Im Frühjahr legte die Altistin Marijana Mijanovic ein Album mit Händel-Kastraten-Partien vor. Gerade hat die Sopranistin Annette Dasch eine CD mit einigen Händel-Arien herausgebracht. Und in diesen Tagen folgt die Mezzosopranistin Magdalena Kozena mit einem ganzen Händel -Album. Kein Wunder: Bislang war Händels Musik vor allem für Mezzos, Altistinnen oder Countertenöre ein dankbares Feld, denn für die Herz-Schmerz-Attacken der Barockoper sorgten anno dazumal vor allem die Kastraten. Nun aber - und das ist neu - folgen zwei Tenöre: Der Brite Ian Bostridge hat eine Händel-Platte vorgelegt und auch sein Landsmann Mark Padmore ist seit kurzem mit einer ebensolchen vertreten. Während Bostridge u.a. transponierte Kastraten-Arien singt, zeigt Mark Padmore, dass Händel auch für die Tenorlage einiges geschrieben hat, das einem beim Hören Schauer über den Rücken jagen kann.
"As steals the morn" - so heißt die neue Platte von Mark Padmore, die ich Ihnen heute vorstellen möchte. Am Mikrofon begrüßt Sie dazu Falk Häfner.
" Tr. 14 4:14 "Tune your harps" aus "Esther" "
So werden Kriege gewonnen!: "Tune your harps" - "Stimmt Eure Harfen" aus "Esther", Händels erstem Oratorium in englischer Sprache. Mit dieser Arie machen sich die Israeliten, die von den Persern gefangen gehalten werden, selber Mut, indem sie zu ihrem Gott beten. Die Streicher deuten mit ihrem pizzicato die Harfen an, während sich Mark Padmore mit der Oboe im noblen Duett befindet. So lyrisch Katharina Spreckelsen ihr Instrument führt, so sinnlich folgt ihr Mark Padmore: ein Timbre, das strahlt, ohne herauszustechen; eine Stimme, die rein, aber nicht unschuldig wirkt; ein Klang, der das Herz erreicht, ohne dabei süßliches Belcanto-Parfüm zu verströmen. Leicht und mühelos umspielen sich hier die Solostimmen: keine einzige intonatorische Unsicherheit, dafür ebenmäßiges Strömen, zurückhaltendes piano und Auskosten der einfachen Melodie. Als wäre es so auskomponiert, setzt Mark Padmore in den Da-capo-Passagen dezente Verzierungen - aber auch sie ordnen sich dem Fluss unter und sind kein bloßer Zierrat.
Mark Padmore hat mit dieser Zusammenstellung kein Blenderalbum geschaffen. Weder erlaubt ihm das Repertoire, mit Spitzentönen zu brillieren, noch hat er übermäßig viele virtuose Koloraturen zu singen. Ihm geht es vor allem um einen natürlichen, ungekünstelten Zugang. Das heißt: eine zumeist gerade Stimmführung, deren zurückhaltendes Vibrato sich nur in den affektgeladenen Momenten steigert. Dann kann Mark Padmore die ätherische Sphäre verlassen - wo es die Partitur verlangt, wirkt er durchaus energisch, packend, dramatisch. Roh allerdings, roh und donnernd wird er dabei nie. Die erforderliche Intensität erreicht er auch ohne übertriebenes Pathos: Durch glasklare Artikulation, die jedes Wort verständlich macht; durch dramaturgische Pausen und durch dynamisches Variieren... Besonders deutlich wird das in einer Szene aus der Oper "Tamerlano". Bajazet, der von seinem Bezwinger Tamerlano gefangen gehalten wird, will sich das Leben nehmen. Die Liebe zu seiner Tochter hält ihn zunächst davon ab, doch schließlich kann er die Schmach nicht mehr ertragen und trinkt das Gift. Die Klage, damit auch von seiner Tochter zu gehen, wechselt ab mit dem Hass, den er Tamerlano entgegenschleudert - auf ihn sieht er furchtbare Furien zustürzen, die ihn quälen werden. Doch je mehr das Gift Wirkung zeigt, umso schwächer wird Bajazet, bis er schließlich den letzten Atem aushaucht...
" Tr. 6 3:38 Aria "Figlia mia" und Accompagnato "Tu, spietato" "
Das ist kein plumper Operntod, in dem der Protagonist das Gift schluckt, sich noch ein letztes Mal heroisch aufbäumt und pathetisch dahinscheidet - das ist Krimi: Nahaufnahme des Opfers, Zoom, Schlussbild. Und das ist es auch, was Mark Padmores neues Album ausmacht: Alles wirkt natürlich und echt, reflektiert, aber nicht einstudiert. Und da hat er in den Musikern von "The English Concert" mit Andrew Manze ideale Partner. Ausdrücklich Partner, keine Begleiter, - denn da, wo der Vokalpart endet, trägt das Accompagnato weiter. Die Musiker haben Mark Padmore für die Aufnahmen in ihre Mitte genommen - sie haben sich sowohl von ihm führen lassen, als auch er sich von ihnen. Jede einzelne Arie haben Padmore und die Musiker vorher besprochen - jede einzelne Figur haben sie zuvor entwickelt. Das ist Teamwork, das man beinah physisch spürt: Zum Bsp., wenn sich eine scheinbar schwelende Hitze ausbreitet, die die Streicher mit ihrem behäbigen und monotonen Strich in der Arie "Total eclipse" verbreiten; oder, wenn der scharfe Sound des Orchesters die später besungenen zerstörerischen Kräfte vorwegnimmt, um die es in der Arie "Your charms to ruin led the way" geht...
" Tr. 9 3.19 Your charms to ruin led the way; aus "Samson" "
Musik voller Entschlossenheit, Selbstbewusstsein und innerem Kampf, aber auf der anderen Seite auch voller Ergebenheit, Zartheit und Demut. Mark Padmore erweckt all das zum Leben: Er, der einstige Chorknabe des Kings College in Cambridge und heute DER ideale Evangelist - hier beweist er ein weiteres Mal, dass durchaus auch die bühnendramatische Seite seine Sache ist. Aufrichtig und durch und durch erfühlt klingt das, was er zu sagen respektive zu singen hat. Eine Stimme voller Wärme und Schönheit, die Mark Padmore aber nie zum Selbstzweck klingen lässt, sondern immer in den Dienst des Ausdrucks stellt. Als letztes Stück der CD hat er das Duett platziert, dass der Platte auch den Titel gab: "As steals the morn" . Hier verwandte Händel zwei Gedichte von John Milton, die "Frohsinn" und "Melancholie" einander gegenüberstellen. Beschworen wird hier eine Balance, die im Leben zu finden wohl immer ein Thema bleiben wird...
"Wie der Morgen sich an die Nacht heranstiehlt
Und die Schatten dahin schmelzen lässt,
so löst Wahrheit die verführerische Einbildung auf,
und der erwachende Verstand verscheucht den Rauch, der den Sinn vernebelte,
indem er die Vernunft wieder ans Tageslicht bringt."
" Tr. 18 5:40 As steals the morn "
Mark Padmore im Duett mit der durchaus ebenbürtigen, jungen Sopranistin Lucy Crowe und Händels "As steals the morn" - zu finden auf einem neuen Album mit Tenor-Arien von Georg Friedrich Händel. "As steals the morn" gab auch den Titel der CD - eingespielt von "The English Concert" unter Andrew Manze. Bei der harmonia mundi ist das Album jetzt herausgekommen - eine Empfehlung von Falk Häfner.
Titel: "As steals the morn"
Georg Frideric Handel
Arias & Scenes for tenor
Interpreten: Mark Padmore, Tenor
The English Concert
Label: harmonia mundi
Bestell-Nr.: HMU 907 422
LC: 07045
"As steals the morn" - so heißt die neue Platte von Mark Padmore, die ich Ihnen heute vorstellen möchte. Am Mikrofon begrüßt Sie dazu Falk Häfner.
" Tr. 14 4:14 "Tune your harps" aus "Esther" "
So werden Kriege gewonnen!: "Tune your harps" - "Stimmt Eure Harfen" aus "Esther", Händels erstem Oratorium in englischer Sprache. Mit dieser Arie machen sich die Israeliten, die von den Persern gefangen gehalten werden, selber Mut, indem sie zu ihrem Gott beten. Die Streicher deuten mit ihrem pizzicato die Harfen an, während sich Mark Padmore mit der Oboe im noblen Duett befindet. So lyrisch Katharina Spreckelsen ihr Instrument führt, so sinnlich folgt ihr Mark Padmore: ein Timbre, das strahlt, ohne herauszustechen; eine Stimme, die rein, aber nicht unschuldig wirkt; ein Klang, der das Herz erreicht, ohne dabei süßliches Belcanto-Parfüm zu verströmen. Leicht und mühelos umspielen sich hier die Solostimmen: keine einzige intonatorische Unsicherheit, dafür ebenmäßiges Strömen, zurückhaltendes piano und Auskosten der einfachen Melodie. Als wäre es so auskomponiert, setzt Mark Padmore in den Da-capo-Passagen dezente Verzierungen - aber auch sie ordnen sich dem Fluss unter und sind kein bloßer Zierrat.
Mark Padmore hat mit dieser Zusammenstellung kein Blenderalbum geschaffen. Weder erlaubt ihm das Repertoire, mit Spitzentönen zu brillieren, noch hat er übermäßig viele virtuose Koloraturen zu singen. Ihm geht es vor allem um einen natürlichen, ungekünstelten Zugang. Das heißt: eine zumeist gerade Stimmführung, deren zurückhaltendes Vibrato sich nur in den affektgeladenen Momenten steigert. Dann kann Mark Padmore die ätherische Sphäre verlassen - wo es die Partitur verlangt, wirkt er durchaus energisch, packend, dramatisch. Roh allerdings, roh und donnernd wird er dabei nie. Die erforderliche Intensität erreicht er auch ohne übertriebenes Pathos: Durch glasklare Artikulation, die jedes Wort verständlich macht; durch dramaturgische Pausen und durch dynamisches Variieren... Besonders deutlich wird das in einer Szene aus der Oper "Tamerlano". Bajazet, der von seinem Bezwinger Tamerlano gefangen gehalten wird, will sich das Leben nehmen. Die Liebe zu seiner Tochter hält ihn zunächst davon ab, doch schließlich kann er die Schmach nicht mehr ertragen und trinkt das Gift. Die Klage, damit auch von seiner Tochter zu gehen, wechselt ab mit dem Hass, den er Tamerlano entgegenschleudert - auf ihn sieht er furchtbare Furien zustürzen, die ihn quälen werden. Doch je mehr das Gift Wirkung zeigt, umso schwächer wird Bajazet, bis er schließlich den letzten Atem aushaucht...
" Tr. 6 3:38 Aria "Figlia mia" und Accompagnato "Tu, spietato" "
Das ist kein plumper Operntod, in dem der Protagonist das Gift schluckt, sich noch ein letztes Mal heroisch aufbäumt und pathetisch dahinscheidet - das ist Krimi: Nahaufnahme des Opfers, Zoom, Schlussbild. Und das ist es auch, was Mark Padmores neues Album ausmacht: Alles wirkt natürlich und echt, reflektiert, aber nicht einstudiert. Und da hat er in den Musikern von "The English Concert" mit Andrew Manze ideale Partner. Ausdrücklich Partner, keine Begleiter, - denn da, wo der Vokalpart endet, trägt das Accompagnato weiter. Die Musiker haben Mark Padmore für die Aufnahmen in ihre Mitte genommen - sie haben sich sowohl von ihm führen lassen, als auch er sich von ihnen. Jede einzelne Arie haben Padmore und die Musiker vorher besprochen - jede einzelne Figur haben sie zuvor entwickelt. Das ist Teamwork, das man beinah physisch spürt: Zum Bsp., wenn sich eine scheinbar schwelende Hitze ausbreitet, die die Streicher mit ihrem behäbigen und monotonen Strich in der Arie "Total eclipse" verbreiten; oder, wenn der scharfe Sound des Orchesters die später besungenen zerstörerischen Kräfte vorwegnimmt, um die es in der Arie "Your charms to ruin led the way" geht...
" Tr. 9 3.19 Your charms to ruin led the way; aus "Samson" "
Musik voller Entschlossenheit, Selbstbewusstsein und innerem Kampf, aber auf der anderen Seite auch voller Ergebenheit, Zartheit und Demut. Mark Padmore erweckt all das zum Leben: Er, der einstige Chorknabe des Kings College in Cambridge und heute DER ideale Evangelist - hier beweist er ein weiteres Mal, dass durchaus auch die bühnendramatische Seite seine Sache ist. Aufrichtig und durch und durch erfühlt klingt das, was er zu sagen respektive zu singen hat. Eine Stimme voller Wärme und Schönheit, die Mark Padmore aber nie zum Selbstzweck klingen lässt, sondern immer in den Dienst des Ausdrucks stellt. Als letztes Stück der CD hat er das Duett platziert, dass der Platte auch den Titel gab: "As steals the morn" . Hier verwandte Händel zwei Gedichte von John Milton, die "Frohsinn" und "Melancholie" einander gegenüberstellen. Beschworen wird hier eine Balance, die im Leben zu finden wohl immer ein Thema bleiben wird...
"Wie der Morgen sich an die Nacht heranstiehlt
Und die Schatten dahin schmelzen lässt,
so löst Wahrheit die verführerische Einbildung auf,
und der erwachende Verstand verscheucht den Rauch, der den Sinn vernebelte,
indem er die Vernunft wieder ans Tageslicht bringt."
" Tr. 18 5:40 As steals the morn "
Mark Padmore im Duett mit der durchaus ebenbürtigen, jungen Sopranistin Lucy Crowe und Händels "As steals the morn" - zu finden auf einem neuen Album mit Tenor-Arien von Georg Friedrich Händel. "As steals the morn" gab auch den Titel der CD - eingespielt von "The English Concert" unter Andrew Manze. Bei der harmonia mundi ist das Album jetzt herausgekommen - eine Empfehlung von Falk Häfner.
Titel: "As steals the morn"
Georg Frideric Handel
Arias & Scenes for tenor
Interpreten: Mark Padmore, Tenor
The English Concert
Label: harmonia mundi
Bestell-Nr.: HMU 907 422
LC: 07045