Sie gehen miteinander durch den Park, König Ludwig von Bayern und die Kaiserin Elisabeth von Österreich, Sissi, die immer noch heimlich geliebte. Sie, das ist Ruth Leuwerik, und er, das ist Otto Wilhelm Fischer, der sich O.W.Fischer nennt. Und beide sind das deutsche Kino-Liebespaar schlechthin der fünfziger Jahre, sittsam in aller Leidenschaft und voller Pathos, Spitzenstars mit Spitzengagen. - Geboren am 1. April 1915 in Klosterneuburg bei Wien, ist er nie ein Aprilscherz gewesen, sondern wohlbehüteter Sohn eines Hofrats der niederösterreichischen Landesregierung. So studierte er brav erst einige Semester Germanistik, Anglistik und Kunstgeschichte, ehe er mit dem Schauspielunterricht am Max-Reinhardt-Seminar begann. Seine Karriere war genauso solide wie steil, am Theater in der Josephstadt, bei den Münchner Kammerspielen, am Wiener Burgtheater, bei den Salzburger Festspielen. Er spielte den Leutnant Fritz in Schnitzlers Liebelei, den Demetrius in Hebbels gleichnamigem Drama, den Saint Just in Büchners Dantons Tod und in Salzburg die Titelrolle in Hofmannsthals Der Schwierige. Das war 1967, und schon damals hatte sein Rückzug aus dem Kino begonnen. Der junge deutsche Film wollte ihn so wenig, wie er den jungen deutschen Film wollte - so untrennbar blieb er mit dem deutschen Selbstverständnis der fünfziger und sechziger Jahre verbunden, einer Epoche, für die O.W.Fischer genauso steht wie Konrad Adenauer.
Für einen Neuanfang war er sowenig geeignet und freilich auch willens wie Curd Jürgens oder Maria Schell, die beide allerdings internationale Karrieren begonnen hatten, wie sie ihm nicht gelungen war. Schon Mitte der fünfziger Jahre hatte er einen Vertrag mit der Universal geschlossen, aber ein Film war in Hollywood nicht zustande gekommen, weil Fischer während der Dreharbeiten erkrankte - an einer schweren Amnesie, konnte man lesen -, aber auch wegen Differenzen mit dem Regisseur Henry Koster. Seinem Erfolg in Deutschland konnte das nicht schaden; er kehrte geradezu triumphal zurück als Bluntschli in dem Film Helden (nach George Bernard Shaw), als Millionendieb Peter Voss, als Hanussen in dem von ihm selbst inszenierten gleichnamigen Film und in der Simmel-Verfilmung Es muss nicht immer Kaviar sein. Wie kaum ein anderer hatte er sich rechtzeitig ein Recht auf Mitsprache bei der Anlage seiner Filmrollen gesichert, was ihm erlaubte, seiner Vorliebe für zwiespältige und grüblerische Charaktere zu folgen. Wie kaum eine andere Rolle passte dazu die des zergrübelten und ewig einsamen Bayernkönigs Ludwig, des Ästheten und verhinderten Künstlers auf dem Herrscherthron, so, wie er in Helmut Käutners Ludwig II. mit der Kaiserin Sissi - einer anderen Ikone des deutschen Gefühlskinos - durch den Park wandelt.
Kennst du eigentlich den Wagner, Sissi, Richard Wagner, der ist doch bei euch in Wien. - Richard Wagner? Wer ist denn das? - Wer das ist? - Hmhm.- Ein Kompositeur. Nein, kein Kompositeur. Ein Genie. Ein Gott. Er schreibt Opern. Nein, keine Opern. Musikdramen. Mein Gott, du fragst mich, wer das ist. Seit Beethoven war keiner mehr so kühn. So erhaben. Und solche Leut möcht ich bei mir in München haben. Die sollen bei mir was zu reden haben. Ich möcht' – es klingt wieder so ganz dumm – ich möcht' ein Königreich der Musen aufrichten. Weisst du...