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Hacker vs. Informatiker
Gähnfaktor und Mythenbildung

Nachdem die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" den Programmcode des Staatstrojaners veröffentlichte, hat das Spionagethema die politische Diskussion in Deutschland einige Wochen beherrscht. Peter Welchering weiß, ob die Informatik Hacker brauchte, um in der Öffentlichkeit ein Bewusstsein für das Problem zu schaffen.

Peter Welchering im Gespräch mit Manfred Kloiber |
    Zwei Männer tippen auf ihren Laptops.
    Die ccc-Jahrestagung ist das größte Treffen der Hackerszene in Europa. (Malte Christians/dpa)
    Peter Welchering: Hier hat die Gesellschaft die Hacker gebraucht, damit das Thema in der Gesellschaft breiter diskutiert wurde. Aber die Hacker haben softwaretechnische Methoden verwendet, um genau nachzuvollziehen, was der Staatstrojaner macht und was von seinen Fähigkeiten und Aktionen ungesetzlich ist. Die Informatik hat das Thema auch sehr schnell aufgenommen und die Erkenntnisse der Hacker nicht nur fachwissenschaftlich untermauert, sondern auch noch mal eine berufsethische Diskussion angestoßen, was Informatiker hier machen dürfen und was nicht.
    Manfred Kloiber: Auf dem 30C3 ist ja von ganz unterschiedlichen Diskutanten übereinstimmend hervorgehoben worden, dass sich Hacker und universitäre Informatik aufeinander zu bewegen. Wie nah sind die sich denn gekommen bisher?
    Welchering: Ein Hacker probiert Informationstechnik aus, findet er dabei Sicherheitslücken oder Entwicklungen, die er gesellschaftlich schädlich findet, macht er öffentlich, was er gefunden hat. Das führt zu einer breiteren Diskussion als die fachwissenschaftliche Diskussion der Informatik. Insofern braucht die Informatik tatsächlich die Hacker. Und zwar nicht nur im Sinne eines Vorfeldinformatikers, sondern sie entdecken mit der ihnen eigenen Intuition neue Dinge, auch Gefahren. Was da entdeckt wurde, kann die Fachwissenschaft Informatik dann untermauern. Das ist auch wissenschaftstheoretisch eine spannende Entwicklung. Allerdings in wissenschaftsgeschichtlicher Hinsicht ist solch eine Bewegung nicht so neu. Wir finden da in der Wissenschaftsgeschichte in der Astronomie und in der Physik ähnliche Bewegungen und Entwicklungen.
    Kloiber: Dennoch scheint es ja auf beiden Seiten auch noch Vorbehalte zu geben, von den Hackern gegen die universitäre Informatik und von den Informatikern gegen die Hacker. Wie sind die einzuordnen?
    Welchering: Große Teile der Hacker und große Teile der Informatiker haben die nicht mehr. Hacker erkennen die strukturierte und nachvollziehbare Arbeit der Informatiker an, Informatiker erkennen das intuitive Wissen von Hackern an. Die Hackerethik scheint in Teilen stärker diskutiert zu werden als die Berufsethik von Informatikern. Das ist sicherlich ein Unterschied. Und es gibt in beiden Lagern Randgebiete oder Randgruppen, die sich stark vom andern Lager abgrenzen. Das scheint aber auch eine Generationenfrage zu sein. Die alten Informatiker mit dem Muff unter den Talaren werden emeritiert, die alten Hacker mit ihrer Ablehnung des Universitären gehen so allmählich auch in die Rente und sind weder im CCC noch in anderen Hackervereinigungen aktiv.
    Kloiber: Hat die Zusammenarbeit von Hackern und Informatikern denn in der Geheimdienstaffäre im Sommer des vergangenen Jahres etwas bewirkt?
    Welchering: GI als Fachgesellschaft hat die Initiativen der Hacker aufgenommen, beide haben den Druck auf die Politik verstärkt. Ob der Druck so groß werden kann, dass auch eine behäbige Große Koalition sich dann des Themas nachhaltig annimmt, das wird 2014 zeigen.
    Kloiber: Braucht die Informatik mehr Hacker – Informationen von Peter Welchering waren das, danke!