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Halb Mensch, halb Tier?

Ethik. - Es gibt eine klare Grenze zwischen Menschen und Tieren. Doch in der modernen biomedizinischen Forschung beginnt diese Grenze zu verschwimmen. Forscher erzeugen Mischwesen, Tiere, in deren Körper menschliches Material verbaut ist. In Großbritannien - traditionell viel unbefangener in diesen Dingen als Deutschland - fordern Wissenschaftler jetzt einen neuen Umgang mit den Mischwesen, damit in Zukunft nicht alles im Labor gemacht wird, was theoretisch auch gemacht werden kann.

Von Marieke Degen |
    Auf den ersten Blick sehen die Mäuse aus wie alle anderen, doch die Tiere sind etwas ganz Besonderes. Britische Forscher haben ein zusätzliches Chromosom in das Mäuse-Erbgut eingeschleust: Das Chromosom 21 vom Menschen. Und damit ein Mausmodell für das Down-Syndrom geschaffen.

    "Sie haben den Mäusen nicht nur ein menschliches Gen eingeschleust, sondern ein ganzes Chromosom, das sind hunderte Gene. Die Mäuse bekommen ebenfalls eine Art Down-Syndrom, sie haben unter anderem die gleichen Herzprobleme wie Menschen mit Down-Syndrom. Und mit Hilfe der Maus können die Forscher untersuchen, wie man diese Herzprobleme besser in den Griff bekommt. Das ist so ein Beispiel."

    Der Genetiker Martin Bobrow leitet eine Arbeitsgruppe an der britischen Academy of Medical Sciences. Die Forscher haben gerade einen Bericht vorgelegt, mit Vorschlägen, wie die Forschung mit solchen Mischwesen in Zukunft geregelt werden soll. In den Labors entstehen davon immer mehr: Manche Tiere bekommen menschliche Gene eingeschleust, andere menschliche Zellen oder Gewebe. Da gibt es Ziegen, die in ihrer Milch ein menschliches Protein gegen Thrombose herstellen können. Oder Mäuse, deren Leber fast vollständig aus menschlichen Zellen besteht. Die Versuchstiere sollen dabei helfen, Krankheiten zu verstehen und neue Therapien zu entwickeln. Bobrow:

    "Die allermeisten dieser Experimente sind sehr sinnvoll, sie sind in der Bevölkerung akzeptiert und durch unsere bestehenden Tierschutzbestimmungen ausreichend reglementiert. Doch es gibt einige Bereiche, in denen sich die Forschung rasant weiterentwickelt, und zwar in eine Richtung, die problematisch werden könnte."

    Auf welche Entwicklungen sollte man ein Auge haben, welche Experimente vielleicht sogar verbieten? Martin Bobrow und seine Kollegen haben Forscher, Politiker und Tierschützer befragt, und außerdem 1000 Normalbürger zu Diskussionsrunden eingeladen. Es gebe drei Szenarien, die die Menschen besonders fürchten, sagt Bobrow.

    "Erstens, dass Wissenschaftler die Gehirnzellen eines Tieres durch menschlichen Hirnzellen ersetzen. Viele haben Angst davor, dass daraus ein Wesen mit einer Art menschlichem Bewusstsein entstehen könnte. Zweitens graut vielen Menschen davor, dass menschliche Eizellen in einem Tier heranreifen und von einem anderen Tier befruchtet werden könnten. Drittens fürchten sie Experimente, die Tiere in irgendeiner Weise vermenschlichen. Ein Tier, das sprechen kann, oder dessen Pfote aussieht wie eine Menschenhand. Vor so etwas haben die Menschen einfach Angst."

    Solche Experimente sind heute noch Zukunftsmusik. Was tatsächlich passiert, wenn Forscher solche Experimente wagen, das kann heute noch keiner abschätzen. Martin Bobrow und seine Kollegen schlagen deshalb vor, dass ein Expertengremium solche Projekte überprüfen und mit darüber entscheiden soll, ob sie stattfinden dürfen oder nicht. Das Gremium sollte aus Forschern, Sozialwissenschaftlern, Juristen und ganz normalen Bürgern zusammengesetzt sein. Dann gebe es aber noch Experimente, die in Großbritannien erst einmal auf keinen Fall gemacht werden dürften.

    "Wenn ein Hirnforscher große Teile des Gehirns eines Affen gegen menschliche Hirnzellen austauschen will – das sollte er nicht tun. Weil wir einfach zu wenig über die Folgen wissen. Wir müssen vorher noch viel mehr Studien mit Mäusen machen und kleinere Mengen an Hirnzellen transplantieren, bevor wir so ein Projekt wagen."

    Martin Bobrow hofft, dass die britischen Politiker auf die Vorschläge eingehen und sie in die Tierschutzbestimmungen einbauen.

    "Außerdem würden wir uns wünschen, dass andere Länder nachziehen, dass wir irgendwann international einheitliche Bestimmungen haben. Aber das geht natürlich nicht von heute auf morgen."

    Der Deutsche Ethikrat arbeitet ebenfalls an einer Stellungnahme zum Umgang mit Mischwesen in der Forschung. Sie soll im Herbst veröffentlicht werden.