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Gute Bildung für wenig Geld

Hier findet jeder Bildung: Das Angebot der Volkshochschulen ist vielfältig und erschwinglich. Viel Geld bekommen die Dozenten dafür aber nicht, selbst Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gibt's nicht. Deshalb demonstrieren sie am heutigen 13. Volkshochschultag.

Von Jürgen König | 13.05.2011
    Eines der großen Themen dieses 13. Volkshochschultages wurde schon vor den Türen des Berliner Congress-Centrums diskutiert - Dozentinnen und Dozenten demonstrieren für mehr Geld, insbesondere für Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Ulrike Schätte, die Berliner Dozenten-Sprecherin:
    "Wir haben ausgerechnet, dass wir übers Jahr verteilt, in Vollzeit, dass wir nicht mehr als 1200 Euro rausbekommen, das große Problem ist für uns, dass auch die Ferien eben nicht bezahlt werden und Krankheiten auch nicht."

    Auch wer seit 30 Jahren hauptberuflich an ein und derselben Volkshochschule 30 Wochenstunden und mehr unterrichtet, gilt als arbeitnehmerähnlich und wird wie ein selbstständiger Unternehmer behandelt. Arbeitslosengeld gibt es nicht, Sozialversicherungsbeiträge müssen die Dozenten selber zahlen, allenfalls Zuschüsse werden auf Antrag gewährt. Wo das Angebot einer VHS gekürzt wird, haben die Dozenten Pech gehabt: Ein Anspruch auf Unterrichtseinheiten und damit auf ein geregeltes Einkommen besteht nicht. Was die Geschäftsleitungen dazu sagen?

    "Sie sagen, wir haben kein Geld, bei uns ist nichts zu holen."

    Trotzdem macht die Arbeit den Dozenten Freude.

    "Ich arbeite im Bereich Deutsch als Fremdsprache, also auch in sogenannten Integrationskursen, und für mich ist das einmalig, wenn Menschen aus ganz verschiedenen Kulturkreisen in einem Raum zusammen lernen können - ich freu mich eigentlich jeden Tag zu arbeiten. Das ist eigentlich auch das, was viele bei der Stange hält."

    Die Präsidentin des Deutschen Volkshochschulverbandes, Rita Süssmuth, hat großes Verständnis für die demonstrierenden Dozenten.

    "Sie haben zwar ein Einkommen, sind aber für den Krankheitsfall nicht gesichert; sie haben sehr niedriges Einkommen, andererseits, sind die, die da heute demonstrieren, auch hoch motiviert, sodass hier wirklich Regelungen anstehen. Wir reden jetzt seit geraumer Zeit immer darüber, wie wichtig die Weiterbildung ist, aber das ist im geregelten Bildungssektor eben ein ungeregelter und nicht geklärter Bereich."

    Ziel dieses 13. Volkshochschultages ist auch, zum ersten Mal seit 38 Jahren, wieder eine Standortbestimmung vorzunehmen und ein Leitbild aufzustellen für die fast eintausend Volkshochschulen im Lande. Der Verbandsvorsitzende Ernst-Dieter Rossmann:

    "Wir haben einen wachsenden Zuspruch, was Teilnehmerzahlen angeht und was wahrgenommene Stunden angeht, wir sind hoch anerkannt als Träger in wichtigen Schlüsselaufgaben, wenn Sie die ganzen Integrationskurse sich ansehen, die Sprachkurse, und von daher können wir unter diesem Gesichtspunkt sagen, sind die Volkshochschulen in einem sehr guten Zustand."

    Vernetzung heißt das Zauberwort: Zusammenarbeit mit anderen Bildungsträgern, mit Schulen und Hochschulen - versehen mit der Frage: Wie weit können wir uns vernetzen, ohne dass darüber Identität aufgegeben wird?

    "Wenn Sie das organisationspsychologisch betrachten, dann sagen manche auch: Wer viel kooperiert, verliert vielleicht auch das eigene Profil, weil er in einem Netz mit ist. Nur - da sind wir selbstbewusst genug zu sagen: Wir sind so stark als Volkshochschulen, dass wir auch jede Kooperation positiv auch für uns eingehen können und müssen, denn der Alterswandel, der demografische Wandel bringt ja auch neue Aufgabenstellungen, auch im kommunalen Weiterbildungsbereich."

    "Weiterbildung für alle!" lautet das Motto der zweitägigen Veranstaltung. Zu wenig sei dieses Ziel bisher berücksichtigt worden, das Potenzial der Weiterbildung jedes Einzelnen: Für die Gesellschaft, für die Wirtschaft sei bisher "beharrlich verkannt" worden, sagt Rita Süssmuth und fordert in ihrer Begrüßungsrede "anstelle zersplitterter Zuständigkeiten" eine Weiterbildungspolitik "aus einem Guss". Das Wort Kooperationsverbot spricht sie nicht direkt aus, fordert aber auch einen "Grundbildungspakt", 100 Millionen Euro jährlich, aufzubringen vom Bund, von den Ländern, den Kommunen, den Unternehmen, den Gewerkschaften. Dieses Geld soll vor allem den siebeneinhalb Millionen "funktionalen Analphabeten" in Deutschland zugutekommen, Menschen, die zwar Worte entziffern, nicht aber wirklich lesen und schreiben können. Bundesbildungsministerin Annette Schavan kündigte diesen "Grundbildungspakt" auch tatsächlich an und sprach von einer "nationalen Kraftanstrengung".

    "Wir werden gemeinsam mit der Kultusministerkonferenz, den Unternehmensverbänden, den Gewerkschaften, den Bildungsträgern einen Grundbildungspakt ins Leben rufen - in den nächsten Monaten, um gezielte Maßnahmen der Grundbildung zu konzipieren, die sich auf den Analphabetismus beziehen."

    Es herrschte Aufbruchsstimmung auf dem Volkshochschultag. Vielleicht auch, weil so mancher sich von der gestiegenen Wertschätzung der Bildung auch eine höhere gesellschaftliche Anerkennung der Volkshochschulen verspricht. Die Honorare der Dozentinnen und Dozenten aber - die bleiben erstmal, wie sie sind.