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Halbvoll oder halbleer?

Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn hat heute in Berlin eine neue Studie zu Bachelor- und Master-Studiengängen vorgestellt. Darin wird den Stand der Umstellung auf die neuen Abschlüsse in Deutschland mit dem in anderen europäischen Ländern verglichen. Deutschland sei gut aufgestellt, so interpretiert die Ministerin die Zahlen, die man allerdings auch anders lesen könnte.

Von Markus Rimmele |
    Die Studie stammt von der Universität Kassel. In Auftrag gegeben hat sie allerdings die Bundesforschungsministerin. Und das Ergebnis ist offenbar so, wie es sich Edelgard Bulmahn gewünscht hat:

    " Deutschland ist bei der Umstellung auf die Bachelor- und Masterstudiengänge im Vergleich zu anderen europäischen Ländern gut aufgestellt. Wir können feststellen, dass sich in Deutschland gerade in den letzten zwei Jahren eine große Dynamik entwickelt hat, dass die Hochschulen mit großem Tempo und Engagement die Umsetzung der Studiengänge vorantreiben. "

    In ihrer Vergleichsstudie haben die Kasseler Hochschulforscher in sechs Ländern untersucht, wie weit die Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen vorangekommen ist. Neben Deutschland sind das Frankreich, Großbritannien, die Niederlande, Norwegen, Österreich und Ungarn. Für Deutschland gilt: Die neuen Studiengänge machen im laufenden Sommersemester rund 27 Prozent des gesamten Studienangebots aus, das entspricht 2900 Bachelor- und Master-Studiengängen. Ist das nun viel oder wenig? Beim reinen Zahlenvergleich mit den anderen Ländern möchte man den Stolz der Ministerin nicht teilen. Norwegen etwa hat schon quasi alle Fächer auf die neuen Abschlüsse umgestellt, in den Niederlanden betrug die Quote schon vor zwei Jahren 52 Prozent, und auch Frankreich, wo die Einführung in vier regionalen Wellen erfolgt, liegt vor Deutschland mit seinen 27 Prozent. Der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz Peter Gaehtgens mit einem Erklärungsversuch:

    " Dass es in Deutschland hier und da mehr Schwierigkeiten gibt, liegt nicht zuletzt daran, dass diese Umstrukturierung für das deutsche Hochschulwesen und seine Tradition eine sehr viel fundamentalere ist als in manchen anderen europäischen Ländern. Die föderale Organisation des deutschen politischen Systems und daher auch der Bildungspolitik in Deutschland dazu beigetragen hat, dass der Prozess etwas langsamer auf den Weg gekommen ist. "

    Und in Wirklichkeit noch viel weniger vorangekommen ist, als die Zahlen suggerieren. Denn die umgestellten Studiengänge sind meist die kleinen. Die Massenfächer enden noch mit den alten Abschlüssen. Das heißt, nur wenige Prozent der Neuimmatrikulierten beginnen wirklich ein Bachelor-Studium.

    Doch auch im Ausland ist die Statistik geduldig. In den Niederlanden etwa, so die Macher der Studie, hätten viele alte Studiengänge einfach das Bachelor-Label aufgeklebt bekommen, Inhalt und Studienstruktur seien die alten geblieben. Internationale Vergleiche sind daher schwierig. Fest steht, dass bis 2010 für die Studienbeginner nur noch die neuen Curricula zur Verfügung stehen. Angesichts des jetzigen Zwischenstandes ein ehrgeiziges Vorhaben.

    So weit der Wettlauf mit der Zeit. Nele Hirsch vom Freien Zusammenschluss von StudentInnenschaften vermisst dabei den Blick auf die Studierenden. Dem Selbstlob der Ministerin antwortet sie mit Kritik und macht deutlich:

    " Dass es aus unserer Sicht kein Qualitätsmerkmal ist, möglichst schnell und rasch Bachelor- und Masterstudiengänge zu haben. Wir stellen fest, dass soziale und demokratische Aspekte immer mehr in den Hintergrund geraten und kritisieren das. Konkret für Studierende bedeutet es beispielsweise durch die Hürde zum Master, dass Studienmöglichkeiten ganz massiv eingeschränkt werden. "

    Und die demokratische Mitbestimmung der Studierenden immer weiter abnimmt.

    Edelgard Bulmahn will sich ihr positives Bild allerdings nicht trüben lassen und zitiert eine weitere Studie, bei der Bachelor-Studierende zu ihrer beruflichen Zukunft befragt wurden.

    "53 Prozent der Befragten versprechen sich als spätere Bachelorabsolventen davon auch gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt. "

    Was auch bedeutet, dass sich 47 Prozent keine guten Chancen ausrechnen.