
In den USA ist Halloween in etwa so beliebt wie der Karneval im Rheinland. Doch auch in Deutschland boomt der alte Brauch von Jahr zu Jahr stärker: Kinder verkleiden sich als Zombies und Vampire, ziehen von Tür zu Tür und fordern „Süßes oder Saures“, Erwachsene laden Freunde zu Gruselpartys ein. Selbst Tiere machen mit: In Berlin und Brandenburg veranstalten Hundeschulen Halloween-Events – mit Mutprobe im Grusel-Parcours, Zombie-Trail und verfluchten Kürbisrätseln für Hund und Herrchen.
Ein Brauch mit unklarem Ursprung
Über die Ursprünge von Halloween gibt es unterschiedliche Theorien. Oft heißt es, der Brauch gehe auf 2000 Jahre alte keltische Wurzeln und heidnische Totenkulte zurück. Aber wissenschaftlich belegt ist das nicht. Als ein möglicher Ursprung gilt ein Sommer-Endfest, das bei den keltischen Druiden „Samhain “ genannt wurde, erklärt der Kulturwissenschaftler Gunther Hirschfelder. Es habe sich dabei um ein Fest der Toten gehandelt, das am 31. Oktober begangen wurde. Der Legende zufolge rief der Gott des Totenreiches die Geister der Verstorbenen zu einem Treffen in ihre ehemalige irdische Heimat, erklärt der Regensburger Uni-Professor. Laut dem Volksglauben beschützten sich die Menschen vor den Streichen der gespenstischen Gäste durch besänftigende Gaben.
Nach einer anderen Theorie geht das Gruselfest auf einen Kult zu Ehren eines Sonnengottes zurück, dem die Menschen für reichen Erntesegen dankten, so Hirschfelde. Eine weitere Legende besage, dass die Seelen der Toten sich am 31. Oktober Körper von Lebenden suchten, um sie für ein Jahr in Besitz zu nehmen. Dagegen könne man sich nur schützen, wenn man das Licht lösche und sich selbst gruselig als Geist verkleide, glaubten die Menschen. Doch das seien alles ungesicherte Legenden, die nicht zu beweisen seien, sagt Hirschfelder.
Erste gesicherte Belege für das Brauchtum finden sich im späten Mittelalter, vor allem in Irland und Schottland. Damals luden die Menschen am Vorabend von Allerheiligen zu Festessen ein. Zugleich zogen Kinder von Haus zu Haus, um Spenden zu erbitten. Solche „Heischegänge“ und Almosengaben an die Armen sind seitdem für den 31. Oktober belegt.
Auch die Ursprünge des Namens Halloween sind nicht geklärt. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass das Wort von „All Hallows‘ Evening“ kommt. So wird im Englischen der Vorabend von Allerheiligen bezeichnet, dem christlichen Fest, das in der katholischen Kirche am 1. November gefeiert wird.
Irische Migranten machten das Fest in den USA populär
Zu einem populären Brauch wurde Halloween in den USA. Die Iren, von denen viele Mitte des 19. Jahrhunderts ihre Heimat wegen Missernten und Hungersnöten verließen, brachten ihre Tradition in die neue Heimat mit. Dort entstand auch der Brauch, Kürbisse auszuhöhlen, ihnen eine gruselige Fratze zu verpassen, sie mit einer Kerze zu beleuchten und aufzustellen – oder in Geisterzügen durch die Straßen zu gehen.
Der berühmte geschnitzte Kürbiskopf heißt in den USA Jack O’Lantern („Jack mit der Laterne“). Der Brauch geht auf eine irische Legende des Trinkers und Hufschmieds Jack Oldfield zurück, der einen Pakt mit dem Teufel schließt. Nach seinem Tod darf Jack weder in die Hölle noch in den Himmel. Doch der Teufel hat Mitleid mit dem Untoten und schenkt ihm eine glühende Kohle aus dem Höllenfeuer. Jack höhlt eine Rübe aus und steckt die Kohle hinein. Seitdem wandelt er mit seiner Laterne in der Dunkelheit umher.
Eine Legende als Warnung
Die Geschichte von Jack Oldfield hat nach Ansicht von Gunther Hirschfelder einen durchaus ernsten Hintergrund: „Wir haben eine irische Bevölkerung mit einem starken Armutsproblem, vielleicht auch mit einem starken Alkoholproblem. Dieser Alkoholkonsum gilt als deviant. Er wird stigmatisiert.“ Der Experte sieht in der Geschichte ein „Bestrafungsnarrativ“. Die Botschaft: Wer zu viel trinkt, vergeht sich gegen die Gemeinschaft und wird zum Untoten.
Ab den 1920er-Jahren wurde Halloween zu einem beliebten Kinderfest in den USA. Die Kinder ziehen am 31. Oktober als Zauberer, Hexen, Zombies oder Vampire verkleidet mit den ikonischen Kürbisköpfen von Haus zu Haus, läuten und sagen „Trick or treat“. Das heißt, entweder sie bekommen Süßigkeiten oder sie spielen einen Streich.
Populär, weil „kommerzialisierbar“
Dass Halloween in den Vereinigten Staaten so populär wurde, hat nach Ansicht von Gunther Hirschfelder damit zu tun, dass der Brauch mit den verschiedenen Religionen und Kulturen des Landes gut kompatibel ist. Es gebe in den USA starke protestantische, katholische, jüdische aber auch arabische, buddhistische und hinduistische Milieus, so der Kulturwissenschaftler. Durchsetzen könne sich da nur das, „was niemandem wehtut, was nicht polarisiert“. Andere Beispiele seien der Valentinstag oder die großen Sportereignisse. Wichtig für den Erfolg ist nach Ansicht Hirschfelders aber auch, dass die Bräuche „eventisierbar“ und „kommerzialisierbar“ sind. „Wir sehen, dass dieser kommerzielle Aspekt absolut zentral ist. In der Kultur setzt sich eigentlich nur noch das ganz massiv durch, mit dem man auch Geld verdienen kann.“
Riesengeschäft für den Einzelhandel
Nach Europa brachten Halloween US-amerikanische Soldaten, die hier stationiert waren. Halloween-Partys im kleineren Kreis gab es bereits in den späten 1970er-, frühen 1980er-Jahren, berichtet Hirschfelder. Der „große Game Changer“ aber sei Mitte der 1980er das Privatfernsehen gewesen. Damit die Leute auch einschalten, brauchten die Sender Inhalte mit hohem Unterhaltungswert. Hirschfelder: „Und dann kommen diese US-Blockbuster mit ihrer primitiven Grusellogik und Inszenierung daher und schlagen ein wie eine Bombe, weil sie mit Tabus brechen. Sie sprechen von Tod. Sie haben Fratzen, sie haben harte Effekte, sie haben gut gemachte filmische (…) Effekte.“
In Deutschland ist das Interesse an dem Gruselfest in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Halloween-Partys boomen und der Brauch beschert dem Einzelhandel gute Geschäfte. Für 2025 rechnet die Branche mit 520 Millionen Euro Umsatz für Kostüme, Schminke oder Lakritz-Fledermäuse. Im Vorjahr hatte der Umsatz nach Schätzung des Handelsverbands Deutschland (HDE) rund 540 Millionen Euro erreicht – ein Rekordhoch. Rund 15 Prozent der Deutschen wollen laut einer HDE-Umfrage 2025 Geld zu Halloween ausgeben.
Die Kirchen sehen Halloween inzwischen in der Regel gelassener als noch vor einigen Jahren, berichtet die Katholische Nachrichtenagentur. In vielen Bistümern gebe es Alternativ-Angebote, die bisweilen augenzwinkernd dem kommerziellen und eher inhaltsleeren Kürbisfest etwas entgegensetzen wollten. Dabei würden sie oft zugleich auf die christlichen Feste wie Reformationstag, Allerheiligen, Allerseelen oder Sankt Martin verweisen.
tmk









