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Gut geschützt?

Deutsche Soldaten in Afghanistan benötigen spezielle Ausrüstung. Das ist aber nicht so einfach. Die Rüstungsindustrie hätte nämlich gerne, dass auf jedem Kanonenrohr, jedem Einsatzfahrzeug "Made in Germany" steht. Denn schließlich sollen ja Arbeitsplätze in Deutschland gesichert werden.

Von Jens Rosbach | 22.04.2010
    Typische Situation in Kundus: Eine Bundeswehrpatrouille gerät in einen Hinterhalt. Zwei gepanzerte Fahrzeuge fahren auf eine Mine - und müssen zurückgelassen werden. Die Soldaten kommen mit dem Schrecken davon. Aber nun fehlen ihnen die geschützten Transporter.

    "Das heißt, wenn ein Fahrzeug ausfällt, das ist mit hinzunehmen. Sollten zwei, drei, vier Fahrzeuge ausfallen, dann haben wir in Afghanistan schon die Problematik, dass wir dann die Patrouillentätigkeit einschränken müssen, weil wir nicht unmittelbar neue Fahrzeuge dann geliefert kriegen oder zur Verfügung haben."

    Stabsfeldwebel Horst Weggel hat mehrere Einsätze am Hindukusch hinter sich. Der 46-Jährige ist als Sanitätsexperte im Einsatz, hat aber auch an Kämpfen mit Aufständischen teilgenommen. Hierbei stellte er fest, dass der Truppe die Luftunterstützung fehlt. Die Bundeswehr sei immer auf die US-Armee angewiesen, klagt der Soldat, da die Deutschen keine eigenen Aufklärungs- und Kampfhubschrauber hätten. So sei es schwierig, aus den Hinterhalten herauszukommen.
    "Da kann man sich wesentlich leichter vom Feind lösen, wenn man Luftunterstützung hat."

    Weggel wird in einigen Wochen erneut ins Kriegsgebiet fliegen. Am liebsten würde er gleich ein paar schwere Maschinengewehre mitnehmen. Damit können die Taliban auf große Entfernungen bekämpft werden. Die Soldaten sind überzeugt, zu wenig MGs zu haben.

    "Man kann schon sagen eigentlich, dass man mit einem stärkeren Kaliber und einer besseren Durchschlagskraft besser wirken könnte."

    Gepanzerte Fahrzeuge, Hubschrauber, schwere Maschinengewehre. Marco Seliger kennt weitere Ausrüstungswünsche der deutschen Afghanistantruppe. Seliger ist Chefredakteur der der Monatszeitschrift "Loyal", der Zeitschrift des Reservistenverbandes. Der Journalist hat 2008 die Fallschirmjäger in Kundus begleitet.

    "Ich weiß, dass die Soldaten sich sehr wohl einzelne Ausrüstungsgegenstände selbst kaufen, weil sie mit dem, was dienstlich geliefert wird, nicht zurechtkommen, nicht klarkommen, weil es zu schwer ist, zu sperrig ist. Es gibt beispielsweise Navigationsgeräte, die sich die Truppe selbst kauft. Beispielsweise Splitterschutzsonnenbrillen, die Granatsplitter abhalten können. Und es gibt Beispiele, dass sich die Soldaten Ferngläser gekauft haben, die sie brauchten, weil sie keine dienstlich geliefert bekommen haben."

    Laut Seliger berichten die Kommandeure regelmäßig über die Ausrüstungsmängel vor Ort. Die Probleme seien dem Verteidigungsministerium zum Teil seit Jahren bekannt.

    "Es gibt allerdings Verteidigungsexperten, die der Auffassung sind, dass diese Berichte aus den Einsatzgebieten dann auf den einzelnen Ebenen, bis es dann ganz nach oben zum Verteidigungsminister geht, relativiert und weichgespült werden; somit nicht alles das, was in den Einsatzgebieten kritisiert und moniert wird, dann auch im Verteidigungsministerium auf höchster Ebene ankommt, wo der Schuh drückt."

    Jedoch wird die Ausstattungsfrage in der Truppe unterschiedlich bewertet. Thomas Brackmann hat als Reporter für "Y - das Magazin der Bundeswehr" in Afghanistan recherchiert. Der 32-jährige Hauptmann der Reserve bilanziert:

    "Meines Erachtens werden Ausrüstungsgegenstände und Materialien zeitgerecht in die Einsätze gebracht. Natürlich kann es dem einen oder anderen Soldaten nicht schnell genug gehen. Wenn aber zehn verschiedene Soldaten 20 unterschiedliche Wünsche haben und dann sagen: Ja, ich fordere das von der Bundeswehr ein und warum kommt das nicht, dann ist das manchmal ein wenig überzogen."
    Viele Soldaten klagen, häufig könne auch die Rüstungsindustrie nicht schnell genug liefern. Vor vier Monaten berichtete der "Spiegel", dass der Kauf der Wehrtechnik mitunter allein vom Politlobbyismus abhinge.

    Es ging um das Panzerfahrzeug Eagle IV. Laut dem Nachrichtenmagazin hat die deutsche Rüstungsschmiede Krauss-Maffei Wegmann immer wieder über Bundestagsabgeordnete verhindert, dass das dringend benötigte Fahrzeug bestellt wird. Der Hintergrund: Der Eagle IV ist zwar besonders transportfähig, stammt aber von der Konkurrenz. Krauss-Maffei Wegmann vertreibt dagegen das viel klobigere Fahrzeug Dingo. Marco Seliger, der Chefredakteur der Reservistenzeitung, kann die Lobbyaffäre durch eigene Recherchen bestätigen.

    "Der Hersteller von Eagle IV, eine Schweizer Firma, und damit eben keine deutsche Rüstungsfirma, hatte es deutlich schwerer, sich mit seinem Modell durchzusetzen. Weil die Rüstungsindustrie in Deutschland offenbar hier für ihre Modelle geworben hat. Andererseits: Sicherheitspolitik und Verteidigungspolitik in Deutschland darf nicht permanent Standort- und Wirtschaftspolitik sein, sondern sie sollte sich vor allem an dem ausrichten, was die Truppe braucht."

    Krauss-Maffei Wegmann - wie auch die beteiligten Abgeordneten - weisen den Lobbyismus-Vorwurf zurück. Das Bundesverteidigungsministerium will zu den Berichten keine Stellungnahme abgeben. Ein Pressesprecher äußert sich aber zum angeblichen Weichspülen der Kommandeursberichte. Man nehme die Meldungen aus Afghanistan sehr ernst, sagt der Ministeriumsvertreter, die Hausspitze könne sie jederzeit im Original lesen. Der Verteidigungsminister selbst zeigt sich von der gesamten Diskussion genervt. Bereits in der vorvergangenen Woche wies Karl-Theodor zu Guttenberg den Vorwurf einer schlechten Bundeswehrausrüstung zurück. Nach Ansicht des CSU-Politikers hätte am Karfreitag auch eine andere Ausstattung nicht den Tod von Soldaten verhindern können.

    "Da wurde letzte Woche teilweise auch von Ehemaligen mehr schwadroniert als sich informiert. Weil beispielsweise ein Hubschrauber oder ein Kampfhubschrauber oder anderen starke Waffen gar keinen Nutzen gebracht hätten, weil auch die Soldaten zu nahe auch am Gegner dran waren und wir eigene weitere Verluste gehabt hätten."

    Guttenbergs Haus verweist in der Ausstattungsdebatte immer wieder auf die Rüstungsplanung, die auf Jahre angelegt und daher wenig flexibel sei. Allerdings hat das Verteidigungsministerium am vergangenen Freitag in einem Eilverfahren 60 zusätzliche Eagle IV bestellt. Nächstes Jahr sollen weitere 90 Fahrzeuge geordert werden. Eigene Hubschrauber sind ab 2012 vorgesehen. Soldaten, wie Horst Weggel, wissen allerdings: Die Hightech-Ausrüstung wird die Bundeswehr nicht vor Überraschungsangriffen schützen. Denn die Aufständischen sind nur schwer zu greifen.

    "Das ist denen ihr Land. Und die haben Heimvorteil. Die kennen jeden Stein, jeden Hügel, jede Nische, jede Möglichkeit, sich auch gedeckt irgendwo anzunähern. Die probieren immer wieder neue Varianten aus."