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Toxikologie. - Gleich reihenweise werden die Opfer in Agatha Christies Romanen mit raffinierten Giftcocktails ums Leben gebracht. Doch anders als die Morde selbst, sind die Methoden, die die Lady in ihren Büchern beschreibt, nahezu naturwissenschaftlich real. Das hat ein Berliner Toxikologe nachgeprüft.

28.03.2002
    Der renommierte Nervenarzt Sir Bartholomew Strange stirbt, nachdem er auf einer Party ein Glas Portwein getrunken hat. Der Wein war in Ordnung, nur hatte einer der Widersacher von Strange eine gehörige Portion Nikotin in das Getränk getan, woran der Mediziner verschied. So beschreibt es Agatha Christie in ihrem Roman "Nikotin", und nach den Recherchen von Benno Rießelmann vom Berliner Landesinstitut für gerichtliche und soziale Medizin ist die Mordmethode absolut zuverlässig. Nikotin führt zwar zu einem heftigen Würgereiz und zu Erbrechen, aber das nützt dem Opfer nichts mehr. "Es kommt doch zu einer deutlichen Aufnahme und selbst kleine Mengen von Nikotin führen in wenigen Minuten zu starken gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Wenn nicht rechtzeitig Erste-Hilfe-Maßnahmen eingeleitet werden, ist der Tod fast sicher", so Rießelmann.

    Auch weitere Untersuchungen ergaben: Die britische Schriftstellerin kannte sich mit Giften erschreckend gut aus. Arsen und Morphin, Chlor und Blausäure, Strychnin und Thallium - die Mittel und ihre Wirkungen flossen ihr mit geradezu wissenschaftlicher Akkuratesse aus der Feder. "Die Wirkung des Schwermetalls Thallium hat sie in ‚Das fahle Pferd' sehr detailliert beschrieben, sie muss eingehendes Wissen über seine Wirkungen gehabt haben", erklärt Rießelmann. Über vierzig Romane, so hat der Berliner herausgefunden, können ebenso gut als medizinische Fachliteratur durchgehen.

    Das Wissen hat sich Christie offenbar durch ihren Einsatz im Ersten Weltkrieg angeeignet. Damals war sie als Helferin in einer Apotheke in Devon beschäftigt. "Damals wurden dort viel, viel mehr Substanzen zu Arzneien verarbeitet als heutzutage", erklärt Rießelmann. Durch ihre praktische Tätigkeit gewann die Krimi-Autorin genügend Stoff für ihre Romane.

    [Quelle: Klaus Herbst]