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Gut zu Fuß

Mit der ihm zugesprochenen Wirtschaftskompetenz ist Peer Steinbrück derzeit einer der gefragtesten SPD-Politiker. Doch bei der sommerlichen Wanderung mit Bürgern aus seinem Wahlkreis bei Mettmann möchte er eigentlich nicht über Politik reden, und schon gar nicht über die K-Frage.

Von Thielko Grieß |
    Wülfrath, ein Ort bei Mettmann in Nordrhein-Westfalen. Am Rande einer Siedlung führt ein Wanderweg an Feldern entlang, die Landschaft ist sanft hügelig. Sieben Männer und eine Frau warten auf den prominenten Mitläufer: Peer Steinbrück. Wülfrath gehört zum Wahlkreis des Bundestagsabgeordneten. Der kommt die Straße herunter gefahren und steigt aus einem weißen Mittelklassewagen aus. Steinbrück hat seine Begrüßungsrunde noch nicht ganz beendet, da bemerkt er das Mikrofon.

    " Ich mache keine Interviews. Das wissen Sie, ja, deshalb können Sie das gleich wegpacken. Sie wissen das, ich sage das den anderen Herren auch, aber ... Nein, Sie versuchen, da irgendwas aufzufangen und das zu senden, und das vor dem Hintergrund eines Umfeldes, das im Augenblick hoch-volatil und aufgeregt ist, und das möchte ich nicht. Sie kriegen von mir keinen Originalton. "

    Öffentlichkeit: Der frühere Bundesfinanzminister dosiert sie in diesen Tagen in feinen Prisen. Deshalb ist Mitlaufen bei dieser Wanderung in Ordnung, dem SPD-Politiker aber eine Frage stellen nicht.

    "Ja genau, einer soll mir jetzt noch erzählen, wo wir jetzt hingehen." - "Ja, wir gehen von hier nach Mettmann. Wir beginnen an der Mettmanner Bachquelle, das heißt, wir durchwandern ein Bachtal." - Steinbrück: "Barfuß?" - "Nein, neben dem Bach her ... - Gut, Sie haben die Regie, und ich bin pflegeleicht."

    Die Gruppe setzt sich in Bewegung, Steinbrück meistens vorne weg. Seine schwarzen Lederschuhe glänzend geputzt, er trägt eine hell-beige Hose, blaues Sakko - vor ihm liegen etwa sieben Kilometer Weg. Ihm wird die Gegend gezeigt, dort das Kalkwerk, auf der anderen Seite die Arbeiterwohnungen aus den 70er-Jahren. Diese wuchtigen Betonklötze könne man sprengen, meint Steinbrück. Er schaut in die Runde und lächelt süffisant - er meint es wohl nicht so, pflegeleicht eben. Die, die ihn begleiten, wurden vom SPD-Fraktionschef im Stadtrat von Wülfrath eingeladen. Parteimitglieder sind sie allerdings nicht.

    " Das ist jetzt nicht entscheidend, dieser Spaziergang hier. Sondern entscheidend ist für mich, wie er sich innerhalb der SPD und in Berlin verkauft. Und das macht er ja ganz gut, "

    meint Manfred Weber. Er sucht das Gespräch mit Steinbrück.

    Weber: "Ich finde es sehr gut, was die drei jetzt machen. Und er dabei. Die haben sich ja wunderbar aufgestellt, die Troika. "

    Frauenstimme: " Nee, ihn auch mal in Ruhe zu lassen, ist vielleicht auch mal ganz gut. "

    Ingrid Kliemann hält sich im Hintergrund, bildet die Nachhut der Wandergruppe. Sie wolle sich den prominenten Gast eigentlich nur anschauen. Das geht - bis Steinbrück sie anspricht. Eine kleine Plauderei über Kliemanns Ehrenamt in einem Kindergarten.

    Steinbrück: "Aber das heißt, Sie sind ganz individuell ehrenamtlich tätig, oder ist das im Rahmen einer Initiative, oder so?" Kliemann: "Nein, also das ..."

    In ein Gespräch über die brandaktuellen Tagesthemen, Euro, Griechenland oder Staatsverschuldung, will ihn unterwegs keiner verwickeln. Er scheint darüber froh.

    Männerstimme: " Auch ein Äpfelchen? Ach, du willst doch bloß deinen Beutel leer kriegen. "

    Steinbrück nimmt stattdessen einen Müsliriegel. Er kaut und lässt von einer Anhöhe den Blick über die Felder schweifen, am Horizont zeichnet sich die Silhouette von Wuppertal ab.

    " Ihr müsst jetzt eine Aufnahme machen, nur von diesem Baum in der Mitte. Und alles ein bisschen abschneiden. Und dann müsst ihr sagen: Toskana oder Kreis Mettmann? Und dann setzt ihr 50 Euro da drauf, und mal sehen, wie häufig die Antwort falsch lautet. " (Verhaltenes Gelächter)

    Auf halbem Weg kommt eine andere Gruppe entgegen. Die Wanderer erkennen Steinbrück sofort. Und einer von ihnen sagt es: das K-Wort.

    " Ich habe nämlich noch im Fernsehen gesehen, der zukünftige Bundeskanzler, und so. "
    Steinbrück: " Jetzt fängt der damit an. " (Gelächter)

    Der frühere Bundesfinanzminister geht der Kanzlerkandidatendiskussion umgehend aus dem Weg - selbst auf dem schmalsten Feldweg

    Wenig später ist Mettmann erreicht. Steinbrücks Mitarbeiter haben gleich den nächsten Termin geplant: Besuch in einem Mehrgenerationenhaus. Der Wanderer bekommt ein Glas Wasser.

    Frauenstimme: " Unsere Förderung läuft Ende des Jahres aus. "

    Im Mehrgenerationenhaus haben Kommunalpolitiker auf Steinbrück gewartet: Man berichtet ihm von leeren Stadtkassen. Der SPD-Mann hört zu, fragt nach und gibt kurze, knappe Antworten. Gelegentlich kürzt er die ein oder andere Einlassung auch schon einmal ab, da sie ihm zu lange dauert.

    " Tasse wird auf Tisch gestellt: So, und jetzt aber zu diesem Haus spezifisch: Wie haben Sie denn die älteren Herrschaften motiviert, sich hier interessiert zu zeigen? "

    Nur zwei Mal lässt der 64-Jährige aufblitzen, dass er auch länger und mit Verve reden kann, wenn er will. Die Bundesregierung habe den Zivildienst mit der Aussetzung der Wehrpflicht übereilt mit abgeschafft, schimpft er. Wortreich ist er auch beim Thema Deutschkenntnisse bei Migranten. Dabei stützt er sich auf einen Tisch, als wäre dieser das Rednerpult im Bundestag.

    "Ja, nur dann darf man nicht, wie es geschehen ist, propagieren, die sollen Sprachkenntnisse und Deutsch lernen, und das wird dann von mancher anderer Seite als Zwangsgermanisierung diskriminiert. Das ist ja alles vorgekommen." Zuhörer: "Ja, klar!" - "Und zwar nicht von irgendeinem rechten Muster, sondern von einem angeblich linken Multikulti-Teil ... Schwachsinn."

    Wenige klare Worte erlaubt sich Steinbrück an diesem Tag in Mettmann - bei seinen Zuhörern kommt es an.

    Frau: " Er ist ja so ein nordisch-unterkühlter Typ mit großem Humor. Also, ich finde ihn sehr sympathisch. "

    Den künftigen Kanzlerkandidaten?

    Mann, lacht: " Für mich ist er jetzt erstmal ganz eindeutig der Bundestagsabgeordnete, der sich dafür interessiert, was in seinem Wahlkreis passiert. Alles andere ist momentan ... Presse. "