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Gute Jobchancen für geschickte Pinsel

30.000 Künstler sind in Deutschland bei den Arbeitsagenturen erwerbslos gemeldet. Eine glückliche Ausnahme sind da die Theatermaler der Hochschule für Bildende Kunst in Dresden. Ihr Studiengang ist einmalig in Deutschland und ihr Können begehrt, bei Theater und Film und überall, wo Illusionen erzeugt werden sollen.

Von Antje Hoffmann |
    Altes Mauerwerk im Abendlicht, eine kunstvoll geschnitzte Holztür oder ein üppig fallender Brokatvorhang - die Wände im Flur der Studienrichtung Theatermalerei sind voll von vorgetäuschter Wirklichkeit. Mit Pinsel und Farbe in Szene gesetzt von den dort Studierenden. Heike Lindner aus dem zweiten Studienjahr kniet gerade am Boden und malt ein Figurenkapitell, Lydia Somagyi aus dem sechsten Semester steht einen Raum weiter an der Staffelei und versucht sich an einem Leonardo:

    Lindner: " Also das ist ein Säulenkapitell. Aus der Gründerzeit. Das ist halt eine Frau und das ist ein Mann-Kopf. Und dann hier unten die Säule, die nach unten dann zur Säulenbasis abschließt. "

    Somagyi: " Die Aufgabenstellung nennt sich "Kopie eines Alten Meisters" und die führ ich jetzt grad aus."

    Typische Arbeiten für Studierende der Theatermalerei - denn all das könnte Teil eines Bühnenbildes oder einer Filmkulisse sein. Seit den 60er Jahren werden an der Hochschule für Bildende Kunst in Dresden Theatermaler ausgebildet. Sieben pro Semester und nach vier Jahren gibt es ein Design-Diplom. Der Studiengang ist beispiellos in Deutschland. Für gewöhnlich wird das Theatermalen nur als Lehrberuf ausgebildet, erklärt Michael Münch, Professor für Theatermalerei:

    " Viele bilden an den Theatern aus, Berufsschule plus praktische Arbeit an den Theatern. Die haben natürlich uns voraus, dass sie drei Jahre direkt praktisch arbeiten, während unsere Ausbildung doch eher auf der künstlerischen Seite liegt."

    Von der täuschend echten Imitation von Oberflächen wie Beton oder Marmor bis zu Landschaftsmalerei oder Aktzeichnen - die Schulung der künstlerischen Fähigkeiten der Studierenden hat oberste Priorität. Hinzu kommen handwerkliche und theoretische Fächer und Praktika. Am Ende können die Studierenden einen Bühnenbildentwurf komplett eigenständig umsetzen. Von der Konzeption der Arbeitsmethoden bis zur gestalterischen und organisatorischen Ausführung. Diese kompakte Ausbildung weiß man in Filmateliers und am Theater zu schätzen, zum Beispiel an der Semperoper in Dresden. Dort wird im so genannten Malsaal gerade an den Kulissen für das Ballett "Dornröschen" gearbeitet. Michael Döring, der Leiter des Malsaals, erklärt die Entwürfe nach denen das Bühnenbild entsteht:

    " Vorbild war hier Schloss Albrechtsberg. Das ist eins der drei Elbschlösser. Und auch das ganze Interieur ist alles im Schloss Albrechtsberg fotografiert worden."

    Und gilt es nun, als perfekte Bühnenkulisse nachzugestalten. Mit Parkanlage, mit einer von Dornenhecken überwucherten Außenfassade, mit einer märchenhaften Innenausstattung. Alles wird nur gemalt, aber letztendlich wie echt, also dreidimensional aussehen. Um diese gewaltige Aufgabe zu stemmen, sei das Studium eine ideale Basis, sagt Mathilde Lehmann, die ihr Diplom seit zehn Jahren in der Tasche hat. Gemeinsam mit fünf Kollegen wird sie ein halbes Jahr an den Dornröschen-Kulissen arbeiten. Genau so hat sie sich ihren Job während des Studiums erträumt, sagt sie während sie ihre Pinsel auswäscht:

    " Malen, Zeichnen, künstlerisch tätig sein. Das hat sich einfach alles eingestellt. Für mich ist es ein richtiges Glück, dass ich hier bin. Kann ich nicht anders sagen."

    Gut zwei Drittel der Absolventen finden einen Job am Theater oder bei Film und Fernsehen - von Wien bis Hamburg, von Luzern bis Schwerin. Das andere Drittel entscheidet wie Verena Butze, die sich nach ihrem Abschluss 2004 selbständig gemacht hat:

    " Da sind die Arbeitsgebiete ja noch viel vielfältiger. Also man kann ans Theater gehen und Stückverträge abschließen, oder man macht für Privatleute Malerei nach Wunsch oder Wandmalerei. Man ist ja doch gut ausgebildet, um das auch ausführen zu können. "

    Gemeinsam mit einer Kollegin gründete Verena Butze im Dresdner Norden die Firma "Malwerk". Deren Angebotspalette reicht von Bühnenbildern über Gemäldekopien bis zu Wandmalereien für Schlösser, Firmen oder Privatwohnungen. Aufträge verschafft ihnen auch der zunehmende Bekanntheitsgrad des Studiums. Denn auf der Suche nach Absolventen melden sich immer öfter nicht nur Kunstbetriebe bei der Hochschule, sondern auch Messen, Freizeitparks oder Innenarchitekten, erzählt Dozent Sven Michalika nicht ohne Stolz:

    " Immer, wenn jemand was gestalten will, was inszenieren will, ob das eine Gaststätte ist oder ein Schlossgartensaal, da sind wir dann meistens die letzte Adresse, wo dann die Leute nach vielen Umfragen landen und sagen, die können mir das machen."

    "Die", das sind die Dresdner Theatermaler, deren Ruf sich kontinuierlich verbreitet. Über die Bühnengrenzen hinweg und auch über die Landesgrenzen hinweg.

    Wer mehr Einblicke in das Berufsleben von Theatermalern haben möchte, dem sei das 2006 erschienene Buch: "Theatermalerei" von Karl Bernd Böhm empfohlen. Informationen zum Studiengang Theatermalerei gibt es im Internet unter www.hfbk-dresden.de