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Gute Chancen für Wirtschaftsinformatiker auf dem Arbeitsmarkt

Guckeisen: Herr Hasenkamp, bei Wirtschaftsinformatikern gibt es einen Nachfrageboom. Wie kommt das?

Moderation: Lothar Guckeisen |
    Hasenkamp: Es gibt einen Nachholbedarf. Es gibt eigentlich einen kontinuierlichen an Projekten in den Unternehmen, und mit der Jahrtausendwende und der Einführung des Euro sind alle Kapazitäten auf diese Sonderprojekte gelenkt worden, und man hat normale Projekte etwas schleifen lassen. In der Folge gab es dann natürlich die konjunkturellen Schwierigkeiten, und das führte dazu, dass in den Unternehmen ein Projektstau entstanden ist, und man merkt das jetzt, und man muss jetzt sozusagen nachholen. Das Personal dafür ist in den Unternehmen nicht vorhanden, und deshalb ist eben die Nachfrage nach Wirtschaftsinformatikern deutlich gestiegen.

    Guckeisen: In welchen Bereichen sind sie besonders gefragt?

    Hasenkamp: Konkret geht es um alles, was betriebswirtschaftliche Anwendungen der Informatik sind. Also es geht in geringen Teilen natürlich auch um andere Dinge, technische Dinge, aber das eigentlich Entscheidende sind die betriebswirtschaftlichen Dinge, also Einführung von Standardsoftware in den Unternehmen, die Vernetzung der Unternehmen untereinander, auch das in Verruf geratene E-business ist ja ein Thema, das uns langfristig beschäftigen wird, und dazu werden eben die Fachleute benötigt.

    Guckeisen: Sie haben gesagt, die Fachleute sind anderswo gebunden worden, auch gerade in den großen Unternehmen, die wahrscheinlich eher in der Lage sind, gute Gehälter zu zahlen, das wenige Personal noch zu rekrutieren. Heißt es in Zukunft, dass vor allem im Mittelstand, in kleineren Betrieben eben auch Wirtschaftsinformatiker gebraucht werden?

    Hasenkamp: Ja, das ist noch ein anderer Aspekt, dass in der Vergangenheit eigentlich die großen Unternehmen sehr viel stärker investiert hatten. Der Mittelstand hat abgewartet, und da gibt es noch eine Sondersituation, dass eben dort die modernen Zeiten zum Teil noch nicht so eingekehrt sind, wie das bei den großen Unternehmen der Fall ist.

    Guckeisen: Wenn uns an die Jahrtausendwende zurückerinnern, da hat man ja auch gehört, wir brauchen dringend Informatiker. Dann hat man verstärkt Informatiker ausgebildet, und die haben jetzt das Problem, dass sie sich nun mit der Konkurrenz aus Indien und Osteuropa auseinandersetzen müssen. Wird das auch das Schicksal der Wirtschaftsinformatiker sein?

    Hasenkamp: Ja, da muss man einen deutlichen Unterschied machen. Also Informatik und Wirtschaftsinformatik sind zwar benachbarte Disziplinen, aber nicht unbedingt in einem Atemzug zu nennen. Bei der Wirtschaftsinformatik geht es darum, die Brücke zu schlagen zwischen der Betriebswirtschaft und der Informatik, praktisch die Anwendungen zu realisieren, und dafür braucht man eben Sachverstand aus beiden Gebieten. Ein Informatiker, der schlau ist, wird in seinem Studium auch versuchen, möglichst viel in diese Richtung zu gehen. Wer das nicht tut, sich einfach auf die Bereiche der Informatik stützt, die sozusagen mehr Spaß machen, die spannender sind, der begibt sich natürlich in die Gefahr, dass man da weltweit eigentlich das Gleiche leisten kann, während es für die betriebswirtschaftlichen Belange nicht der Fall ist.

    Guckeisen: Das heißt aber auch, dass man den Mangel durch ausländische Spezialisten so leicht nicht auffangen wird?

    Hasenkamp: Im Bereich der Wirtschaftsinformatik ist das nicht zu realisieren. Ein Indikator dafür ist, dass man sich ansieht, welche Bereiche der Informationstechnologie aus Deutschland weltweit wahrgenommen werden, was exportiert wird. Wenn man da mal Manager in Amerika fragt, dann sagen sie, weiß ich nicht, da fällt mir nichts ein. Beim zweiten Nachdenken kommt man dann zum Beispiel auf SAP. Das heißt also, das ist genau die Domäne der Wirtschaftsinformatik, diese Verbindung zwischen der BWL und der Informatik zu schlagen. Das ist etwas, was man als Kernkompetenz hier sehen kann.

    Guckeisen: Die Konsequenz wäre aber doch, dass es eben dringend notwendig ist, dass bei uns eben die Wirtschaftsinformatiker ausgebildet werden, dass mehrere Leute das Studium an den Universitäten beginnen. Aber die Tatsache ist ja, dass es gerade andersrum ist. Es studieren weniger dieses Fach. Warum?

    Hasenkamp: Ja, das ist natürlich eine Entwicklung, die man nur mit Sorge sehen kann. Das hat verschiedene Gründe; zum einen weil die Wirtschaftsinformatik im Sog der Informatik ein bisschen unmodern geworden ist. Das Platzten des Internetbooms hat dazu geführt, dass die Abiturienten sich etwas abgewendet haben. Sie haben aber nicht erkannt und können das nicht erkennen, weil es in den Schulen überhaupt nicht vermittelt wird, dass die Wirtschaftsinformatik eben davon abgekoppelt ist, dass das ein anderes Thema ist.

    Guckeisen: Sie haben hier die Gelegenheit, ein bisschen für Ihr Fach zu werben. Was würden Sie denn sagen, wo kann man als Wirtschaftsinformatiker unterkommen? Warum sollte man das studieren, abgesehen davon, dass man dafür auch eine Stelle bekommt?

    Hasenkamp: Also die Hälfte unserer Absolventen geht nach dem Studium zu Beratern, zu den großen und kleinen Beratungshäusern, und sammelt dort Erfahrungen. Die andere Hälfte geht zu Anwendern in Unternehmen aller Größen, aller Branchen. Der Markt ist eigentlich sehr breit. Ich glaube auch, dass die Anzahl der Absolventen, die aus der Wirtschaftsinformatik dort unterkommen können, nahezu unbegrenzt ist. Also wir erinnern uns vielleicht zurück an die Green-Card-Diskussion, wo man errechnet hat, dass Hunderttausende von Fachkräften fehlen. Das sind im Wesentlichen Fachkräfte der Qualifikation Wirtschaftsinformatik, die dort gebraucht werden. Das ist in den letzten Jahren nur nicht so aufgefallen, weil, wie gesagt, die konjunkturelle Talsohle und eben die genannten Schwierigkeiten dazu führten, dass man dort in den Unternehmen eben nicht investiert hat.

    Guckeisen: Vielen Dank für das Gespräch.