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Gutachten unter Verschluss

Fast 30 Bürgerinitiativen gibt es inzwischen, die gegen den Fluglärm am geplanten Flughafen Berlin-Brandenburg kämpfen und ein generelles Nachtflugverbot fordern. Vor Gericht scheiterten sie bislang mit dieser Forderung, jetzt aber schöpfen sie neue Hoffnung. Das Umweltbundesamt wollte heute ein Gutachten vorlegen, doch überraschend wurde die Veröffentlichung jetzt zurückgezogen.

Dieter Nürnberger im Gespräch mit Benjamin Hammer | 10.01.2012
    Benjamin Hammer: Dieter Nürnberger in Berlin, was ist da los?

    Dieter Nürnberger: Fakt ist, dass eine durchaus mit Spannung erwartete Pressekonferenz des Umweltbundesamtes zur Lärmbewertung für den neuen Flughafen Berlin-Brandenburg überraschend und auch recht kurzfristig abgesagt wurde. Und natürlich lässt die Begründung aufhorchen, die da lautet, dass die Gespräche mit den verantwortlichen Resorts der Bundesregierung, insbesondere mit dem Verkehrsministerium, noch nicht zu Ende seien. Eine solche Formulierung ist natürlich etwas nebulös – erfahrungsgemäß heißt dies aber, dass es Abstimmungsschwierigkeiten oder auch Streit gibt.

    Dazu muss man wissen, dass bereits in den vergangenen Tagen Berichte in den lokalen Medien Berlin-Brandenburgs erschienen sind, wonach das Umweltbundesamt, kurz UBA, mit dem Gutachten eine teilweise recht kritische Bewertung vornehmen wollte. Das UBA ist als Behörde rechtlich dem Bundesumweltministerium unterstellt – und eine Pressekonferenz ist natürlich eine vergleichsweise recht offensive, eine öffentliche Art der Publizierung eines Gutachtens. Ein Gutachten kann natürlich auch ohne ein Medienecho übergeben werden – aber das UBA wollte hier wohl eine größere öffentliche Resonanz haben. Somit kann davon ausgegangen werden, dass dies einigen Verantwortlichen in den Ministerien nicht so recht war. Das Gutachten ist geschrieben worden für das Bundesamt für Flugsicherung – und diese Behörde will Ende Januar ja bekanntlich die endgültige Flugrouten-Entscheidung für den neuen Großflughafen bekanntgeben. Das UBA-Gutachten hat somit eine beratende, aber keine juristische bindende Funktion.

    Hammer: Der Bericht liegt aber ja in der Schublade! Konnten Sie rauskriegen was denn in Bericht steht?

    Nürnberger: Offizielle Stellungnahmen gab es an diesem Vormittag dazu nicht. Da hält man sich zurück. Aber: Laut Medienberichten soll sich das Umweltbundesamt mit dem Gutachten teilweise gegen geplante Flugrouten ausgesprochen haben. Hier soll es im Wesentlichen um die Routen bei Ostwind gehen. Betroffen wären die Gebiete rund um den Müggelsee, nach jüngsten Planungen sollen hier bei entsprechenden Windverhältnissen über 100 Flüge täglich stattfinden und zwar in einer Höhe von 1.200 Metern. Da gibt es eben auch große Prostete von Anwohnern. Hier schlagen wohl die Experten des UBA auch alternative Routen vor.

    Zudem hatte das Umweltbundesamt in der Einladung zur Pressekonferenz angekündigt, dass man in diesem Zusammenhang auch erläutern wolle, wie der Fluglärm in Schönefeld generell weiter reduziert werden kann. Und durchgesickert ist, dass sich das UBA aus Lärmschutzgründen für ein Nachflugverbot zwischen 22 und 6 Uhr ausspricht. Das wäre übrigens keine gänzlich neue Haltung des Umweltbundesamtes. Aber wie gesagt: Hierzu gibt es derzeit keine verlässlichen Stellungnahmen der Beteiligten.


    Hammer: Im Juni soll der Flughafen eröffnen, aber die Fronten sind verhärtet. Der Flughafen beruft sich auf ein Gerichtsurteil, das Flüge in der Nacht erlaubt. Die Anwohner schöpfen neue Hoffnung durch die Informationen des Umweltbundesamtes. Wer wird sich am Ende durchsetzen?

    Nürnberger: Juristisch ist das alles entschieden worden. Es gab ja Klagen von Bürgerinitiativen für ein solches komplettes Nachtflugverbot, das wurde höchstrichterlich nicht so gesehen, hier gibt es eine Entscheidung des Bundesveraltungsgerichts. Die vermeintliche Einschätzung des Umweltbundesamtes wäre natürlich dennoch Wasser auf die Mühlen der Kritiker des neuen Flughafens.
    Man muss aber auch sehen, dass natürlich die Zeit drängt. Berlin-Brandenburg International soll und wird Anfang Juni eröffnet werden. Das sind nur noch knapp fünf Monate – und natürlich verbindet man in der Hauptstadtregion damit auch große wirtschaftliche Erwartungen. Da überrascht es nicht, dass der auch zuständige Berliner Stadtentwicklungssenator genau auf diesen Zeitplan pocht: Wichtig sei, dass es jetzt nicht zu Verzögerungen komme, so Senator Michael Müller (SPD). Allerdings hat sich Müller stets auch dafür ausgesprochen, weitere Vorschläge zur Lärmminderung zu prüfen.

    Das UBA-Gutachten ist fertig, es wird auch übergeben werden, obwohl noch kein Termin dafür feststeht. Die Behörde wird auch angehört werden – im Vorfeld der Entscheidung über die endgültigen Flugrouten. Aber das Umweltbundesamt hat hier kein Vetorecht, sondern nur eine beratende Funktion.

    Hammer: Das Umweltbundesamt empfiehlt ein generelles Nachtflugverbot am neuen Flughafen in Berlin, besten Dank, Dieter Nürnberger.