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Hamburger Fab Lab
Ein selbst gebautes Handy

Im Hamburger Gezi Park Fiction können sich an einem Nachmittag Anwohner und Interessierte ein Handy selbst bauen. Es geht bei dem Projekt auch darum, in der Stadt neue Ökonomiemodelle zu entwickeln: Die Do-it-Yourself-Kultur für Hightech-Produkte soll angestoßen werden.

Von Mechthild Klein | 04.09.2014
    Im Park Fiction von St. Pauli fällt der Pavillon gleich ins Auge. Drei Seiten mit gläserner Front, die Rückseite aus Holz zeigt die Silhouette einer Fabrik aus dem 19. Jahrhundert - mit Schornstein und Sägedach. Vorsicht Ironie! – Denn hier wird Hightech hergestellt: Ein Handy zum Selberbauen in vier Stunden, wenn's gut läuft. Der Andrang ist groß. Die Plätze sind begehrt, die Leute motiviert.
    - "Mich interessiert besonders der Fairtrade-Gedanke."
    - "Ich habe von der Firma aus jeden Tag mit modernen Handys zu tun, die sind aber fertig produziert. Aber dass man mal eins selber bauen kann, finde ich richtig genial cool."
    Sechs Teilnehmer sitzen am Arbeitstisch: Der Jüngste ist Elf, der Älteste um die 50. Alle konzentrieren sich auf die Worte von Axel Silvester. Der Wirtschaftsinformatiker ist Initiator des Projekts. Gerade hält er eine grüne Platine in der Hand und erläutert, wie daraus Stück für Stück ein Handy wird.
    "So, wenn man das jetzt bestücken will, also die Teile da drauf machen will, macht man das mit Alkohol einmal sauber. Und dann kommt das in diese Haltervorrichtung einmal rein. Und an der Wand sieht man die Bleche mit den Löchern, die dienen als eine Schablone, um auf die Kontakte eine Art flüssiges Lot raufzubringen."
    Es sind 72 Bauteile, aber Axel braucht auch im Schnellsprechmodus noch 30 Minuten, um alles zu erklären. Immerhin steckt nicht nur ein ganzer Produktionsprozess dahinter, sondern auch eine Weltanschauung. Fab Lab – so heißt das Projekt – steht für Fabrikationslabor. Es bedient eine Produktionskultur des Teilens mit Hightech-Geräten wie 3D-Drucker und Lasercutter.
    "Wir wollen zeigen, dass man auch solche komplizierten Gegenstände, die auch jede Menge Elektronik drin haben, selber machen kann."
    Niels Boeing, Physiker und Wissenschaftsjournalist: Er unterstützt das Fab Lab auf St. Pauli. Konsumkritik ist ihm wichtig, aber auch das gemeinsame Lernen im Stadtteil.
    "Es zeigt sich in den Workshops auch, dass die Teilnehmer miteinander reden. Und der eine hat schon was verstanden und gibt es an den anderen weiter. Das ist auch im normalen Fab-Lab-Alltag der Fall. Niemand kommt da als Experte hin, aber die Leute werden gemeinsam miteinander ein bisschen Experte."
    Es riecht nach Lötzinn. Mit Pinzette und ruhiger Hand versuchen auch Yasmin und Stefan die winzigen Kondensatoren an die richtige Stelle auf der grünen Platine zu platzieren. Doch es tauchen erste Schwierigkeiten auf.
    "Da ist irgendein Fehler drin. Das Display ist dunkel."
    Erfolg hingegen beim Team von Alf und Jens, die extra aus Berlin angereist sind.
    - "Alfi, dein Telefon klingelt!"
    - "Und was heißt das jetzt?"
    - "Das klingelt schon mal und dann kann man rangehen und gucken, ob man auch sprechen kann."
    - "Hallo?"
    - "Hallo! Hörst du mich?"
    - "Also ich höre klasse. Hallo, hörst du mich!"
    - "Mach mal lauter!"
    - "Ja, hör dich super!"
    - "Bisschen blechern, ist der richtig raufgelötet?"
    - "He, das geht! Check!"
    Jetzt fehlt noch das Gehäuse für das Handy. Zur Auswahl stehen Holz, Acryl oder Metall – im Lasercutter wird das Gehäuse sauber gefräst. Wenn alles klappt, muss es nur zusammengeschraubt werden. Die beiden anderen Teams müssen noch einmal wiederkommen. Trotzdem steckt die Freude von Alf und Jens an. Die Idee der Fab Labs stammt übrigens aus den USA, von einem Professor, der die Produktionstechnik demokratisieren wollte. 360 Fab Labs sind seit dem Jahr 2002 auf der ganzen Welt entstanden – davon mehr als 20 in Deutschland.
    "Und zu diesem Netzwerk gehört auch der Anspruch, dass die Dinge, die man an einem Ort entwickelt und erfindet mit den anderen wieder teilt. Also dieses Teilen von Wissen, von Know-how, was jetzt neudeutsch immer so gerne als Sharing bezeichnet wird, ist von Anfang an ein zentraler Punkt gewesen. Auch für Neil Gershenfeld, das ist dieser Professor, der das alles losgetreten hat. Weil er gesagt hat, es ist eigentlich beklagenswert, dass wir keine Ahnung von Technik haben. Dass wir auch von den Möglichkeiten in einer Weise ferngehalten werden und uns auch selbst fernhalten – das muss sich ändern."