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Gutes Gehalt alleine reicht nicht mehr

    Ob IBM oder Coca-Cola, bei den großen US-Konzernen herrscht akuter Nachwuchsmangel. Die Arbeitslosenrate ist auf dem niedrigsten Stand seit 30 Jahren, da müssen viele Unternehmen ihrem Personal schon mehr bieten als Gehaltserhöhungen. "US-amerikanische Unternehmen verlieren im Durchschnitt die Hälfte ihrer Mitarbeiter innerhalb von drei Jahren", weiß der Arbeitspsychologe Fred Reichheld. "Immer mehr Firmen erkennen nun: um Top-Talente zu halten, muss auch das Arbeitsklima stimmen." Bei der New Yorker Medienagentur Razorfish hat man die Zeichen der Zeit erkannt. Das Unternehmen verfügt über hauseigene Massagetherapeuten, spendiert dem gesamten Personal einmal im Jahr ein Skiwochenende. Marketing-Direktor Thomas Müller hebt die hauseigene Förderung von individueller Weiterbildung hervor: "Jeder Mitarbeiter hat dafür bis zu 10.000 Mark im Jahr zur Verfügung. Zusätzlich steht jedem ein kleinerer, persönlicher Weiterbildungsfonds zur Verfügung."

    Auch die Traditionskonzerne steuern auf Reformkurs. An der eher konservativen Wall Street etwa setzt man seit neuestem auf ein legeres Outfit, beobachtet Herrenausstatter Neil Roberts, der seit 25 Jahren im Geschäft ist: "Die Firmen wollen, dass sich die Angestellten in ihrer Haut wohl fühlen. Dabei ist die Kleidungsfrage enorm wichtig." Manche Häuser gehen noch weiter. Ralf Bull arbeitet bei IBM in Atlanta: "Der Arbeitsplatz hier ist nicht zu vergleichen mit dem, wie man IBM traditionell kennt. Wir hatten hier schon Kinder von Kollegen auf dem Flur, wenn es nicht anders ging. Und die kreativen Leute im ersten Stock haben einen Hund adoptiert, der ständig bei ihnen ist." Allen Anstrengungen zum Trotz bleibt Personal derzeit in den USA Mangelware. In zahlreichen Unternehmen müssen Führungskräfte inzwischen sogar Lehrgänge absolvieren, die auf Strategien ausgerichtet sind, die Belegschaft bei der Stange zu halten.

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    Der Arbeitsforscher Fred Reichheld ist Autor des Buches "The Loyalty Effect" (Harvard Business School Press).

    Razorfish zählt zu den führenden Medienagenturen in New York.