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Häuserkampf im Gängeviertel

Hamburg hat sich in den vergangenen zehn Jahren stark verändert: An die Stelle einer bürgernahen Viertelkultur sind Prestigebauten und anonyme Bürohäuser getreten - die häufig auch noch leerstehen. Für den Erhalt des letzten sogenannten Gängeviertels aus dem 17. Jahrhundert haben sich jetzt 200 Künstler stark gemacht. Sie wollen dort Ateliers einrichten und ein umfangreiches Kulturprogramm zeigen.

Von Verena Herb | 26.08.2009
    In Hamburg wird die "Kulturkrise" ausgerufen: Kein Geld für die Kunst, kein Platz für die Künstler. Das war heute Morgen zu hören, als die Künstlerinitiative "Komm in die Gänge" die Öffentlichkeit zu einem Treffen einlud.

    Seit dem vergangenen Wochenende haben über 200 Künstler zwölf Gebäude im sogenannten Gängeviertel besetzt - nutzen die Räume als Ateliers, stellen ihre Werke aus, veranstalten Lesungen und Konzerte. Sie protestieren friedlich: für den Erhalt des letzten Kleinods geschichtsträchtiger Häuser in Hamburgs Innenstadt. Christine Ebeling ist eine der Sprecherin der Initiative "Komm in die Gänge":

    "Wir haben hier Baukörper aus vielen Jahrhunderten, seit 1650 und daran anschließend aus allen Jahrhunderten eigentlich Baukörper, die in so einer Ansammlung wie hier einzigartig sind. Man kann hier wirklich innerhalb einer Runde, eines kleinen Spaziergangs die ganze Baugeschichte der Stadt ablesen. Es ist eigentlich eins der letzten Zeugnisse der Gängeviertel-Kultur, die die Stadt durchaus bestimmt haben."

    Man hat sich einigen können. Das heißt, zunächst gibt es einen ersten Kompromiss. Räume im Erdgeschoss einiger Gebäude können, so denn nicht vermietet oder anderweitig genutzt - zu Ateliers umfunktioniert werden. Ein Teilerfolg, so verkauft es die Kulturbehörde unter Leitung der parteilosen Senatorin Karin von Welck. Doch am eigentlichen Problem ändere das nichts, so Christine Ebeling. Weitere Verhandlungen müssen folgen, sagt die Künstlerin. Die Zukunft des Gebäudeensembles im Gängeviertel muss besiegelt werden. Alle Gebäude müssten möglichst schnell saniert werden, um die Bausubstanz langfristig zu erhalten.

    Alles hängt von dem niederländischen Investor Hanzevast ab. Der hat die Gebäude als Meistbietender von der Stadt gekauft, wollte die Gebäude abreißen, um Neubauten für Büros und Wohnungen zu errichten. Doch anscheinend ist ihm im Zuge der Finanzkrise das Geld ausgegangen. Nun müsse neu verhandelt werden - der Investor bis zu einem bestimmten Zeitpunkt ein Konzept vorlegen, heißt es seitens der Kulturbehörde.

    Der Erhalt des Gängeviertels ist das eine - die Tatsache, dass es nicht genügend Atelierflächen für Künstler gibt, ist eine andere. Eine weitere Forderung der Künstler deshalb:

    "Wir fordern, dass die Stadt mit ihren Immobilien offener umgeht, dass einfach Platz gemacht wird für Zwischennutzungen. Wenn die Zwischennutzung ganz offen wäre, wenn man sofort rein könnte, dann gäbe es diese Raumknappheit überhaupt nicht, weil sie gar nicht existiert. Ganze Stadtteile stehen leer: Hammerbrook, City-Nord, die ganzen alten Bürostandorte stehen leer. Bei den meisten Gebäuden, die leer sind, steht ja nicht mal dran, dass sie vermietet werden sollen, weil sie abgeschrieben werden über die nächsten 20 Jahre noch", "

    sagt Florian Tampe, ebenfalls Künstler. Doch das ist eine ganz andere Diskussion. Das Problem des Platzmangels ist sich die Stadt bereits seit Längerem bewusst: Schon seit Juni sei geplant, noch in diesem Herbst 30 Atelierräume zu Verfügung zu stellen. Und auch in der Speicherstadt gebe es zahlreiche Initiativen, die mit Hilfe von Mäzenen Platz für künstlerisch nutzbaren Raum schaffen wollen. Es tut sich also etwas in der Stadt, doch es reicht nicht. Denn die Atelierräume sind schon längst reserviert. Daniel Richter ist Schirmherr der Besetzungsaktion im Gängeviertel, mitten in der Hamburger Innenstadt. Er erklärte im Deutschlandradio Kultur, dass der sogenannte Humus die größten Probleme habe:

    " "Der Humus sind die jungen Künstler und Künstlerinnen, die praktisch noch gar keine Karriere haben. Es sind praktisch die Leute, die experimentieren, die das Experiment möglich machen, die sich die Räume offenhalten. Und nur wenn es diese Räume gibt, kann es eine Kunst geben. In dem Moment, wo die alle etabliert sind, gibt es diese Räume nicht mehr und dann gehen die Künstler auch alle weg."

    Nämlich nach Berlin. Sie würden nicht von Hamburg in die Hauptstadt ziehen, wenn Arbeitsfläche in Hamburg bezahlbar wäre.

    Die Verhandlungen zwischen den Künstlern im Gängeviertel und der Hansestadt Hamburg gehen weiter: Kommenden Freitag will man sich wieder zusammensetzen, um über die Zukunft der Gebäude zu sprechen.