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Gutes Benehmen auf akademischem Parkett

Die hohe Kunst des Small Talks und der richtige Umgang mit dem Hummer: Auch Wissenschaftler müssen gutes Benehmen beherrschen, zum Beispiel bei Kongressen oder Treffen mit Wirtschaftsbossen. An der Universität Kassel finden Knigge-Workshops für Jungwissenschaftler statt.

Von Beatrice Weiskircher |
    "Wir drehen zuerst den Kopf ab, dann ist das hier sehr beweglich. Wir können dann hier an den Beinchen anfangen, den Panzer zu schälen, ja, das geht auch wirklich ganz leicht."

    Ein Uni-Seminar mal ganz anders: ein Restaurant mit festlich gedeckten Tischen. Dazwischen steht Kniggetrainer Michael Kugel im schicken Anzug und rückt einer Riesengarnele zu Leibe.

    "Und dann können Sie hinterher das Schwänzchen rausziehen. Sehen Sie, das geht auch ganz leicht. Und dann legen Sie das ab, weil Sie haben ja noch eine Zweite. Und dann machen Sie das mit der Zweiten auch. Hat's jeder gesehen oder soll ich noch mal kommen?"

    Die rund 20 jungen Wissenschaftler haben gebannt auf seine Hände gestarrt und es fehlerfrei nachgemacht. Sauber geschält liegen die Meerestierchen auf den Tellern und nicht auf dem Schoß des Nachbarn. Für Christoph Peters war's ein Kinderspiel. Der Doktorand ist dagegen eher mit den unzähligen Bestecken überfordert.

    "Ich hab irgendwie schon relativ früh über meine Eltern so die Basic-Regeln irgendwie kennengelernt, also sich von außen nach innen zu arbeiten etc. Und dann gibt’s ja immer noch andere Leute am Tisch, wo man sich auch noch mal, wenn man sich nicht ganz sicher ist, was abschauen kann. Und ich glaube, ich bin ein sehr direkter Mensch und würde im schlimmsten Fall, wenn ich mir ganz unsicher bin, vielleicht meinen Tischnachbar fragen."

    In dem Fall ist Spicken also erlaubt. Er und seine Kollegen wollen durch den Workshop das kleine Einmaleins des guten Stils üben. Denn es kommt immer häufiger vor, dass junge Wissenschaftler genau das bei Treffen mit Wirtschaftsbossen oder auf internationalem Parkett beherrschen müssen. Wenn man dann den Konzernchef als Tischnachbar hat und ihm seine Spaghetti um die Ohren schleudert, könnte das mehr als peinlich sein. Da geht’s ja oft um mehr: Es könnte der künftige Arbeitgeber oder Forschungsauftraggeber sein. Also heißt es: sicher und weltgewandt auftreten. Dazu gehören nicht nur 1a-Tischmanieren, sondern auch die hohe Kunst des Small Talks. Trainiert wurde, wie man die berühmten Fettnäpfchen vermeidet und sich geschickt in laufende Gespräche einklinkt, so Organisatorin Christine Borchardt vom Servicecenter Lehre der Uni Kassel:

    "Also es gibt Themen, die sollten Sie vermeiden beim Small Talk. Das sind zum Beispiel Themen wie Politik, Religion, Krankheit. Dann gibt es Themen, die sie in jedem Fall ansprechen können und sollten. Da ist immer das Wetter dabei. Sport, auch ein unverfängliches Thema, mit dem man erstmal Leute kennenlernen kann."

    "Also ich denke, es gab bestimmt schon Situationen, wo man erstmal im Zweifeln war, ob man sich da noch mal schnell dazu stellt, grad vielleicht auf einer wissenschaftlichen Konferenz. Und es gibt verschiedene Stehtische und man überlegt irgendwie einen Moment zu lang und dann ist der Stehtisch schon besetzt. So. Ich glaube, mit dem Wissen was ich mir auch heute mir noch aneignen konnte, wäre das vielleicht noch klarer gewesen. Da hätte ich mich jetzt vielleicht einfach ganz flott dazugestellt, mich kurz vorgestellt und wäre dann dort schon gestanden."

    Die Uni Kassel bietet für ihre Wissenschaftler im akademischen Mittelbau derzeit Zertifikate an. Ziel ist es, dass die Doktoranden nicht nur exzellent forschen, sondern sich auch pädagogische und soziale Kompetenzen aneignen. Dazu zählt auch der Knigge-Workshop. Der soll künftig für alle Wissenschaftler angeboten werden. Denn der Typ leicht verschrobener Forscher, der in seiner Welt lebt, sei längst aus der Mode und gesellschaftlich nicht mehr akzeptiert, so Christine Borchardt:

    "Das Verhalten der Mitarbeiter ist schon wichtig, es ist ja auch ein Aushängeschild für die jeweilige Universität. Also sie profiliert sich durch bestimmte Schwerpunktsetzung thematischer Art. Aber profiliert sich natürlich auch mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern."

    Nicht zuletzt können gute Manieren auch bei Berufungsverfahren ausschlaggebend sein, ob der Kandidat einen Lehrstuhl erhält oder nicht. Beim sogenannten Gabeltest – das informelle Essen eines Professors mit seinem Wunschkandidaten. Da sollte man nicht die Riesengarnele beim Pellen in den Schoß des künftigen Chefs schnippen.