Archiv


Hamburger stimmen über Rückkauf ihrer Energienetze ab

Sollte die Initiative "Unser Hamburg - unser Netz" erfolgreich sein, müssten Hamburger Senat und Bürgerschaft ab 2015 die Stromnetze wieder rekommunalisieren. Von den Bürgerschaftsparteien stehen nur die Grünen aufseiten der Befürworter - SPD, CDU und FDP lehnen das Vorhaben ab.

Von Axel Schröder |
    In Hamburg laufen in diesen Tagen gleich zwei Wahlkämpfe: Es geht um die Bundestagswahl und um den Volksentscheid zum Komplettrückkauf der Strom-, Gas- und Fernwärmenetze. Die kleine Initiative "Unser Hamburg – unser Netz!" wirbt mit breiter Unterstützung für den Rückkauf. Seite an Seite mit der Verbraucherzentrale, mit Kirchenvertretern, Energieunternehmen und Künstlern. Gegen diesen Rückkauf engagiert sich eine mächtige Allianz aus Handels- und Handwerkskammer, aus SPD, FDP und CDU. Angeführt vom Ersten Bürgermeister Olaf Scholz:

    "Es gibt außer der Aussage: ‚Wollen wir haben!‘ keine einzige Begründung, warum die Netze gekauft werden sollen. Und darum sage ich: Zwei Milliarden sind zu viel! Wir haben Besseres zu tun und unser Geld für Besseres einzusetzen!"

    Scholz wirbt für die Beibehaltung des Status quo: für eine 25,1 Prozent-Beteiligung der Stadt Hamburg an den Strom-, Gas- und Fernwärmenetzen. Diese Beteiligung hatte der Bürgermeister gleich zu Beginn seiner Amtszeit mit den Stromkonzernen ausgehandelt. 543 Millionen Euro kostete der Mega-Deal. Dafür bekommt die Stadt nicht nur ein Mitspracherecht bei allen Unternehmensentscheidungen in Sachen Netze, sondern auch eine garantierte Rendite aus dem Netzbetrieb. Zusätzlich haben sich Vattenfall und E.on zu Investitionen in Höhe von 1,6 Milliarden Euro in den kommenden Jahren verpflichtet. So sollen neue Kraftwerke, Energiespeicher und moderne Leitungsnetze entstehen. Manfred Braasch vor der Initiative "Unser Hamburg – unser Netz!" reicht das nicht aus. Die 1,6 Milliarden hätten die Stromkonzerne ohnehin investiert, so der Geschäftsführer des Hamburger BUND. Die Vorteile einer vollständigen Rekommunalisierung der Energienetze würde zwar die Strompreise nicht senken. Aber die Energiewende sei auf diese Weise schneller und effektiver umsetzbar. Mit Vattenfalls konventionellen Großkraftwerke und einer zentralisierten Strom- und Fernwärmeproduktion sei das nicht machbar.
    "Bei der Fernwärme in Hamburg, die einen sehr großen Beitrag zum Klimaschutz leisten könnte, brauchen wir dezentrale Strukturen, brauchen wir die Einspeisung von erneuerbaren Energien und wir brauchen eine Marktöffnung für Dritte! All das wird mit dem jetzigen Senatsmodell nicht kommen."

    Und finanzieren lässt sich der Rückkauf auch, ist Braasch überzeugt. Immerhin ließe sich mit dem Betrieb der Energienetze Jahr für Jahr rund 100 Millionen Euro Gewinn machen. In zwanzig Jahren wäre der Kredit dann abbezahlt. Braasch verweist auf den bundesweiten Trend der Rekommunalisierung im Energiebereich: Nach Angaben des Verbands kommunaler Unternehmen VKU haben seit 2007 über 200 Kommunen ihre Netze zurückgekauft. Nicht immer aus umweltpolitischen, oft aus finanziellen Erwägungen. In Dresden sind die Netze wieder in städtischer Hand, in München wurden sie nie privatisiert. In Berlin wird im November darüber abgestimmt, in Stuttgart und Bremen werden die ersten Schritte in diese Richtung unternommen. Fritz Horst Melsheimer, Präses der Handelskammer Hamburg ist ein erklärter Gegner des Komplettrückkaufs. Aber natürlich werde er – falls die Netz-Initiative die Abstimmung am Sonntag gewinnt – konstruktiv am Rückkauf mitwirken. Genügend Sachverstand ist in der Freien und Hansestadt Hamburg jedenfalls vorhanden:

    "Machbar – wir sind ein leistungsfähiges Land! Was wir uns vornehmen, was mehrheitlich entschieden wird - das müssen wir auch umsetzen!"