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Häufig voller Hindernisse:

Wohnberatung in Berlin-Pankow. Die 70jährige Mutter von Yvonne Kaschade hatte einen Schlaganfall. Danach erwies sich ihre Wohnung als das größte Hindernis für die Genesung.

Barbara Leitner | 07.01.2003
    Wohnberatung in Berlin-Pankow. Die 70jährige Mutter von Yvonne Kaschade hatte einen Schlaganfall. Danach erwies sich ihre Wohnung als das größte Hindernis für die Genesung.

    Z.B. sie konnte nicht mehr auf Toilette gehen, weil der Eingang ist zu schmal. Weil sie braucht ja Gehhilfe, den Gehbock und da kam sie nicht mehr durch und dann – wie gesagt - Treppensteigen. Ich möchte ja auch gerne, dass sie mal wieder rauskommt und wieder beweglich ist auf der Straße und mit dem Rolli, und da konnte sie sich nicht mehr bewegen.

    Durch einen Zufall erfuhr die Tochter von der "Koordinierungsstelle für ambulante Rehabilitation älterer Menschen" in Berlin-Pankow. Dort wurde sie informiert, wie die Wohnung an die Einschränkungen ihrer Mutter altersgerecht angepasst werden kann und welche Kosten dafür die Pflegeversicherung übernimmt.

    Oft sind das Kleinigkeiten, die in der Wohnung verändert werden müssen, um dem alten Menschen die gewünschte Selbständigkeit zurückzugeben: Manchmal sind Schwellen und Stufen zu beseitigen oder zu überbrücken. Oder im Bad sind Haltegriffe nötig, um ohne Hilfe wieder die Wanne oder das WC nutzen zu können. Doch gerade von diesen Kleinigkeiten hängen Wohlbefinden und Gesundheit alter Menschen oft ab.

    In den höheren Lebensjahren – so heißt es im zweiten Altenbericht der Bundesregierung aus dem Jahre 1998 – gewinnt die Wohnung für die Lebensqualität sowie für das Gefühl der persönlichen Identität größeres Gewicht als je zuvor. Ihr Anregungsgehalt bestimme deutlicher als in früheren Lebensabschnitten die physische und soziale Aktivität.

    Das liegt vor allem daran, dass ältere Menschen mindestens vier Fünftel des Tages in ihrer eigenen Wohnung, ihrem eigenen Haus verbringen. Damit - so die Experten der deutschen Altenforschung – können die Wohnung mit ihrer Ausstattung sowie die Gestaltung des Wohnumfeldes dem Menschen helfen, unveränderbare Einbußen und Verluste zu bewältigen und trotz dieser eine tragfähige Lebensperspektive zu erhalten und wiederzugewinnen.

    Diese altengerechten Voraussetzungen haben aber viele alte Menschen nicht. Der vierte Altenbericht aus dem Jahr 2002 nennt Mängel in den Wohnungen und Häusern gerade bei alten Menschen: Veraltete Heizungen, unsichere Zugänge und Treppen, Stolpergefahr, nicht erreichbare Fensterhebel, fehlende oder falsch angebrachte Handläufe, unzureichende Bewegungsflächen in Bad und WC, unsichere Elektrogeräte, mit Gehhilfen oder Rollstuhl nicht erreichbare Balkone. Die Ausstattung im häuslichen Umfeld ist meist um so schlechter, je älter die Menschen sind. In den neuen Bundesländern haben 26 Prozent der Haushalte älterer Menschen kein Bad oder Innen-WC. Zudem leben über 80jährige oft allein und haben nur unzureichende soziale Netze.

    Zwar denken mit dem Ende der Berufstätigkeit viele ältere Menschen noch einmal über ihre Wohnbedingungen nach. Ein Drittel der 55jährigen wäre sogar zu einem Umzug bereit. Sie erwarten allerdings Umzugshilfen sowie attraktive, bezahlbare Wohnangebote. Da diese fehlen, bleiben sie meist in ihren alten vier Wänden – oft bis eine Erkrankung eine Grenze setzt, beobachtet Astrid Schultze. Die Sozialarbeiterin berät in Berlin-Pankow ältere Menschen über mögliche Veränderungen in ihrem Wohnumfeld und neue Wohnformen im Alter. Sie weiß: Die meisten informieren sich zu spät:

    Die typische Situation ist, dass jemand nach dem Schlaganfall im Krankenhaus ist und sowohl vom Personal vor Ort als auch von den Angehörigen orientiert wird, ins Heim zu gehen. Und auf diesen Weg kommen dann möglicherweise zwei Anfragen. Die eine ist, wie finde ich ein geeignetes Heim und da fragen wir, warum wollen sie ins Heim. Und die zweite ist, alle sagen ins Heim, meine Mutter, meine Frau soll ins Heim. Aber es muss doch noch was anderes geben.

    Die große Mehrheit der Frauen und Männer möchte so lange wie möglich selbstbestimmt und selbständig in der eigenen Wohnung, im eigenen Haus leben – auch dann, wenn alters- oder krankheitsbedingte Einschränkungen auftreten. Dieser Wunsch mündet allerdings kaum in entsprechende Zukunftsplanung. Lothar Schneider, Professor für Hauswirtschaftslehre an der Universität Paderborn, schreibt:

    Gerade in der aktiven Lebensphase zwischen 45 und 60 wäre Gelegenheit zu konsequenter Zukunftsvorsorge für das Alter, insbesondere in bezug auf Standort, Viertel, Haus/Wohnung, Wohnungsausstattung. Doch die Mehrheit handelt so, als bliebe sie lebenslang gesund, gäbe es keine möglichen körperlichen Behinderungen, würden die Partner lebenslang zusammenbleiben.

    Doch das trifft nicht nur für die Jungsenioren zu. Auch Architekten und Städteplaner entwerfen hierzulande noch immer Häuser und Wohngebiete, als hätten sie noch nie etwas von der wachsenden Überalterung der Gesellschaft gehört. Selbst Ärzte und Pfleger vergessen die von ihnen betreuten Alten zu fragen: Gibt Ihnen Ihr Zuhause die notwendige Stabilität und Sicherheit?

    Es liegt wirklich viel daran, dass die meisten Professionellen nicht über ihren Tellerrand gucken. Jeder macht seinen eigenen Bereich. Der Pflegedienst pflegt. Die Pflege auch am Bett, wenn es im Bad nicht geht, weil das ist auch ihr Auftrag. Die Sozialdienste in den Krankenhäusern die kümmern sich um die Anträge bei der Pflegeversicherung, beantragen auch Schwerbeschädigtenausweise, wissen auch, dass da ein Riesenwust ist an sozialen Problemen zu Hause und kommen nicht auf die Idee zu sagen, da gibt es eine Stelle, wenn sie jetzt hier entlassen werden, die sich weiter um sie kümmert.

    Seit die Pflegeversicherung 1995 eingeführt wurde, zahlen die Kassen bis zu 2 557 Euro für die Wohnungsanpassung bei Pflegebedürftigen zu. So können wenigstens die notgedrungenen Veränderungen vorgenommen werden, damit alte Menschen länger allein zu recht kommen. Doch dies passiert immer erst im Nachhinein, niemals prophylaktisch, als vorbeugende Maßnahme. Außerdem können Pflegedürftige nur in Berlin, Nordrhein-Westfalen und in Bremen auf ein flächendeckendes Netz kompetenter Wohnberatung rechnen. In den anderen 13 Bundesländern ist es jedesmal Zufall, ob bemerkt wird, dass der alte Mensch nicht so sehr technische Hilfe, sondern vor allem Kontakt braucht. Das dürfe nicht sein, meint die Soziologin Renate Narten aus Hannover, die sich auf das Wohnen im Alter spezialisiert hat:

    Was wir brauchen, sind flächendeckende Beratungsstellen, Beratungsangebote für ältere Menschen zu diesem Thema. Und die brauchen wir ganz, ganz dringend. Und die haben wir nicht, weil überall das Geld fehlt. Das Problem ist: Wer wird Träger, wer gibt das Geld? Eigentlich ist es eine kommunale Aufgabe. Die Kommunen sagen: Wir müssen sparen, es ist eine freiwillige Aufgabe.

    An der Zeit wäre es allerdings, dass die Pflegekassen die vorbeugende Wohnraumanpassung in die Hand nähmen. Dadurch könnten erhebliche Kosten in der Pflege vermieden werden, meint Renate Narten:

    Es ist nachgewiesen in NRW, dass sowohl die Kommunen als auch die Pflegekassen enorme Kosten dadurch einsparen, wenn Wohnungsanpassung läuft, weil einfach die Leute selbständiger werden und dadurch Pflege gespart wird und auch Heimeinweisung vermieden wird.

    Pflegegelder bzw. Heimkosten von über 150 000 Euro pro Beratungsstelle und Jahr könnten eingespart werden, wenn man für alte Menschen rechtzeitig und feinfühlig die notwendigen technischen Veränderungen organisiert. Auch müssten sie unterstützt werden, weiter aktiv in einer Gemeinschaft zu leben. Dies jedenfalls ergab eine Untersuchung der Universität Bielefeld. Doch Kommunen und Krankenkassen kümmern sich nur wenig darum. Vielmehr sind es häufig Wohnungsbauunternehmen, die ihre alten Bewohner "entdecken".

    Zum Beispiel die Wohnungsgenossenschaft "Freie Scholle" in Bielefeld. Sie stellte bereits vor 15 Jahren fest, dass in manchen Siedlungen die Mehrheit ihrer Mitglieder über 60 Jahre alt war. Nach und nach baut sie ihren Wohnungsbestand altengerecht um. Vor allem aber schuf sie sich eine eigene Altenbetreuung - mit Kurzzeitpflege, Pflegewohngruppen und einem engen Netz an Nachbarschaftshilfe. Heute muss niemand mehr bei der "Freien Scholle" ausziehen, nur weil er alt und gebrechlich ist. Auch angesichts des sich ausbreitenden Wohnungsleerstandes folgen immer mehr Unternehmen diesem Beispiel.

    Die Wohnungswirtschaft ist sehr aufgewacht – kann ich sagen - und versucht jetzt, ihren Bestand ein bisschen systematisch unter die Lupe zu nehmen. Die meisten Unternehmen sind mittlerweile so weit, dass sie das tun. Das Problem ist nun, dass man dann versucht, es möglichst kostengünstig zu machen, d.h. immer dann, wenn Modernisierung oder Sanierungen anstehen, weil dann kann man relativ kostenneutral diese altengerechten Elemente miteinbauen. Also, das ist auch ein langfristiges Geschäft, auf diese Weise den Bestand langsam nachzubessern.

    Gleichzeitig entstanden in den zurückliegenden Jahren neben den meist wenig begehrten Altenheimen neue Möglichkeiten des Wohnens nach dem Berufsleben – etwa mit "Seniorenresidenzen" oder mit dem sogenannten "Betreuten oder Servicewohnen". Zahlreiche Immobilienbesitzer und -makler glaubten, mit den Senioren einen neuen Markt entdeckt zu haben:

    Seniorenwohnen und -pflege auf höchstem Niveau". "Individuell, komfortabel, persönlich". "Gehobenes Ambiente am Waldesrand oder mit Seeblick.

    So werben sie um wohlhabende Senioren und erhoffen sich Renditen von acht bis zehn Prozent.

    Da haben viele versucht, durch unklar formulierte Leistungsangebote für viel Geld Wohnungen zu vermarkten. Und es hat sich aber häufig auch herausgestellt, dass sie damit auch Schiffbruch erlitten haben, weil dann plötzlich diese hochpreisigen Anlagen leerstanden. Das war insofern ganz gut, weil die nächste Generation der Investoren ist sehr viel vorsichtiger geworden und hat sich dann schon gefragt: Lohnt es sich wirklich? Nach wie vor gibt es viele, die immer noch versuchen, einen hohen Mietpreis damit zu rechtfertigen, dass undefinierte soziale Leistungen damit verkauft werden.

    Bis 34 Euro je Quadratmeter verlangen die Anbieter an Miete, beim Kauf zwischen 1050 und 4000 Euro – wohl wissend, dass für die meisten der heutigen Alten finanziell gesorgt ist. Also versuchen manche auch, mit Service und Betreuung ihr Geschäft zu machen.

    Da gibt es Riesenunterschiede: Während zum Beispiel bei der Volkssolidarität in Dresden oder beim Roten Kreuz in Bautzen eine Notrufbetreuung rund um die Uhr, eine Betreuerin in allen Lebensangelegenheiten und ein Veranstaltungsprogramm, alles für 4 Euro 50 zu haben ist, zahlt man an anderen Orten für ähnliche Leistungen gleich mal 900 Euro.

    Aber mittlerweile gibt es auf Verbraucherschutzseite so viele Initiativen, so viele Checklisten, wonach sich Verbraucher informieren und Angebote beurteilen könne, dass diese Leute, die einfach sagen, ich biete ihnen einfach was, sich nicht mehr so einfach am Markt behaupten können. Ich denke, der Trend geht stark zu Transparenz, zu klar definierten Leistungen und dass man genau weiß, was kriege ich für welchen Preis.

    Ausschuss Bauen und Wohnen der Stadtbezirksversammlung Berlin-Pankow. Auf der Tagesordnung steht das Wohnen im Alter. Wie junge Leute auch, wünschen sich die Senioren Bänke und Bäume in ihrem Kiez, soziale Treffs und die Kaufhalle an der Ecke, den Bus oder die Bahn nicht weit entfernt, das Kino und die Bibliothek in der Nähe. Doch ihre Wünsche münden bei den gewählten Vertretern nicht in konkrete Ansätze. Statt dessen diskutieren die Kommunalpolitiker das Thema in einer Breite, als könnten sie die Herausforderungen des demographischen Wandels in einer einzigen Ausschusssitzung bewältigen. Jedoch: Das Anliegen eines Wohnungsunternehmens, in Sachen Wohnraumanpassung und Altenarbeit beraten und unterstützt zu werden, verhallt ungehört. Dabei wäre das ein konkreter Anfang.

    Nicht nur in den Kommunen, auch auf den anderen politischen Ebenen, in den Ländern und beim Bund, ist nur wenig von Altenpolitik zu merken. Allenfalls ein hilfloses Rudern, ohne zu steuern. Da sind andere Staaten vorbildlicher.

    In Dänemark zum Beispiel werden seit einigen Jahren keine neuen Pflegeheime gebaut. Vielmehr wurden die Gemeinden gesetzlich verpflichtet, altengerechte Wohnungen zu fördern – in der Regel 60qm große Zwei-Raum-Wohnungen, rollstuhlgerecht, mit einer geräumigen Küche und einer Notrufanlage, eingestreut in Wohnsiedlungen und mit einem sozialen Dienst in der Nähe. Auch in anderen skandinavischen Ländern und in Österreich gibt es entsprechende Förderprogramme.

    In Deutschland läuft das anders. Hier werden seit gut zehn Jahren – mal vom Ministerium für Bauen, mal von dem für Senioren zuständigen Ministerium - Modellprojekte ins Leben gerufen. Deren gute Ergebnisse werden gelobt. Doch dann wird zugesehen, wie fast alle der mühsam aufgebauten Projekte wieder eingehen. So wurde das Modellprogramm "Selbstbestimmt Wohnen im Alter" von 12 Koordinierungsstellen bis zum Jahre 2001 gefördert, doch kaum eines wurde danach in kommunaler Trägerschaft weitergeführt. Konsequenzen für die Politik, Gesetzesänderungen beispielsweise, gibt es kaum. Ärgerlich, sagt Renate Narten. Die Herausforderungen des demographischen Wandels würden verschlafen:

    Ja, die Förderpolitik reagiert bisher darauf noch gar nicht. Das finde ich auch ganz schlimm. Es gibt bisher nur Förderung für Neubau von Altenwohnungen. Aber Förderung für Anpassungsmaßnahmen, die gibt es so gut wie gar nicht. Und da ist meiner Ansicht nach dringender Handlungsbedarf.

    Warum wird bei der gekürzten Eigenheimzulage nicht vorsorglich das Kriterium der Barrierefreiheit hinzugefügt? Ändern könnte man auch die Förderkriterien bei der Modernisierung von Wohnraum: Nicht nur Energiespareffekte, sondern auch Barrierefreiheit belohnen!

    Gefördert werden könnten auch neue Formen des gemeinschaftlichen Wohnens, für die es überall im Land Initiativen und Projekte gibt. In den Niederlanden organisieren solche Wohngemeinschaften mit 30 bis 60 Mietern ihr eigenes Gemeinschaftsleben. Sie können dabei auf staatliche Unterstützung rechnen. Hierzulande bleiben solche aussichtsreichen Bestrebungen fast ausschließlich dem ehrenamtlichen Engagement überlassen. Es fehle einfach das Geld, beklagt die bayerische SPD-Bundestagsabgeordnete Angelika Graf, Mitglied im Seniorenausschuss des Parlaments.

    Hätten wir mehr Geld, würde ich sagen, wir stecken mehr Geld in diesen Förderbereich hinein. Aber sie wissen, wie die Ausgabensituation des Bundes momentan ist. Die der Länder ist nicht viel besser und die der Kommunen auch nicht. Also, im Augenblick sind wir einfach in einer Phase, wo wir sparen müssen. Und da ist es am einfachsten zu sparen – so schlimm das klingt –, was es noch nicht gibt.

    Das könnte sich bitter rächen. Ein Beispiel hierfür: die Demenz. Bei den über 80-Jährigen ist heute jeder fünfte von dieser Alterskrankheit betroffen, bei den über 90-Jährigen jeder dritte. Mit der steigenden Lebenserwartung ist davon auszugehen, dass immer mehr Menschen demenziell erkranken, pflegebedürftig werden und nicht mehr vorwiegend von ihren Angehörigen betreut werden können.

    Seit ein paar Jahren gibt es bundesweit spezielle Pflegewohngruppen, u.a. auch für Demenz-Kranke. Sie leben gemeinsam in ganz normalen Wohnhäusern, mit Familien in der Nachbarschaft und dem Laden um die Ecke. Dort können sie kochen und putzen, einkaufen und sich einrichten - so viel Selbständigkeit wie möglich erleben. Gleichzeitig erhalten sie im Zusammenleben mit anderen Kranken so viel Betreuung wie sie angesichts ihrer Pflegebedürftigkeit nötig ist.

    Doch so rasch, wie die Zahl der von der Krankheit Betroffenen steigt, können neue Demenzwohngruppen gar nicht geschaffen werden. Gerade diese Notlangen zwingen zum Umdenken. So fordert Renate Narten , dass die Gesellschaft nicht länger die Frage aufwirft: Wo stört der alte Mensch? Vielmehr sollten sich alle fragen, wo sich die bisherigen Denk- und Verhaltensweisen als störend erweisen für ein Zusammenleben der Generationen. Renate Narten weiter:

    Es muss einfach selbstverständlich sein, dass ein Busfahrer nicht einfach anfährt, wenn ein alter Mensch einsteigt und sich nicht kümmert, dass der erst mal sitzt. Dass einfach alle selbstverständlich diese Alten mehr miteinbeziehen. Ich sag mal ein Beispiel. Ich wohne hier mit meiner 87jährigen Schwiegermutter zusammen. Sie ist demenziell erkrankt. Sie kann nicht mehr so gut viel alleine sein. Wenn wir ausgehen wollen, essen gehen wollen, da muss sie mit. Daran merke ich aber, wie wenig sich ältere Menschen im öffentlichen Raum noch bewegen. Wo finde ich ein Restaurant, wo jemand reingehen kann mit 87 und vernünftig bedient wird und auch im Kopf hat, dass er vieles nicht mehr so gut kann, dass er langsamer reden muss, dass er vieles nicht mehr so gut sieht, er mehr Licht braucht. All diese Dinge müssten selbstverständlich in unserem Servicesystem enthalten sein. Also, einfach als was Normales ansehen, nicht als jemand, der denn nicht mehr mitkann, nicht mehr mitmacht.

    Vermutlich werden vor allem die jungen Alten in eigener Sache tätig werden - die einstigen 68er, die sich nun dem Rentenalter nähern. Sie werden sich nicht wie die heutigen alten Alten damit abfinden, zur Seite geschoben zu werden. Vielmehr werden sie neue Bedingungen für ein gutes langes Leben einklagen und auch selber schaffen. Davon ist jedenfalls die Soziologin Renate Narten überzeugt:

    Insgesamt, glaube ich, müssen wir viel stärker in vernetzen Zusammenhängen denken, weil wir es nicht mehr schaffen werden, dass einer alles anbietet, sondern immer nur Teile an bestimmten Stellen angeboten werden und wir diese Leistungen wieder vernetzen müssen. Das hat auch etwas mit dem Rückzug des Staates zu tun. Das gleiche gilt übrigens auch für Infrastruktureinrichtungen, die auch vernetzter denken müssen. Gestern hatten wir einen Vertreter der Sparkasse z.b. da, der sagte, ja die Sparkassen schließen ihre Filialen in den Stadtteilen, die Post schließen ihre Filialen in den Stadtteilen. Die Apotheken machen zu. Alle drei tragen sich für sich allein nicht in den Stadtteilen. Wir müssen uns jetzt zusammentun. Also, Sparkasse geht auf die Post zu, wollen wir uns nicht zusammentun und vielleicht schaffen wir eine gemeinsame Filiale trotzdem noch im Stadtteil aufrecht zu erhalten. Ich denke, es läuft auf vielen Ebenen.