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Hackerangriffe aus Russland und China
Wie US-Präsident Biden einen Cyberkrieg zu verhindern versucht

Es war eine klare Botschaft: US-Präsident Biden warnte bei einem Besuch der Geheimdienstkoordination vor einem "echten Krieg mit einer Großmacht" – als Folge eines Cyberangriffs. Biden versuche, eine Art Cyber-Abschreckungssystem aufzubauen, sagte Politikwissenschaftler Karl Kaiser im Dlf.

Karl Kaiser im Gespräch mit Britta Fecke |
Präsident Joe Biden kommt im Weißen Haus an (31. Juli 2021)
Ein Cyberangriff sei nicht nur ein Problem der USA, sondern auch das seiner europäischen Verbündeten, vor allem der Deutschen, sagte Karl Kaiser im Interview (picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Andrew Harnik)
Bei seinem Besuch des Büros der US-Geheimdienstkoordination hatte US-Präsident Joe Biden am 28. Juli 2021 davor gewarnt, dass Cyberangriffe von großer Tragweite in einen echten Krieg münden könnten.
"Wenn wir in einem Krieg, einem echten Krieg, mit einer Großmacht enden, dann infolge eines Cyberangriffs von großer Tragweite" – so Joe Biden wörtlich. Ein großangelegter Hacker-Angriff könne zu einem Krieg mit einer Großmacht führen. Man sehe eine wachsende Bedrohung durch Russland und China. Zuletzt hatte es eine Reihe von Aufsehen erregenden Cyberangriffen auf Unternehmen gegeben. Einige davon wirkten sich in Teilen der Vereinigten Staaten auf die Kraftstoff- und Lebensmittelversorgung aus.
Professor Karl Kaiser ist Politikwissenschaftler an der Universität Harvard und war außenpolitischer Berater von Willy Brandt und Helmut Schmidt. Er glaubt nicht, dass Bidens Äußerungen "nur so dahergesagt" gewesen seien: Der Präsident habe seine Worte sehr bewusst gewählt, sagte Kaiser im Dlf. Bei den Adressaten handele es sich in erster Linie um Russland und China, aber auch Nordkorea. "Das ist ein reflektierten Akt, mit dem er ankündigt, dass sein Land Cyberangriffe in Zukunft nicht mehr hinnehmen wird."

Cyberangriff kann Bombenangriff gleichen

Man müsse sich von der Vorstellung lösen, dass eine Cyberattacke ein harmloser, digitaler, elektronischer Angriff sei. Der Cyberkrieg der Neuzeit könne genau wie ein Bomberangriff wirken – und Zerstörung und Tod bringen. "Wir befinden uns an der Schwelle zu einem neuen Zeitalter." Biden habe mit seinen Äußerungen ein Prinzip statuiert, das schon im Nuklearalter galt: Das der Abschreckung. Es entstünde derzeit eine Art Cyber-Abschreckungssystem, das die Großmächte gegeneinander auszuspielen versuchten. Bidens Drohpotential: Auch die USA könnten Schaden zufügen.
Beim Gipfel zwischen US-Präsident Joe Biden und dem russischen Staatschef Wladimir Putin Mitte Juni hatte Biden der russischen Seite eine Liste mit 16 lebenswichtigen Bereichen in den USA überreicht, die nicht Ziel von Hacker-Angriffen sein dürften. Geschehe dies, würden die USA entsprechend zurückschlagen. Das sei eine Art Neudefinition der Cybermächte, so Kaiser, um sich auf einen Minimalkonsens zu einigen.
US-Präsident Joe Biden und Russlands Präsident Wladimir Putin während ihres Treffens in Genf am 16. Juni 2021.
Gipfeltreffen in Genf: Großes Misstrauen zwischen Biden und Putin
Die Beziehungen zwischen den USA und Russland sind auf einem Tiefpunkt. Insofern war das Gipfeltreffen von US-Präsident Joe Biden und dem russischen Staatschef Wladimir Putin ein kleines Wunder. Etwas Hoffnung kam im Vorfeld auf, dass die Abwärtsspirale gestoppt werden kann.

Chinesen nutzen Offensivkapazität noch weniger

Auch wenn Biden mit seinen Äußerungen zunächst vor allem Russland im Blick hat, sei der Adressat an zweiter Stelle China. Die chinesische Kapazität konzentriere sich auf Hightec-Spionage und das Stehlen von geistigem Eigentum. "Man vermutet, dass die Abteilung im chinesischen Militär mehr als 10.000 Mitarbeiter hat, die nichts anderes tun als Cyber", so Kaiser.
Bereits vor einigen Jahren hatte die NATO in Artikel 5 - der die Beistandspflicht definiert - den Begriff des Cyberangriffs aufgenommen. Ein Cyberangriff sei damit nicht nur ein Problem der USA, sondern auch das ihrer europäischen Verbündeten, vor allem der Deutschen. Besonders Deutschland habe auf diesem Gebiet noch viel zu tun.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.