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Gute Beziehung mit Konfliktpotenzial

Die Nachbarländer Spanien und Marokko betonen ihre Freundschaft, vor allem Juan Carlos I. und König Mohammed VI. pflegen ein enges Verhältnis. Doch nicht nur der Konflikt um Flüchtlingsexklaven belastet die Beziehungen. Marokko bemängelt den geringen politischen Einfluss des spanischen Königs.

Von Anne Allmeling |
    Ein guter Draht zum Nachbarn - Marokkos König weiß, wie wichtig der ist. Vor allem, wenn es sich bei diesem Nachbarn um einen Monarchen handelt, noch dazu um einen europäischen. Mohammed VI. orientiert sich gerne an Europa - und bezeichnet Spaniens König Juan Carlos als einen väterlichen Freund. Die beiden Monarchen verstehen sich gut. Aber es knirscht woanders. Während Mohammed VI. die Politik seines Landes bestimmt, spielt der spanische König nur noch eine repräsentative Rolle. Das Regieren überlässt er anderen und das beeinträchtige Spaniens Beziehung zu Marokko, sagt Mohammed Benhammou vom Zentrum für Strategische Studien in Rabat:

    "Die Regierungen wechseln, und deshalb gibt es in der Beziehung zwischen Spanien und Marokko bessere und schlechtere Zeiten. Mal läuft alles gut, aber dann gibt es wieder Probleme und eine schlechtere Phase zwischen den beiden Ländern.”"

    Ein Reizthema sind die spanischen Exklaven Ceuta und Melilla an der marokkanischen Mittelmeerküste. Sie gehören seit dem 15. Jahrhundert zu Europa. Aber auch Marokko erhebt Anspruch auf die beiden eingezäunten Städte, die jedes Jahr Tausende Flüchtlinge aus Schwarzafrika anziehen. Außerdem belastet der Westsahara-Konflikt das Verhältnis zwischen den beiden Königreichen. Seit 1975 hält Marokko die ehemalige spanische Kolonie besetzt. Immer wieder führt das zu Streit - eine dauerhafte Lösung ist nicht in Sicht. Trotzdem überwiegen die gemeinsamen Interessen: Bekämpfung von Terrorismus und Rauschgifthandel.

    Die beiden Länder seien eben aufeinander angewiesen, sagt Alberto Navarro, spanischer Botschafter in Marokko:

    ""Spanien und Marokko werden sich zunehmend bewusst, dass sie in Sicherheitsfragen zusammenarbeiten müssen. Im vergangenen Jahr haben wir vereinbart, gemeinsame Polizeistellen einzurichten. In Sachen Sicherheit arbeiten wir jetzt Hand in Hand. Ich unterstreiche oft, dass sich die Sicherheitslage in Marokko auch auf Spanien und Europa auswirkt. Wenn Marokko wirtschaftlich und sicherheitstechnisch stabil ist, sind auch Spanien und Europa stabil."

    Und Stabilität wollen beide Seiten - auch auf höchster Ebene. Manche Beobachter sehen in dem 75-jährigen Juan Carlos sogar eine Art Mentor für den deutlich jüngeren Mohammed VI. Der muss nach dem arabischen Frühling eine Brücke schlagen zwischen traditioneller Monarchie und demokratischen Reformen. Wie das funktionieren kann, hat der spanische König schon in den 1970er-Jahren gezeigt. Er war als Nachfolger des Diktators Franco auf den spanischen Thron gekommen, verzichtete bald auf politische Macht und gab den Anstoß zu demokratischen Reformen in seinem Land.

    Aber, sagt Mohammed Benhammou, Spanien sei nur bedingt ein Modell für Marokko:

    ""Die beiden Länder haben eine andere Geschichte, und die beiden Staaten unterscheiden sich in ihrer Natur. Die Monarchie in Spanien ist nicht die gleiche wie die in Marokko. Wir sind hier in einem arabisch-muslimischen Staat. Unsere Monarchie besteht seit dem 8. Jahrhundert, hat eine alte Tradition, und die Verfassung gesteht dem marokkanischen König klare Kompetenzen zu. Und die sind sicherlich noch wichtiger als die in der spanischen Verfassung für den spanischen Monarchen.”"

    In einem verfolgen Juan Carlos und Mohammed VI. aber das gleiche Ziel: Sie wollen die Wirtschaftsbeziehungen ihrer Länder stärken. Spanien ist in den vergangenen Jahren zum wichtigsten Handelspartner für Marokko geworden. Umgekehrt hat sich Marokko zu einem bedeutenden Markt für die spanische Industrie entwickelt. Juan Carlos lässt sich auf seiner Reise von einer Wirtschaftsdelegation begleiten.