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Haldane, Thouless und Kosterlitz
Drei Briten, drei brillante Köpfe, drei Nobelpreisträger

Die drei in den USA arbeitenden Briten David Thouless, Duncan Haldane und Michael Kosterlitz werden mit dem Physik-Nobelpreis 2016 ausgezeichnet. Physiker-Kollegen berichten über Zusammenarbeit und Begegnungen mit diesen brillanten Persönlichkeiten.

Von Volker Mrasek | 04.10.2016
    Während der Pressekonferenz in Stockholm werden die Porträts der drei Preisträger Thouless, Haldane und Kosterlitz eingeblendet
    Während der Pressekonferenz in Stockholm werden die Porträts der drei Preisträger Thouless, Haldane und Kosterlitz eingeblendet (AFP/JONATHAN NACKSTRAND)
    Theoretische Physiker - das wären vermutlich die letzten Gäste, die man sich auf einer Cocktailparty vorstellen kann. Verschroben, unzugänglich, und wenn sie sich doch 'mal äußern, versteht das sowieso kein Mensch!
    "Dem würde ich jetzt aber nicht zustimmen!"
    Der Widerspruch kommt - natürlich! - von einem Physiker! Tilman Esslinger ist Professor für Quantenoptik an der ETH Zürich und kennt Duncan Haldane ganz gut, den mit 65 Jahren jüngsten der drei britischen Nobelpreisgewinner:
    "Eine Cocktailparty? Freue ich mich sehr, wenn er dort ist. Also, man kann sich über viele Dinge mit ihm unterhalten. Und er hat Humor. Also, eigentlich die ideale Besetzung für eine Cocktailparty."
    Haldene - "Er arbeitet theoretisch auf einem höheren Niveau als die anderen"
    Auch auf wissenschaftlichem Parkett macht Haldane eine gute Figur. Tilman Esslinger traf ihn zuletzt im vergangenen Jahr auf einer Tagung in Princeton in den USA, wo der Brite als Professor lehrt. Haldane sei einfach ein brillanter Kopf:
    "Ein Kollege hat mich mal gefragt, ob ich wisse, was das 'Haldane Gap' sei. Also englisch ausgedrückt. Die Haldane-Lücke. Und dann hat er geantwortet: 'Also, das ist die Lücke zwischen ihm und seinen Zuhörern.' Weil er einfach theoretisch auf einem höheren Niveau arbeitet als die anderen."
    Das macht den britischen Schlaukopf offenbar aber auch zu einem schwierigen Forscherkollegen. So hat es Wilhelm Zwerger jedenfalls erlebt, Professor an der Technischen Universität München:
    "Ein guter Bekannter von mir war zwei Jahre Post-Doc bei dem Haldane. Und da gibt es keine einzige gemeinsame Publikation. Die Sachen, die der Haldane macht, die macht er dann alleine."
    Früherer Nobelpreisträger hielt Kosterlitz' Arbeit für großen Unsinn
    Und die beiden anderen frischgebackenen Physik-Preisträger? Auch sie lernte Wilhelm Zwerger persönlich kennen.
    John Michael Kosterlitz hat deutsche Wurzeln. Sein Vater war der Biologe Hans Walter Kosterlitz. Er floh 1934 vor den Nazis nach Schottland. Was die wissenschaftlichen Meriten anbelangt, ist der Sohn spätestens seit heute berühmter als sein Vater. Den Grundstein dafür legte er Ende der 60er-Jahre:
    "Die berühmte Arbeit, das ist tatsächlich die Doktorarbeit von Kosterlitz. Das war eine sensationelle Geschichte. Der hat im Rahmen seiner Doktorarbeit im Grunde etwas gemacht, wofür er jetzt den Nobelpreis bekommen hat."
    Auch Kosterlitz spielte damals vermutlich schon in einer anderen Liga als seine Fachkollegen. Denn denen erschloss sich die Sensation anfangs überhaupt nicht, berichtet Zwerger:
    "Das weiß ich von Kosterlitz persönlich. Der Kosterlitz kam dann mit seiner Doktorarbeit in die USA, hat in Cornell das vorgestellt. Da waren sozusagen die großen Stars der Phasenübergänge, Fisher und Wilson, und die haben ihn vernichtet. Die haben gesagt: Na, das ist alles Quatsch!"
    Eine völlige Fehleinschätzung! Und das von einem Physik-Nobelpreistäger. Denn besagtem Kenneth Wilson ist die Ehrung selbst zuteil geworden, im Jahr 1982.
    Thouless - "Ein sehr stiller, zurückhaltender Mensch"
    Bleibt noch David Thouless, der Senior im britischen Physik-Nobel-Trio, heute 81 Jahre alt. Wilhelm Zwerger:
    "Thouless war der Doktorvater von Kosterlitz. Ein sehr stiller, zurückhaltender Mensch, der nicht viel sagt und kein großes Aufhebens um sich macht. Aber der über Jahrzehnte hinweg, muss man sagen, wirklich exzellente Dinge gemacht hat. Thouless hat zum Beispiel vorhergesagt, dass das Ohm'sche Gesetz, eine uralte Geschichte, in einem quantenmechanischen System nicht mehr gültig ist, wenn der Widerstand größer als etwa zehn Kiloohm ist. Eine ganz verblüffende Geschichte, die dann später auch verifiziert worden ist."
    Drei Briten. Drei brillante Köpfe. Drei Nobelpreisträger.