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Hängepartie bei Oracle

Der Markt für Unternehmenssoftware ist in Bewegung. Der Platzhirsch, die deutsche SAP, ist weltweit Marktführer. Konkurrenz kommt aus den USA, von den Firmen Microsoft und Oracle, die sich beide lange Zeit in anderen Bereichen tummelten, PC-Software und Datenbanken. Doch die Zeiten der Spezialgebiete sind für die Großen vorbei. Wer überleben will, muss alles können. Und so versucht Oracle seit einem guten Dreivierteljahr, den Konkurrenten Peoplesoft zu schlucken. Doch sind die Kartellbehörden dagegen. Wohin also führt der Weg für Oracle, um gegen die Riesen Microsoft und SAP zu punkten? Antworten darauf und auf andere Fragen gab es in dieser Woche in San Diego auf der Oracle Applications World, der jährlichen Kundenmesse.

Von Detlev Karg | 31.01.2004
    Detlev Karg

    Oracle, quo vadis, das hatten sich viele der 10.000 Teilnehmer der Oracle Applications World im Vorfeld gefragt. Hierzulande ist das Unternehmen, das von Larry Ellison gegründet wurde und noch geführt wird, weiterhin als Spezialist in Sachen Datenbanken bekannt. Doch tut der Hersteller seit fünf Jahren alles, um auf einem entscheidenden, ganz anderen Feld mitzumischen: Applikationen für Unternehmen, vor allem darum ging es. Und da sind weltweit gleich zwei Anbieter im Weg: In den USA und Europa probiert Microsoft, bei Standardsoftware Fuß zu fassen. Bill Gates, von Ellison gerne als allererstes Haßobjekt dargestellt, kann sich in viele Märkte einkaufen. Der Marktführer SAP ist für Oracle ohnehin noch unerreichbar. Und weil sich Larry Ellison seit Juli 2003 in den kleineren Anbieter Peoplesoft verbissen hat und diesen partout übernehmen will, war die erste Frage: Wie lange soll das Übernahmedrama dauern? Das Verfahren schwebt, Auskunft gab Ellisons neuer Kronprinz, Chuck Phillips:

    Wir haben alle Anforderungen erfüllt und warten auf die Entscheidung. Vorher sind alle Spekulationen und Nachrichten nutzlos. Unser Anwendungsgeschäft war niemals einzig darauf ausgerichtet, Peoplesoft zu kaufen. Also, ob wir die Kunden nun gewinnen oder nicht, wir werden Marktanteile gewinnen. Denn: Die Kunden sehen wie fragmentiert ihre Software ist. Es gibt viele Gründe warum Kunden derzeit die Software wechseln, und darum haben wir das Gebot abgegeben, denn wir haben gesehen, dass sie auch zu SAP wechseln.

    Im Klartext war zuvor zu hören: Wenn das US-Justizministerium die Übernahme ablehnt, wird Oracle dagegen Klage einreichen. Denn damit würde die Justiz Microsoft und SAP begünstigen. Die Fortsetzung des Pokers, vermutlich während der Cebit, wenn die US-Behörden entscheiden, ist also gewiss. Doch mit Träumen und Plänen allein lässt sich im Softwaregeschäft kein Geld verdienen. Eine Produktoffensive war deshalb nötig und Oracle lieferte sie: Den "Data Hub", ungefähr übersetzt: Ein Verkehrsknoten für Daten aller Art. Da man mit der Philosophie vom einheitlichen Datenmodell, von der eigenen Datenbank bis zu den Anwendungen, offenbar nicht genug Erfolg auf dem Markt hat, zeigt sich die Company aus Redwood Shores nun flexibel. Chuck Phillips:

    Der Data Hub ist ganz grundsätzlich unser Datenmodell, mit einer ganzen Reihe von Diensten drumherum. Es erlaubt Ihnen, alle Ihre verschiedenen Anwendungen und auch die selbstgeschriebenen Programme zu behalten und sie trotzdem als eine einheitliche Quelle zu verwalten und zu speichern. Es erlaubt diesen Anwendungen, mit dem Datenmodell fast in Echtzeit zu kommunizieren.

    Denn angesichts der Tatsache, dass nur wenige Fimen bereit oder in der Lage sind, ihre komplexe Infrastruktur mit einem einzigen Softwarehersteller aufzubauen, setzt Oracle künftig - man höre und staune - stärker auf die Integration mit Konkurrenzprodukten und deren verschiedenen Datenformaten. Deren gewachsenes Nebeneinander erfordert das Zusammenführen, um die tägliche Arbeit zu erleichern. Bislang lehnte Oracle das kategorisch ab. Der "Data Hub" ist also eine Softwareschicht, die zwischen Anwendungen und der Datenbank sitzt. Damit vollzieht Oracle nach, was die Konkurrenten SAP und Siebel bei den Anwendungen, IBM und Microsoft bei den Datenbanken bereits praktizieren.

    Viele Kunden hätten Oracle uns für deren frühere Haltung kritisiert", gab Phillips zu. Als erstes Produkt wird der so genannte Customer Data Hub verfügbar sein. Ziel ist eine einheitliche Sicht auf Daten wie Bestellungen und Verträge in Unternehmen. Oracle habe endlich gemerkt, das man nicht allein auf der Welt sei, sagten Analysten am Rande der Konferenz. Um Datendopplungen zu vermeiden, enthält der Data Hub auch Werkzeuge zur Bereinigung der Datensätze. Zudem, so war in San Diego zu erfahren, will man sich noch stärker als Anbieter von Software-Outsourcing betätigen. Allein in Europa ist das Geschäft um 80 Prozent gewachsen. Ein Rezept, um den Mittelstand zu erobern, hatte Oracle in San Diego allerdings nicht parat. Eigentlich müsste darum nur noch die ersehnte Übernahme von Peoplesoft klappen, und Larry Ellison könnte sich endlich zur Ruhe setzen und ganz dem Segeln frönen.


    Bild: Oracle
    Ist Oracle auf dem richtigen Dampfer?