Donnerstag, 09. Mai 2024

Kulturpolitik
Gutachten zu Antisemitismusklauseln in der Kultur

Sind sogenannte Antisemitismusklauseln in der Kulturförderung rechtens? Der Berliner Rechtswissenschaftler Christoph Möllers hat ein Gutachten zur "Zulässigkeit von präventiven Maßnahmen der Bekämpfung von Antisemitismus und Rassismus in der staatlichen Kulturförderung" erarbeitet. Die Debatte war nach der Berlinale neu entfacht worden.

20.03.2024
    Der Jurist Christoph Möllers im Porträt.
    Antisemitismusklauseln im Kulturbetrieb? Verfassungsrechtler Christoph Möllers hat ein Gutachten erarbeitet (Archivbild). (picture alliance / dpa / Jörg Carstensen)
    Das Gutachten war von Kulturstaatsministerin Roth (Grüne) in Auftrag gegeben worden. Nun berichten die Deutsche Presse-Agentur und die "Süddeutsche Zeitung" darüber.

    Kultur kann auf Nebenziele verpflichtet werden

    Möllers schreibt in dem 34 Seiten umfassenden Gutachten, der Staat könne auf der Ebene demokratischer Kunst- und Kulturpolitik "die Förderung von Kunst und Kultur mit nicht kunst- oder kulturimmanenten weiteren Zielen verbinden". Öffentliche Kulturinstitutionen könnten materiell auf Nebenziele verpflichtet werden und diese auch selbst vorsehen. Gleichzeitig verwies Möllers darauf, Kulturinstitutionen seien in ihrer künstlerischen Arbeit von der Kunstfreiheit geschützt. Interventionen in den eigentlichen Bereich ihrer Arbeit seien deswegen durch das Grundgesetz ausgeschlossen. 

    Gesetzliche Grundlage notwendig

    Für die ausdrückliche Verpflichtung auf Ziele wie die Bekämpfung von Antisemitismus und Rassismus sieht der Gutachter die Möglichkeit einer verfassungsrechtlichen Rechtfertigung. Zudem verfügten Kulturinstitutionen über Gestaltungsmöglichkeiten, die den Kunstbegriff selbst betreffen. Die Entscheidung einer Kulturinstitution, etwa bei der Ausgestaltung von Programmen mögliche antisemitische oder rassistische Inhalte zu einem negativen Kriterium zu machen, sei von der Kunstfreiheit geschützt.
    Aus Sicht von Möllers bedürfen solche Regeln für öffentliche Kulturinstitutionen einer gesetzlichen Grundlage. Durch diese könnten öffentliche Kulturinstitutionen und Geförderte auf bestimmte Prinzipien verpflichtet werden. Aus der Freiheit dieser Einrichtungen folgt laut Gutachten umgekehrt auch, dass diese sich eigenständig dazu entschließen können, ihre Förderung auf diese Ziele auszurichten.

    Vorheriges Gutachten zur Antisemitismusdebatte

    Möllers hatte für Kulturstaatsministerin Roth bereits nach den Antisemitismusvorwürfen gegen die documenta fifteen ein Gutachten zu grundrechtlichen Grenzen und Schutzgeboten staatlicher Kulturförderung geschrieben.
    Die Debatte um Klauseln gegen Antisemitismus und Rassismus war nach der Berlinale neu entfacht worden. Während der Gala war der Nahostkonflikt mehrfach thematisiert worden. Jury-Mitglieder sowie Preisträgerinnen und Preisträger forderten verbal oder mit Ansteckern einen Waffenstillstand im Gaza-Krieg und kritisierten die Situation in den von Israel besetzten Gebieten und das Vorgehen der israelischen Armee in Gaza. Im Anschluss gab es Kritik bis hin zu Vorwürfen von Israelhass und Antisemitismus.    
    Diese Nachricht wurde am 20.03.2024 im Programm Deutschlandfunk Kultur gesendet.