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Guter Ton auch ohne Kabel

Zukunftspreis. - Zu den Nominierten des Deutschen Zukunftspreises gehört auch das Unternehmen Sennheiser aus Wennebostel bei Hannover. Es konnte mit der Entwicklung eines digitalen Drahtlosmikrofons die Jury für sich gewinnen. Die Mikrofone des Herstellers sind seit der Gründung des Unternehmens vor über 60 Jahren in vielen Musik- und Rundfunkstudios im Einsatz.

Von Michael Engel | 03.12.2008
    Der Roboter ergreift eine winzige Kapsel - das "Herzstück" des Mikrofons. Hier wird später einmal der Schall aufgenommen und in elektrischen Strom verwandelt. Peter Arasin deutet auf einen Monitor, der die Millimeterarbeit in vielfacher Vergrößerung zeigt:

    " Diese Kapsel wird auf ihrer Rückseite mit einem Infrarotlaser verschweißt, so dass wir einen hermetischen Verschluss der Kapsel von der Rückseite erreichen. Die ist also schon fertig montiert, diese drei Beinchen, die sie hier sehen, das werden die Anschlüsse zum Kabel sein. "

    Sennheiser ist stolz auf seine Innovationen. In einer Vitrine, unweit der Roboterstraße, stehen die Meilensteine der Mikrofongeschichte - hinter Glas: Zum Beispiel das erste Richtrohrmikrofon der Welt. Es revolutionierte Film und Fernsehen, weil die Mikrofone nicht mehr im Bild störten. Bereits in den 50er Jahren entstanden auch die ersten drahtlosen Mikrofone, die ein neues Genre möglich machten: Musicals.

    Leider setzte die Post einen engen Frequenzrahmen für die Drahtlostechnik. Der Übertragungskanal war mit 200 kHz viel zu schmal, um die Töne in optimaler Qualität zu senden. Deshalb mussten die analogen, elektromagnetischen Schwingungen komprimiert werden, um sie durch das enge Funkfenster hindurch zu zwängen. Wegen diese Prozedur, so der Forschungsleiter Dr. Gerrit Buhe, waren analoge Funkmikrofone gegenüber Kabelmikrofonen immer im Nachteil.


    " Wenn Percussions, kritische Schlagzeuge, Tamburin oder Schellenkranz im Hintergrund läuft, dann entstehen tieffrequente Störgeräusche, die in Wirklichkeit überhaupt nicht das sind. Es kann zu Rauschfahnen kommen. Und das sind Artefakte, die es in der Praxis dem einen oder anderen Toningenieur schwer machen. "

    Mit dem neuen digitalen Funkmikrofon, das Sennheiser die Nominierung für den "Deutschen Zukunftspreis" einbrachte, sind solche Artefakte nicht mehr zu befürchten. Zwar ist der Übertragungskanal auch beim digitalen Drahtlosmikrofon viel zu klein, doch Digitaltechnik kann das Manko besser kompensieren. Sennheiser entwickelte einen ganzen Strauss von rechnergestützten Verfahren, um den Klang zu perfektionieren. Zum Beispiel ein Fehlerkorrektursystem, das den ankommenden Bitstrom auf Plausibilität überprüft und notfalls korrigiert, erläutert Firmenchef Prof. Jörg Sennheiser.

    " Das Ergebnis ist ein neuartiges drahtloses Übertragungssystem. Man kann es ähnlich dem Videobereich mit High-Definition vergleichen. Es ist einfach eins zu eins das Original, drahtlos übertragen, man kann sagen, wie ein verkabeltes Mikrofon. Und man muss keine Abstriche machen, weil keine Beeinflussung des Originals im Übertragungsweg stattfindet. Also Eins-zu-eins-Übertragung. "

    Mehr als zehn Jahre hat das Unternehmen am digitalen Funkmikrofon geforscht. Kostenpunkt: 20 Millionen Euro. Jetzt, so Sennheiser, können Live-Konzerte auch mit Drahtlosmikrofonen in absoluter Studioqualität aufgezeichnet werden. Mitschnitte auf CD werden hörbar besser klingen. Der "Deutsche Zukunftspreis" hat für den Firmenchef zwar finanziell keine so große Bedeutung, aber allein die Nominierung ist unbezahlbar - als weithin sichtbares Signal für Innovation - Made by Sennheiser.

    " Also für mich persönlich bedeutet das eine Anerkennung eines unternehmerischen Entscheides vor einigen Jahren. Nämlich für diese digitale HF-Übertragung eine eigene Mannschaft aufzubauen und über mehrere Jahre diese Forschungsarbeit zu finanzieren. Also ein ziemliches finanzielles Risiko, was damals noch gar kein glückliches Ende zu haben schien. Und diese Nominierung ist für mich eine Bestätigung, dass man als Unternehmer in der Lage und bereit sein muss, solche Risiken zu tragen. "

    Das digitale Mikrofon wird zur Zeit auf Herz und Nieren geprüft. Besonders ausgebildete Toningenieure, sogenannte "goldene Ohren", checken die Tonqualität in allen Einzelheiten. Sobald die Experten grünes Licht geben, soll das System in Serie gehen.