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Gutes Klima in großer Höhe

Technik. - Drei Jahre lang haben Forscher in einem europäischen Projekt Faktoren in Flugzeugkabinen unter die Lupe genommen und nach dem "idealen Kabinenklima" gesucht, so der Titel des Forschungsvorhabens. Ihre Ergebnisse haben sie auf einer Konferenz in München jetzt vorgestellt.

Von Hellmuth Nordwig |
    Die gute Nachricht zuerst: Die trockene und dünne Luft in der Kabine führt nicht zu Gesundheitsschäden. Das haben Forscher vom Fraunhofer-Institut für Bauphysik herausgefunden, als sie Langstreckenflüge simulierten - in einer Niederdruckröhre, in die ein halbes Flugzeug passt. Dort verbrachten in vielen Versuchsserien jeweils 40 Probanden einen ganzen Tag, sie wurden medizinisch untersucht und nach ihrem Befinden befragt. Als angenehm wurden die Bedingungen an Bord aber nicht empfunden. Im Flugzeug ist es so laut wie neben einem Auto im Stadtverkehr, und vor allem ist die Luft mit nur zehn Prozent Feuchtigkeit extrem trocken. Fraunhofer-Forscher Gunnar Grün erklärt, warum.

    "Aus dem Grund, dass die Außenluft ins Flugzeug eingebracht wird und sehr wenig Feuchtigkeit enthält. Auf Flughöhe haben Sie draußen minus 50 Grad Celsius, und wenn Sie diese Luft erwärmen auf 23 Grad Celsius in der Kabine, haben Sie kaum Feuchtigkeit in der Luft. Und dass es zehn Prozent sind, kommt durch die Passagiere selbst, durch Getränke etcetera."

    An der trockenen Luft lässt sich nichts ändern – das ist die schlechte Nachricht. Denn Feuchtigkeit in der Kabinenluft würde an der eiskalten Außenhülle des Flugzeugs kondensieren, so wie im Bad am Spiegel. Konstrukteure befürchten, dass es dadurch zu Kurzschlüssen in der Elektrik und zur Korrosion der Aluminiumhülle kommen könnte. Und das Flugzeug würde schwerer: Schon bei nur zehn Prozent Luftfeuchtigkeit nimmt das Dämmmaterial in den ersten Betriebsmonaten 600 Kilogramm Kondenswasser auf. Unangenehm ist weiterhin der geringe Luftdruck in der Kabine. Er entspricht einer Meereshöhe von 2500 Metern. Auch das ist technisch bedingt.

    "Jedes Mal wenn Sie starten und landen, ist das, wie wenn Sie einen Luftballon aufpusten. Wenn Sie das sehr häufig machen, leiert der aus und geht irgendwann kaputt. Deswegen möchte man den Druck in der Kabine nicht zu sehr erhöhen und hat dieses Niveau gewählt, weil da die Wahrscheinlichkeit, dass etwas passiert, sehr gering ist."

    Die unangenehmen Begleiterscheinungen des Fliegens sind also nicht zu ändern – so das Fazit des dreijährigen Projekts. Nicht untersucht haben die Forscher dabei ein Phänomen, das ebenfalls viele Reisende kennen und das auch dem Personal an Bord zu schaffen macht: Der Geruch nach Ölbestandteilen, der über die Lüftung ins Innere gelangt. Etwa die Hälfte der Kabinenluft wird nämlich aus dem Bereich der Triebwerke angesaugt und verdichtet. Eigentlich sollten Sperrventile verhindern, dass giftige Chemikalien nach innen gelangen, doch die funktionieren nicht immer. Judith Morawski von der Association of Flight Attendants, einer großen Gewerkschaft der Flugbegleiter in den USA.

    "Unfallgutachter in der Schweiz, Schweden und Großbritannien haben dazu eine Reihe von Untersuchungen eingeleitet. Und Piloten haben medizinische Berichte zur Verfügung gestellt, die zeigen, dass sie wegen einer Vergiftung handlungsunfähig waren. Das ist seit den 1970er Jahren dokumentiert."

    "Bei einem dieser Vorfälle konnte ich meine Finger nicht mehr zählen – es war wie im Vollrausch", berichtete einer der Piloten. Vor allem zwei Substanzen scheinen eine Rolle zu spielen: Kohlenmonoxid, das beim Erhitzen von Ölen entsteht, und Trikresylphosphat, kurz TCP. Dieses Schmier- und Hydrauliköl ist zugleich ein Nervengift.

    "Neuerdings gibt es Filter, welche die verdichtete Zusatzluft reinigen, bevor sie in die Kabine und ins Cockpit gelangt. Die meisten Flugreisenden würden wohl vermuten, dass Luft, die von den Triebwerken angesaugt wird, gefiltert wird – doch dem ist nicht so."

    Vorgeschrieben sind die Filter nicht. Doch auch die Aufsichtsbehörde der USA vermutet inzwischen, dass statt des "menschlichen Versagens" von Piloten bei einigen Unfällen in Wahrheit Vergiftungen die Ursache waren. Welche Chemikalien in die Kabinenluft gepustet werden, dazu beginnt erst jetzt ein Forschungsprojekt in Großbritannien.