Karin Fischer: Wenn es eine Rankingliste der Theater gäbe, gehörte das Thalia Theater zu den Top Five der Republik. Ulrich Khuon ist wie Bernd Wilms ein nicht-regieführender Intendant, was man durchaus für einen Vorteil halten kann. Er hat in der laufenden und vergangenen Spielzeit viele Inszenierungen verantwortet, die für Gesprächsstoff gesorgt haben, zuletzt die Uraufführung von Elfriede Jelineks "Ulrike Maria Stuart" in der Regie von Nicolas Stemann, die Kritiker für die aufregendste Inszenierung der Saison halten. Noch ein paar Erfolge: Das Thalia war "Theater des Jahres 2003", und laut "Focus" hatte es im vergangenen Jahr auch die meisten Zuschauer. Dass Klaus Wowereit sich für Ulrich Khuon entschieden hat, ist angesichts dieser Bilanz nicht verwunderlich.
Allerdings: In Berlin gibt es Frank Castorf, Claus Peymann und seit kurzem auch Armin Petras. Khuon gilt nicht als Theaterfürst, sondern als Team-Player und wenn man sieht, wer heute von Gottscheff bis Thalheimer am Deutschen Theater schon arbeitet, dann klingt das nach Kontinuität eher als nach Umsturz. Die Frage ist, ob das ausreicht. Ich habe Ulrich Khuon vor der Sendung gefragt, welches Theater er in Berlin machen will?
Ulrich Khuon: Die Frage ist richtig, und deswegen ist es, glaube ich, wichtig, eine Erfahrung, die ich bisher auch schon mehrfach gemacht habe: Man kann nicht das eigene Theater umtopfen, also mit dem Thalia jetzt nach Berlin kommen, man kann aber auch nicht sagen, danke, dass ich jetzt da sein darf, macht mal so weiter wie bisher, und ich bin auch noch irgendwie noch dabei. Also insofern gilt es wirklich, etwas Neues, Drittes zu schaffen, natürlich aus Tendenzen und Energien, die ich mitbringe, und Kräften, die es hier schon gibt und ganz neuen dritten. Den Weg werde ich die nächsten zweieinhalb Jahre ausloten müssen oder besser gesagt, mit welchen Menschen ich den Weg gehe und mit welchen Schwerpunkten, das werde ich da rauskriegen müssen.
Was mich interessiert, liegt auf der Hand, ich habe ein ganz großes Interesse an zeitgenössischem Theater. Ich möchte mit Autoren, Autorinnen zusammenarbeiten, Jelinek war ja ein Stichwort, [...] Lukas Bärfuss ist eines, Fritz Kater hat, wie ich finde, einige seiner wichtigsten Stücke für uns geschrieben damals in Hamburg, und das ist sicher ein wichtiger Strang. Ich glaube auch, dass die ganze Tendenz, die soziale Realität stärker in die Theater reinzupusten, also das heißt, ein sehr inhaltsbezogenes Gesellschaftstheater zu machen, das ist auch etwas, was man verstärken muss, also die inhaltliche Relevanz verstärken und auf der anderen Seite keine Angst vor starken Regiehandschriften. Die Angst und das Bashing gegenüber dem Regietheater halte ich für verfehlt. Ich finde im Gegenteil starke Regierhandschriften eine große Qualität des deutschen Theaters, und in diese Richtung mit einem Ensemble im eigentlichen Sinne, das heißt, dass die Mehrheit der Schauspieler auch wirklich fest an das Haus gebunden sind, das sind Dinge, die mir wichtig sind.
Fischer: Auch das klingt natürlich sehr nach Kontinuität, was Sie jetzt sagen. Wir können es ja mal andersrum drehen: Was braucht denn Berlin?
Khuon: Berlin braucht vielleicht ein Theater neben einer Reihe von sehr profilierten, aber auch sehr für bestimmte Szenen geschriebenen Theater, vielleicht so etwas wie ein Stadttheater, also was so mehr Kräfte zusammenbringt. Das birgt gleichzeitig wieder die Gefahr von so einem Spagat oder von so einer Beliebigkeit, aber Sie haben es ja aufgezählt, die Gefahr der Aufführung, die ich habe, wenn man konkret arbeitet und wenn Regisseure wie Kriegenburg, wie Kimmig, da ihre Visitenkarte abgeben, dann wird man sehr schnell merken, dass das mit Beliebigkeit nichts zu tun hat.
Fischer: Werden Sie Michael Talheimer versuchen zu halten? Sie haben ja von starken Regiehandschriften gesprochen, er hatte Ambitionen auf den Intendantenposten beziehungsweise wurde vom Ensemble sogar gewünscht.
Khuon: Das ist in der Tat kompliziert, und ich werde versuchen ihn zu halten. Wir haben gemeinsam einen wirklich sehr guten Weg gemacht in Hamburg, also auch schon bevor oder gleichzeitig mit Berlin, und ich werde mich bemühen, dass er weiter als Regisseur hier arbeitet. Ich habe den Eindruck im Moment, dass unsere sportive Konkurrenz hier keine Blessuren hinterlässt für unser persönliches, aber auch für unser Arbeitsverhältnis. Das muss man abwarten, aber ich bin da ganz optimistisch.
Fischer: Sie haben vorher darüber gesprochen, welches Theater Sie bevorzugen. Bei all den verschiedenen Handschriften von Regisseuren, die Sie geholt oder gefördert haben, gibt es auch die Überzeugung, dass Kunst, ja, die Pflicht zur Unruhe hat, zu stören, wie Sie es neulich in Bezug auf "Idomeneo" in Berlin wieder gesagt haben. Was wir zuletzt bei Ihnen gesehen haben, den "Tartuffe" oder "Rose Bernd", das ist ja alles nicht wirklich schön.
Khuon: Ja, eben. Also ich glaube, unsere Gesellschaft braucht diese Wahrnehmung, und unsere Gesellschaft, die ja auch viel jammert, neigt aber nicht dazu, die Probleme, die sie selber produziert an den Rändern, übermäßig stark wahrzunehmen, und da, glaube ich, ist Theater eine gute Plattform, wenn man solche Stoffe emotionaler Verwahrlosung, Vernachlässigung von Kindern, also all diese Fragen, wo man die stellen kann und wo man, glaube ich, dann auch noch mal mit einem anderen Blick rausgeht auf die eigene Wirklichkeit. Also das heißt, ich würde mich freuen, wenn der Mensch, der ins Theater geht, ein bisschen mehr wahrnimmt, was jenseits von ihm selber passiert, und die Eigenwahrnehmung etwas abschwächt, und da sind eigentlich scharfe Stoffe, Sie haben es gerade beschrieben, jetzt kommt Hexenjagd, also die natürlich durch die Inszenierung noch mal verschärft werden, sind da, glaube ich, ein guter Weg, dazu zu führen.
Allerdings: In Berlin gibt es Frank Castorf, Claus Peymann und seit kurzem auch Armin Petras. Khuon gilt nicht als Theaterfürst, sondern als Team-Player und wenn man sieht, wer heute von Gottscheff bis Thalheimer am Deutschen Theater schon arbeitet, dann klingt das nach Kontinuität eher als nach Umsturz. Die Frage ist, ob das ausreicht. Ich habe Ulrich Khuon vor der Sendung gefragt, welches Theater er in Berlin machen will?
Ulrich Khuon: Die Frage ist richtig, und deswegen ist es, glaube ich, wichtig, eine Erfahrung, die ich bisher auch schon mehrfach gemacht habe: Man kann nicht das eigene Theater umtopfen, also mit dem Thalia jetzt nach Berlin kommen, man kann aber auch nicht sagen, danke, dass ich jetzt da sein darf, macht mal so weiter wie bisher, und ich bin auch noch irgendwie noch dabei. Also insofern gilt es wirklich, etwas Neues, Drittes zu schaffen, natürlich aus Tendenzen und Energien, die ich mitbringe, und Kräften, die es hier schon gibt und ganz neuen dritten. Den Weg werde ich die nächsten zweieinhalb Jahre ausloten müssen oder besser gesagt, mit welchen Menschen ich den Weg gehe und mit welchen Schwerpunkten, das werde ich da rauskriegen müssen.
Was mich interessiert, liegt auf der Hand, ich habe ein ganz großes Interesse an zeitgenössischem Theater. Ich möchte mit Autoren, Autorinnen zusammenarbeiten, Jelinek war ja ein Stichwort, [...] Lukas Bärfuss ist eines, Fritz Kater hat, wie ich finde, einige seiner wichtigsten Stücke für uns geschrieben damals in Hamburg, und das ist sicher ein wichtiger Strang. Ich glaube auch, dass die ganze Tendenz, die soziale Realität stärker in die Theater reinzupusten, also das heißt, ein sehr inhaltsbezogenes Gesellschaftstheater zu machen, das ist auch etwas, was man verstärken muss, also die inhaltliche Relevanz verstärken und auf der anderen Seite keine Angst vor starken Regiehandschriften. Die Angst und das Bashing gegenüber dem Regietheater halte ich für verfehlt. Ich finde im Gegenteil starke Regierhandschriften eine große Qualität des deutschen Theaters, und in diese Richtung mit einem Ensemble im eigentlichen Sinne, das heißt, dass die Mehrheit der Schauspieler auch wirklich fest an das Haus gebunden sind, das sind Dinge, die mir wichtig sind.
Fischer: Auch das klingt natürlich sehr nach Kontinuität, was Sie jetzt sagen. Wir können es ja mal andersrum drehen: Was braucht denn Berlin?
Khuon: Berlin braucht vielleicht ein Theater neben einer Reihe von sehr profilierten, aber auch sehr für bestimmte Szenen geschriebenen Theater, vielleicht so etwas wie ein Stadttheater, also was so mehr Kräfte zusammenbringt. Das birgt gleichzeitig wieder die Gefahr von so einem Spagat oder von so einer Beliebigkeit, aber Sie haben es ja aufgezählt, die Gefahr der Aufführung, die ich habe, wenn man konkret arbeitet und wenn Regisseure wie Kriegenburg, wie Kimmig, da ihre Visitenkarte abgeben, dann wird man sehr schnell merken, dass das mit Beliebigkeit nichts zu tun hat.
Fischer: Werden Sie Michael Talheimer versuchen zu halten? Sie haben ja von starken Regiehandschriften gesprochen, er hatte Ambitionen auf den Intendantenposten beziehungsweise wurde vom Ensemble sogar gewünscht.
Khuon: Das ist in der Tat kompliziert, und ich werde versuchen ihn zu halten. Wir haben gemeinsam einen wirklich sehr guten Weg gemacht in Hamburg, also auch schon bevor oder gleichzeitig mit Berlin, und ich werde mich bemühen, dass er weiter als Regisseur hier arbeitet. Ich habe den Eindruck im Moment, dass unsere sportive Konkurrenz hier keine Blessuren hinterlässt für unser persönliches, aber auch für unser Arbeitsverhältnis. Das muss man abwarten, aber ich bin da ganz optimistisch.
Fischer: Sie haben vorher darüber gesprochen, welches Theater Sie bevorzugen. Bei all den verschiedenen Handschriften von Regisseuren, die Sie geholt oder gefördert haben, gibt es auch die Überzeugung, dass Kunst, ja, die Pflicht zur Unruhe hat, zu stören, wie Sie es neulich in Bezug auf "Idomeneo" in Berlin wieder gesagt haben. Was wir zuletzt bei Ihnen gesehen haben, den "Tartuffe" oder "Rose Bernd", das ist ja alles nicht wirklich schön.
Khuon: Ja, eben. Also ich glaube, unsere Gesellschaft braucht diese Wahrnehmung, und unsere Gesellschaft, die ja auch viel jammert, neigt aber nicht dazu, die Probleme, die sie selber produziert an den Rändern, übermäßig stark wahrzunehmen, und da, glaube ich, ist Theater eine gute Plattform, wenn man solche Stoffe emotionaler Verwahrlosung, Vernachlässigung von Kindern, also all diese Fragen, wo man die stellen kann und wo man, glaube ich, dann auch noch mal mit einem anderen Blick rausgeht auf die eigene Wirklichkeit. Also das heißt, ich würde mich freuen, wenn der Mensch, der ins Theater geht, ein bisschen mehr wahrnimmt, was jenseits von ihm selber passiert, und die Eigenwahrnehmung etwas abschwächt, und da sind eigentlich scharfe Stoffe, Sie haben es gerade beschrieben, jetzt kommt Hexenjagd, also die natürlich durch die Inszenierung noch mal verschärft werden, sind da, glaube ich, ein guter Weg, dazu zu führen.