erklärt die Seminarteilnehmerin Frauke Müller.

    "Das ist ein spezielles Baumschnittwerkzeug mit einer gebogenen Klinge. Mit dem man sich nicht so leicht in die Finger säbelt, sondern wirklich richtig schön um den Ast herum noch Mal die Kanten glätten kann. Also, dass überhaupt diese Kanten geglättet werden bekommt dem Baum natürlich gut, damit nicht diese Wunden entstehen. Und vor allem bekommt es vielleicht den Gärtnerfingern besser mit dieser Hippe."

    Am Ende sind die Hobbygärtner mit ihren Schnitten zufrieden. Ihr Übungsbaum macht nun einen stabilen, harmonischen Eindruck. Die Krone ähnelt von der Form her einem Apfel und nicht mehr - wie anfangs - einer Birne. So soll es sein. Hier gilt die ästhetische Faustregel: Die Krone soll etwa so aussehen wie die Frucht, die der Baum trägt.