Mpho Meli Malie ist lesothischer Minister für Handel und Industrie. Lesotho zählt zu den am wenigsten entwickelten Ländern der Erde, im Fachjargon LDCs - Least Developed Countries - genannt. Zu ihnen zählen insgesamt 49 Staaten, viele aus dem subsaharischen Afrika, aber auch Bangladesh, Kambodscha, der Jemen oder Haiti. Als Least Developed Country erkennt die UNO Länder an, deren jährliches Pro-Kopf-Einkommen unter 900 Dollar liegt: Es sind die allerärmsten unter den Entwicklungsländern. So muss die Hälfte der rund 600 Millionen Menschen in LDC-Staaten mit weniger als 2 Mark fürs tägliche Überleben auskommen. Alphabetisierungsgrad und Lebenserwartung sind in diesen Ländern im Weltmaßstab am niedrigsten.
Lesotho gehört unter den Ärmsten zu den Bessergestellten, doch die Zukunft sieht eher düster aus. Fast die Hälfte der erwerbstätigen Männer des kleinen Bergstaates verdingt sich in Südafrika, vorwiegend in den Minen. Doch seitdem der Goldbergbau in die Krise geriet, kehrt ein Grubenarbeiter nach dem anderen arbeitslos heim. Lesothos Volkswirtschaft - vorwiegend Textilproduktion, etwas Landwirtschaft und Nahrungsmittelindustrie - ist zu schwach, um die Heimkehrer aufzunehmen.
Neue Perspektiven verspricht sich Handelsminister Malie von der UN-LDC-III Konferenz in Brüssel, die morgen beginnt. Bis zum 20. Mai soll ein Aktionsplan verabschiedet werden, der es den ärmsten Entwicklungsländern ermöglicht, zumindest die extreme Armut zu überwinden. Handelsminister Mpho Meli Malie hat genaue Vorstellungen, welche Maßnahmen Lesotho am ehesten helfen könnten: Er hofft auf besseren Zugang zu den Märkten der reichen Industriestaaten:
"Da wir ein kleines Land mit einer geringen Einwohnerzahl sind, sehen wir unsere Wachstumschancen im Export. Aber keiner kann ausländische Direktinvestitionen anziehen, wenn ...- naja, das erste, was ein Unternehmer macht, er schaut nach, ob er auch seine Absatzmärkte erreicht. Und deshalb ist es so wichtig, nicht nur für Lesotho, sondern für alle LDCs, Zugang zu den Märkten der reichen Staaten zu haben."
Die Förderung des wirtschaftlichen Potenzials der ärmsten Entwicklungsländer und ihre Rolle im Globalisierungsprozess ist ein zentraler Tagesordnungspunkt auf der Brüsseler Agenda. Ebenso geht es um den Aufbau von Sozial- und Bildungssystemen in den LDCs. Unter dem Stichwort "good governance" - was übersetzt soviel bedeutet wie "gute Regierungsführung" -, wird darüber gestritten, welche Rahmenbedingungen die Regierungen der Nehmerstaaten für die Entwicklung bieten sollten.
Der Erwartungsdruck an die Brüsseler UN-Konferenz ist hoch - die Messlatte gaben die Staats- und Regierungschefs der internationalen Gemeinschaft höchstpersönlich vor: Beim Millennium-Gipfel in New York vergangenen September legten sie sich auf das Ziel fest, die weltweite extreme Armut bis zum Jahr 2015 zu halbieren.
Auch Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul nennt den Aufbau leistungsfähiger Wirtschaftsstrukturen an erster Stelle, wenn sie ihre Vorstellungen von Armutsminderung erläutert:
"Einmal indem wir und die internationale Gemeinschaft dazu beitragen, dass die wirtschaftlichen Chancen dieser Länder verbessert werden: Dazu können wir durch einen verbesserten Handelszugang für diese Länder beitragen und wir müssen das auch. Zweitens indem wir dazu beitragen, dass die Armen in den beteiligten Ländern zu ihrem Recht kommen, das heißt, dass Bildung und Gesundheit wichtige Bestandteile der nationalen Entscheidungen in den Partnerländern sind und drittens, dass gerade die Armen auch geschützt sind, damit sie in Krisenzeiten nicht abrutschen."
Nach 1981 und 1991 versucht sich die Weltgemeinschaft in Brüssel zum dritten Mal an einem Aktionsplan zugunsten der LCDs. Diese sagten im ersten Aktionsprogramm der 80er Jahre Anstrengungen zu, ihr Bruttosozialprodukt pro Jahr um etwa 7 Prozent zu steigern. Die OECD-Staaten versprachen ihrerseits, den Wandel der ärmsten Entwicklungsländer von reinen Agrar- zu Industriegesellschaften zu finanzieren und dafür jedes Jahr 0,15 Prozent des eigenen Bruttosozialproduktes aufzubringen. Doch die Bilanz der vorausgegangenen Aktionspläne fällt sehr ernüchternd aus, meint Günter Fischer, LDC-Experte bei der Welthandelskonferenz UNCTAD:
"Ich glaube, man hat damals ein etwas mechanistisches Herangehen gewählt. Also allein mit prozentualen Zielsetzungen kann man die Welt nicht verändern. Wir haben doch in einer Reihe von LDC-Ländern Sozialstrukturen, die im Prinzip noch sehr einfach sind, wir hatten einen großen Anteil an subsistenzwirtschaftlichen Bereichen, die letztlich von solchen neuen, veränderten Gegebenheiten überhaupt nicht erfasst worden sind. Also die Realität war weitaus komplexer, als man es sich das damals in einfachen Programmen hat ausdenken und darstellen können."
Heute sind die meisten LDCs hochverschuldet, ohne dass sich die Produktivität ihrer Volkswirtschaften wesentlich gesteigert hätte. Die Hochzinspolitik der USA und fallende Rohstoffpreise sorgten während der 80er Jahre für tiefe Einbrüche. Die stark monetaristisch geprägten Strukturanpassungsprogramme von IWF und Weltbank schwächten die kränkelnden öffentlichen Verwaltungen und sozialen Dienste der LDCs zusätzlich, meist ohne den erhofften privatwirtschaftlichen Aufschwung herbeizuführen. Selbst in den 90er Jahren, unter den Bedingungen einer erholten Weltwirtschaft , wuchs das Pro-Kopf-Einkommen in den LDCs gerade um ein knappes Prozent - der Boom der ausländischen Direktinvestitionen lief an den ärmsten Entwicklungsländern weitgehend vorbei. Vor allem die Abhängigkeit vom Export einiger weniger Rohstoffe wird den LDCs immer wieder zum Verhängnis. Unctad-Experte Günter Fischer:
"In den letzten zwei Jahren sind die Austauschverhältnisse, dh. die Preise der Exportprodukte der LDC-Länder im Vergleich zu den Preisen der Importprodukte aus den Industrieländern jedes Jahr zwischen 12 und 14 Prozent gefallen. Dh. diese Länder müssen entweder mehr exportieren, um die gleiche Menge an anderen Halbfertigwaren, Energie oder Rohstoffprodukten zu importieren, oder sie können mit der gleichen Menge - da ihre Produktionskapazitäten meist sehr beschränkt sind - sie können mit der gleichen Menge an Exportprodukten jedes Jahr 12 bis 14 Prozent weniger importieren. Und das hat natürlich gravierende Auswirkungen für die Volkswirtschaft. Wir haben in vielen Ländern das Problem, dass die Energiezufuhr zunehmend prekärer wird, dass Ersatzteile nicht geliefert werden können, dass Zwischenprodukte fehlen und man stark improvisieren muss und dass im Prinzip ganz Fabrikanlagen dem Verfall anfallen."
Die Bedeutung des Außenhandels für die wirtschaftliche Entwicklung der armen Staaten und damit auch für die Reduzierung der Armut ist seit den 60er Jahren immer wieder thematisiert worden. Bei den Liberalisierungsrunden des Welthandels blieben jedoch ausgerechnet die Produktbereiche, in denen auch die ärmsten Entwicklungsländer etwas zu bieten hatten, weitgehend ausgespart. So schützt das Multifaserabkommen noch bis zum Jahr 2005 die Märkte der Industriestaaten vor den Textilimporten der armen Konkurrenz. Und die Handelsmauern für Agrarimporte beginnen die Industriestaaten erst seit 1994 mit Abschluß der Uruguay-Runde abzubauen - langsam und widerstrebend.
Einige LDCs kamen als Ärmste der Armen in den Genuss von Ausnahmeregeln, zum Beispiel über das Lomé-Abkommen der Europäischen Union: Dieses erlaubte den ehemaligen Kolonien in Afrika, der Karibik und dem pazifischen Raum, Agrarprodukte zollfrei in die EU zu exportieren. Allerdings nicht ohne an anderer Stelle Handelshürden aufzubauen, bedauert der lesothische Handelsexperte Joshua Setipa:
"Es sind die Gesundheits, die sanitären Standards und technische Auflagen, die den LDCs zu schaffen machen. Und da reden wir nur von Agrarprodukten. Wenn wir verarbeitete Lebensmittel anschauen, dann kommt die Zolleskalation hinzu, denn die EU erhebt auf verarbeitete Lebensmittel diskriminierende Zölle. Diese Zölle machen es Ländern wie Lesotho schwer, Investoren anzuziehen, die wir brauchen, um eine Nahrungsmittelindustrie aufzubauen. Denn unter diesen Bedingungen lohnt es sich für einen Unternehmer nicht, bei uns zu investieren."
Bei den Handelshemmnissen geht es nicht um Peanuts. Alle Entwicklungsländer zusammen erhalten pro Jahr rund 53 Milliarden US Dollar an öffentlicher Entwicklungshilfe. Ungefähr doppelt soviel könnten sie einnehmen, wenn ihnen die OECD-Staaten freien Marktzugang gewährten. Die Europäische Union setzte im März die sogenannte "Everything-but-arms"-Initiative in Kraft: Bis auf Waffen können nun die ärmsten der Entwicklungsländer alle Waren zollfrei auf den europäischen Markt bringen. Auf Druck der heimischen Agrarlobby klammerte die EU jedoch Bananen, Reis und Zucker noch einige Jahre von der Liberalisierung aus - ausgerechnet drei der wichtigsten Exportprodukte. Auch kann die Europäische Union die Zollfreiheit jederzeit wieder aufheben. Handelsexperte Setipa ist noch skeptisch, ob Lesotho nun tatsächlich mehr Textilien zollfrei auf den europäischen Markt bringen kann:
"Unter dem Lomé-Abkommen unterlagen unsere Textilien Einfuhrquoten. Das bedeutet: Selbst wenn wir größere Kapazitäten haben, können wir letztlich nur soviel produzieren, wie wir auch verkaufen können. Das verhindert Erweiterungsinvestitionen. Unsere Hoffnung ist nun, dass wir mit der "Everything-but-arms"-Initiative keine Mengenbeschränkungen mehr auferlegt bekommen. Und es ist ja schön und gut zu sagen: Jetzt haben Textilien zollfreien Zugang zum EU-Markt. Aber einen für uns sehr heiklen Punkt hat die EU noch nicht geklärt, nämlich wie die Herkunftsregeln aussehen. Beispielsweise können wir in Lesotho keine Baumwolle produzieren. Wenn also die Herkunftsregeln sagen: Lesotho kann in die EU nur Kleider exportieren, die aus lesothischer Baumwolle hergestellt wurden, dann bedeutet das, dass wir überhaupt nicht exportieren können."
Der Mangel an Finanzmitteln hat zwischen den ärmsten und den reichsten Ländern dieser Erde eine große Kluft geschlagen, die über Jahrzehnte hinweg nicht zu schließen sein wird. Das Internetzeitalter verschärfe diesen Effekt zuungunsten der LDCs, stellt UNCTAD-Experte Fischer besorgt fest:
"In vielen Least Developed Countries ist es heute noch nicht möglich, außerhalb der Hauptstadt ein Telefon zu benutzen. Es gibt ungefähr 4 Telefonanschlüsse auf 100.000 Einwohner, das muss man sich einmal vorstellen im Zeitalter des Internet. Es gibt in New York mehr Leute, die Zugang zum Internet haben als im gesamten subsaharischen Afrika. Wie kann ich diese Länder in das einbeziehen, was wir als E-Commerce bezeichnen, in die Internetgesellschaft. Das sind Probleme, die langfristig wirken werden."
Manche Probleme haben die Regierungen und Eliten der LDCs selbst verschärft. Im Ost-West-Konflikt wirtschafteten von den Großmächten gestützte Diktatoren in die eigene Tasche bzw. auf Schweizer Konten. Unter der Allmacht inkompetenter Bürokratien erstickte vielerorts jede Privatinitiative. Galt es, die Sparauflagen von IWF und Weltbank zu erfüllen, kürzten etliche LDC-Regierungen vorzugsweise dort, wo mangels politischer Artikulationsfähigkeit der geringste Widerstand zu erwarten war: zum Beispiel bei den Sozialprogrammen für die Armen. Mit gutem Grund stellt die Vorlage für den Brüsseler Aktionsplan zur Bekämpfung der Armut in den LDCs die Eigenverantwortung der Entwicklungsländer für ihr Schicksal in den Vordergrund.
Doch auch die Gebernationen müssen sich vorhalten lassen, ihre eingegangenen Verpflichtungen nicht erfüllt zu haben. 0,7 Prozent des jeweiligen Bruttosozialproduktes versprachen die Industrienationen 1970, jährlich für die Entwicklungshilfe auszugeben. Ende der 80er Jahre waren die Leistungen gerademal halb so hoch. Bis heute erfüllen nur Luxemburg, die Niederlande und die skandinavischen Staaten das 0,7-Prozent-Ziel. Deutschland ist nach einer leichten Aufstockung des Entwicklungsetats bei 0,27 Prozent angekommen.
Entwicklungspolitische Nichtregierungsorganisationen vertreten zudem die Ansicht, dass aus dem knapp bemessenen Haushalt des Entwicklungsministeriums sachfremde Anliegen finanziert werden: zum Beispiel Investitionen in globale öffentliche Güter wie den Schutz der Regenwälder oder der Ozonschicht. Jens Martens von der Organisation Weed:
"Und man rechnet derzeit, dass etwa 20 Prozent der öffentlichen Entwicklungshilfe für diese globalen öffentlichen Güter bereitgestellt werden, dh. aus dem Topf des Entwicklungsministeriums fließen, und das sind Gelder, die nicht im engeren Sinne im Entwicklungsinteresse der ärmsten Länder sind, sondern die sind hauptsächlich in unserem Interesse. Wir sagen, da müssen andere Etats auch zur Kasse gebeten werden."
Zum Beispiel das bundesdeutsche Gesundheits- und das Umweltminsterium.
In Brüssel erwarten die deutschen Nichtregierungsorganisationen von den OECD-Staaten, dass sich diese ihrer ursprünglichen Zusage von 1981 erinnern: 0,15 Prozent ihres jährlichen Bruttosozialproduktes wollten sie allein für die Ärmsten unter den Entwicklungsländern bereitstellen. Außerdem fordert Christiane Overkamp von der Erlassjahrkampagne 2000, beim internationalen Schuldenerlass noch einmal nachzulegen.
"Eine der Wunschvorstellungen, die die Erlassjahrkampagne schon immer formuliert hat, ist eine Senkung der Tragfähigkeitsgrenze auf eine Schuldendienstquote - also Anteil des Schuldendienstes an den Exporterlösen - von 5 Prozent. Das ist damals der Bundesrepublik nach dem 2. Weltkrieg im Londoner Schuldenabkommen gewährt worden und wir meinen, dass das über den Daumen gepeilt auf jeden Fall der Tragfähigkeitsgrenze von LDCs näher kommt als die heute vorgesehenen 10 bis 15 Prozent."
Bis die LDCs die Früchte einer Exportmarktöffnung ernten können, werden noch Jahre vergehen. So ist absehbar, dass sie weiterhin in größerem Stil finanzieller und technischer Hilfe bedürfen, um ihre Wirtschaft zu reformieren, um Schulen und Gesundheitszentren einzurichten. Der lesothische Handelsminister Mpho Meli Malie über den Teufelskreis, in dem die meisten Länder feststecken:
"Um die sozialen Anliegen zu verwirklichen, brauchen Sie Geld. Um Geld einzunehmen, müssen Sie Steuern erheben. Aber die Grundlage für Steuereinnahmen ist eine gesunde wirtschaftliche Basis."
Und die fehlt den ärmsten Entwicklungsländern. UNCTAD-Experte Fischer warnt deshalb davor, allzu große Hoffnungen allein in die Wirksamkeit von Handelserleichterungen zu setzen. Bislang seien die Volkswirtschaften in den LDCs so schwach, dass diese Länder zum Beispiel kaum auf steigende Rohstoffpreise adäquat reagieren könnten.
Fischer begrüßt daher den Schwerpunkt, dem sich die bundesdeutsche Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul auf der Brüsseler UN-Konferenz widmen wird: Sie wirbt für eine Partnerschaft zwischen Privatwirtschaft und öffentlicher Entwicklungshilfe und möchte Investoren für die LDCs gewinnen. Der deutschen Entwicklungszusammenarbeit kommt dabei die Rolle zu, in den Ländern die richtigen Rahmenbedingungen für die Investoren herzustellen, dh. für Rechts- und Planungssicherheit zu sorgen. UNCTAD-Experte Günter Fischer:
"Wir sollten keine Illusionen haben und sagen: Privatkapital ist die Lösung. Aber ich glaube, die stärkere Einbeziehung von Privatkapital ist ein Beitrag zur Lösung, sowohl von ausländischem wie inländischem: Dass man lokales, modernes Unternehmertum fördert, dass man die Voraussetzungen schafft, dass lokale Unternehmer effektiv Unternehmensgründung betreiben können, dass sie Zugang zu Krediten, zu Informationen haben, dass Regierungen sie stimulieren, an Messen, an Märkten, an Informationsveranstaltungen teilzunehmen."
Bleibt die Frage, wieso es ausgerechnet dieser UN-Konferenz gelingen sollte, einen Maßnahmenkatalog zu verabschieden, der tatsächlich umgesetzt wird. Schließlich füllen die Lippenbekenntnisse vergangener Konferenzen zum Kampf gegen die Armut mittlerweile Aktenschränke. Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul ist optimistisch:
"Ich glaube, anders ist, dass die Leute spüren, dass die Globalisierung uns alle miteinander verknüpft, auch unser Schicksal mit dem eines Kontinents wie Afrika. Auch wir werden auf Dauer nicht in Frieden und Wohlstand leben, wenn anderen Ländern dieser Friede vorenthalten wird. Das heißt, da hat doch eine deutliche Umorientierung stattgefunden. Vor allen Dingen: Die internationalen Geber handeln ja mittlerweile mindestens ungefähr gleichgerichtet. Zur Zeiten des Ost-West-Konfliktes haben sie sich in der damaligen, sogenannten Dritten Welt bekriegt und gegeneinander in Stellung gebracht. Also die Chancen sind eigentlich besser. Und es kommt auch noch dazu: Wir spüren natürlich deutlich, - die Wachstumsprognosen bei der Weltbevölkerung gehen dahin - dass etwa bis zum Jahr 2015 die Weltbevölkerung von jetzt 6 Milliarden Menschen auf dann ungefähr 7 Milliarden Menschen anwächst und über 90 Prozent der Menschen, die dann geboren werden, werden in Entwicklungsländern geboren. Und wenn wir verhindern wollen, dass Kriege, Krisen, Auseinandersetzungen die Lebenschancen von Menschen dramatisch behindern, dann müssen wir heute handeln."
UN-Generalsekretär Kofi Annan hat an die internationale Gemeinschaft appelliert, in Brüssel einen "Global New Deal" zu schmieden, in Anspielung an Franklin D. Roosevelts Programm, mit dem der amerikanische Präsident die USA in den 30er Jahren aus Depression und Arbeitslosigkeit herausführte. UNCTAD-Experte Günter Fischer interpretiert den Appell seines obersten Dienstherren so:
"Im Prinzip versteckt sich hinter "Global New Deal" ein erneutes, ehrliches Bekenntnis der internationalen Gemeinschaft, diese Verantwortung gegenüber den Least Developed Countries ernst zu nehmen. Es geht dabei auch um ein humanes Leben für 10 Prozent der Bevölkerung dieser Erde. Es geht darum, an Ort und Stelle die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, dass Menschen in den Ländern, in denen sie geboren worden sind, letztendlich auch leben und glücklich werden können."
Lesotho gehört unter den Ärmsten zu den Bessergestellten, doch die Zukunft sieht eher düster aus. Fast die Hälfte der erwerbstätigen Männer des kleinen Bergstaates verdingt sich in Südafrika, vorwiegend in den Minen. Doch seitdem der Goldbergbau in die Krise geriet, kehrt ein Grubenarbeiter nach dem anderen arbeitslos heim. Lesothos Volkswirtschaft - vorwiegend Textilproduktion, etwas Landwirtschaft und Nahrungsmittelindustrie - ist zu schwach, um die Heimkehrer aufzunehmen.
Neue Perspektiven verspricht sich Handelsminister Malie von der UN-LDC-III Konferenz in Brüssel, die morgen beginnt. Bis zum 20. Mai soll ein Aktionsplan verabschiedet werden, der es den ärmsten Entwicklungsländern ermöglicht, zumindest die extreme Armut zu überwinden. Handelsminister Mpho Meli Malie hat genaue Vorstellungen, welche Maßnahmen Lesotho am ehesten helfen könnten: Er hofft auf besseren Zugang zu den Märkten der reichen Industriestaaten:
"Da wir ein kleines Land mit einer geringen Einwohnerzahl sind, sehen wir unsere Wachstumschancen im Export. Aber keiner kann ausländische Direktinvestitionen anziehen, wenn ...- naja, das erste, was ein Unternehmer macht, er schaut nach, ob er auch seine Absatzmärkte erreicht. Und deshalb ist es so wichtig, nicht nur für Lesotho, sondern für alle LDCs, Zugang zu den Märkten der reichen Staaten zu haben."
Die Förderung des wirtschaftlichen Potenzials der ärmsten Entwicklungsländer und ihre Rolle im Globalisierungsprozess ist ein zentraler Tagesordnungspunkt auf der Brüsseler Agenda. Ebenso geht es um den Aufbau von Sozial- und Bildungssystemen in den LDCs. Unter dem Stichwort "good governance" - was übersetzt soviel bedeutet wie "gute Regierungsführung" -, wird darüber gestritten, welche Rahmenbedingungen die Regierungen der Nehmerstaaten für die Entwicklung bieten sollten.
Der Erwartungsdruck an die Brüsseler UN-Konferenz ist hoch - die Messlatte gaben die Staats- und Regierungschefs der internationalen Gemeinschaft höchstpersönlich vor: Beim Millennium-Gipfel in New York vergangenen September legten sie sich auf das Ziel fest, die weltweite extreme Armut bis zum Jahr 2015 zu halbieren.
Auch Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul nennt den Aufbau leistungsfähiger Wirtschaftsstrukturen an erster Stelle, wenn sie ihre Vorstellungen von Armutsminderung erläutert:
"Einmal indem wir und die internationale Gemeinschaft dazu beitragen, dass die wirtschaftlichen Chancen dieser Länder verbessert werden: Dazu können wir durch einen verbesserten Handelszugang für diese Länder beitragen und wir müssen das auch. Zweitens indem wir dazu beitragen, dass die Armen in den beteiligten Ländern zu ihrem Recht kommen, das heißt, dass Bildung und Gesundheit wichtige Bestandteile der nationalen Entscheidungen in den Partnerländern sind und drittens, dass gerade die Armen auch geschützt sind, damit sie in Krisenzeiten nicht abrutschen."
Nach 1981 und 1991 versucht sich die Weltgemeinschaft in Brüssel zum dritten Mal an einem Aktionsplan zugunsten der LCDs. Diese sagten im ersten Aktionsprogramm der 80er Jahre Anstrengungen zu, ihr Bruttosozialprodukt pro Jahr um etwa 7 Prozent zu steigern. Die OECD-Staaten versprachen ihrerseits, den Wandel der ärmsten Entwicklungsländer von reinen Agrar- zu Industriegesellschaften zu finanzieren und dafür jedes Jahr 0,15 Prozent des eigenen Bruttosozialproduktes aufzubringen. Doch die Bilanz der vorausgegangenen Aktionspläne fällt sehr ernüchternd aus, meint Günter Fischer, LDC-Experte bei der Welthandelskonferenz UNCTAD:
"Ich glaube, man hat damals ein etwas mechanistisches Herangehen gewählt. Also allein mit prozentualen Zielsetzungen kann man die Welt nicht verändern. Wir haben doch in einer Reihe von LDC-Ländern Sozialstrukturen, die im Prinzip noch sehr einfach sind, wir hatten einen großen Anteil an subsistenzwirtschaftlichen Bereichen, die letztlich von solchen neuen, veränderten Gegebenheiten überhaupt nicht erfasst worden sind. Also die Realität war weitaus komplexer, als man es sich das damals in einfachen Programmen hat ausdenken und darstellen können."
Heute sind die meisten LDCs hochverschuldet, ohne dass sich die Produktivität ihrer Volkswirtschaften wesentlich gesteigert hätte. Die Hochzinspolitik der USA und fallende Rohstoffpreise sorgten während der 80er Jahre für tiefe Einbrüche. Die stark monetaristisch geprägten Strukturanpassungsprogramme von IWF und Weltbank schwächten die kränkelnden öffentlichen Verwaltungen und sozialen Dienste der LDCs zusätzlich, meist ohne den erhofften privatwirtschaftlichen Aufschwung herbeizuführen. Selbst in den 90er Jahren, unter den Bedingungen einer erholten Weltwirtschaft , wuchs das Pro-Kopf-Einkommen in den LDCs gerade um ein knappes Prozent - der Boom der ausländischen Direktinvestitionen lief an den ärmsten Entwicklungsländern weitgehend vorbei. Vor allem die Abhängigkeit vom Export einiger weniger Rohstoffe wird den LDCs immer wieder zum Verhängnis. Unctad-Experte Günter Fischer:
"In den letzten zwei Jahren sind die Austauschverhältnisse, dh. die Preise der Exportprodukte der LDC-Länder im Vergleich zu den Preisen der Importprodukte aus den Industrieländern jedes Jahr zwischen 12 und 14 Prozent gefallen. Dh. diese Länder müssen entweder mehr exportieren, um die gleiche Menge an anderen Halbfertigwaren, Energie oder Rohstoffprodukten zu importieren, oder sie können mit der gleichen Menge - da ihre Produktionskapazitäten meist sehr beschränkt sind - sie können mit der gleichen Menge an Exportprodukten jedes Jahr 12 bis 14 Prozent weniger importieren. Und das hat natürlich gravierende Auswirkungen für die Volkswirtschaft. Wir haben in vielen Ländern das Problem, dass die Energiezufuhr zunehmend prekärer wird, dass Ersatzteile nicht geliefert werden können, dass Zwischenprodukte fehlen und man stark improvisieren muss und dass im Prinzip ganz Fabrikanlagen dem Verfall anfallen."
Die Bedeutung des Außenhandels für die wirtschaftliche Entwicklung der armen Staaten und damit auch für die Reduzierung der Armut ist seit den 60er Jahren immer wieder thematisiert worden. Bei den Liberalisierungsrunden des Welthandels blieben jedoch ausgerechnet die Produktbereiche, in denen auch die ärmsten Entwicklungsländer etwas zu bieten hatten, weitgehend ausgespart. So schützt das Multifaserabkommen noch bis zum Jahr 2005 die Märkte der Industriestaaten vor den Textilimporten der armen Konkurrenz. Und die Handelsmauern für Agrarimporte beginnen die Industriestaaten erst seit 1994 mit Abschluß der Uruguay-Runde abzubauen - langsam und widerstrebend.
Einige LDCs kamen als Ärmste der Armen in den Genuss von Ausnahmeregeln, zum Beispiel über das Lomé-Abkommen der Europäischen Union: Dieses erlaubte den ehemaligen Kolonien in Afrika, der Karibik und dem pazifischen Raum, Agrarprodukte zollfrei in die EU zu exportieren. Allerdings nicht ohne an anderer Stelle Handelshürden aufzubauen, bedauert der lesothische Handelsexperte Joshua Setipa:
"Es sind die Gesundheits, die sanitären Standards und technische Auflagen, die den LDCs zu schaffen machen. Und da reden wir nur von Agrarprodukten. Wenn wir verarbeitete Lebensmittel anschauen, dann kommt die Zolleskalation hinzu, denn die EU erhebt auf verarbeitete Lebensmittel diskriminierende Zölle. Diese Zölle machen es Ländern wie Lesotho schwer, Investoren anzuziehen, die wir brauchen, um eine Nahrungsmittelindustrie aufzubauen. Denn unter diesen Bedingungen lohnt es sich für einen Unternehmer nicht, bei uns zu investieren."
Bei den Handelshemmnissen geht es nicht um Peanuts. Alle Entwicklungsländer zusammen erhalten pro Jahr rund 53 Milliarden US Dollar an öffentlicher Entwicklungshilfe. Ungefähr doppelt soviel könnten sie einnehmen, wenn ihnen die OECD-Staaten freien Marktzugang gewährten. Die Europäische Union setzte im März die sogenannte "Everything-but-arms"-Initiative in Kraft: Bis auf Waffen können nun die ärmsten der Entwicklungsländer alle Waren zollfrei auf den europäischen Markt bringen. Auf Druck der heimischen Agrarlobby klammerte die EU jedoch Bananen, Reis und Zucker noch einige Jahre von der Liberalisierung aus - ausgerechnet drei der wichtigsten Exportprodukte. Auch kann die Europäische Union die Zollfreiheit jederzeit wieder aufheben. Handelsexperte Setipa ist noch skeptisch, ob Lesotho nun tatsächlich mehr Textilien zollfrei auf den europäischen Markt bringen kann:
"Unter dem Lomé-Abkommen unterlagen unsere Textilien Einfuhrquoten. Das bedeutet: Selbst wenn wir größere Kapazitäten haben, können wir letztlich nur soviel produzieren, wie wir auch verkaufen können. Das verhindert Erweiterungsinvestitionen. Unsere Hoffnung ist nun, dass wir mit der "Everything-but-arms"-Initiative keine Mengenbeschränkungen mehr auferlegt bekommen. Und es ist ja schön und gut zu sagen: Jetzt haben Textilien zollfreien Zugang zum EU-Markt. Aber einen für uns sehr heiklen Punkt hat die EU noch nicht geklärt, nämlich wie die Herkunftsregeln aussehen. Beispielsweise können wir in Lesotho keine Baumwolle produzieren. Wenn also die Herkunftsregeln sagen: Lesotho kann in die EU nur Kleider exportieren, die aus lesothischer Baumwolle hergestellt wurden, dann bedeutet das, dass wir überhaupt nicht exportieren können."
Der Mangel an Finanzmitteln hat zwischen den ärmsten und den reichsten Ländern dieser Erde eine große Kluft geschlagen, die über Jahrzehnte hinweg nicht zu schließen sein wird. Das Internetzeitalter verschärfe diesen Effekt zuungunsten der LDCs, stellt UNCTAD-Experte Fischer besorgt fest:
"In vielen Least Developed Countries ist es heute noch nicht möglich, außerhalb der Hauptstadt ein Telefon zu benutzen. Es gibt ungefähr 4 Telefonanschlüsse auf 100.000 Einwohner, das muss man sich einmal vorstellen im Zeitalter des Internet. Es gibt in New York mehr Leute, die Zugang zum Internet haben als im gesamten subsaharischen Afrika. Wie kann ich diese Länder in das einbeziehen, was wir als E-Commerce bezeichnen, in die Internetgesellschaft. Das sind Probleme, die langfristig wirken werden."
Manche Probleme haben die Regierungen und Eliten der LDCs selbst verschärft. Im Ost-West-Konflikt wirtschafteten von den Großmächten gestützte Diktatoren in die eigene Tasche bzw. auf Schweizer Konten. Unter der Allmacht inkompetenter Bürokratien erstickte vielerorts jede Privatinitiative. Galt es, die Sparauflagen von IWF und Weltbank zu erfüllen, kürzten etliche LDC-Regierungen vorzugsweise dort, wo mangels politischer Artikulationsfähigkeit der geringste Widerstand zu erwarten war: zum Beispiel bei den Sozialprogrammen für die Armen. Mit gutem Grund stellt die Vorlage für den Brüsseler Aktionsplan zur Bekämpfung der Armut in den LDCs die Eigenverantwortung der Entwicklungsländer für ihr Schicksal in den Vordergrund.
Doch auch die Gebernationen müssen sich vorhalten lassen, ihre eingegangenen Verpflichtungen nicht erfüllt zu haben. 0,7 Prozent des jeweiligen Bruttosozialproduktes versprachen die Industrienationen 1970, jährlich für die Entwicklungshilfe auszugeben. Ende der 80er Jahre waren die Leistungen gerademal halb so hoch. Bis heute erfüllen nur Luxemburg, die Niederlande und die skandinavischen Staaten das 0,7-Prozent-Ziel. Deutschland ist nach einer leichten Aufstockung des Entwicklungsetats bei 0,27 Prozent angekommen.
Entwicklungspolitische Nichtregierungsorganisationen vertreten zudem die Ansicht, dass aus dem knapp bemessenen Haushalt des Entwicklungsministeriums sachfremde Anliegen finanziert werden: zum Beispiel Investitionen in globale öffentliche Güter wie den Schutz der Regenwälder oder der Ozonschicht. Jens Martens von der Organisation Weed:
"Und man rechnet derzeit, dass etwa 20 Prozent der öffentlichen Entwicklungshilfe für diese globalen öffentlichen Güter bereitgestellt werden, dh. aus dem Topf des Entwicklungsministeriums fließen, und das sind Gelder, die nicht im engeren Sinne im Entwicklungsinteresse der ärmsten Länder sind, sondern die sind hauptsächlich in unserem Interesse. Wir sagen, da müssen andere Etats auch zur Kasse gebeten werden."
Zum Beispiel das bundesdeutsche Gesundheits- und das Umweltminsterium.
In Brüssel erwarten die deutschen Nichtregierungsorganisationen von den OECD-Staaten, dass sich diese ihrer ursprünglichen Zusage von 1981 erinnern: 0,15 Prozent ihres jährlichen Bruttosozialproduktes wollten sie allein für die Ärmsten unter den Entwicklungsländern bereitstellen. Außerdem fordert Christiane Overkamp von der Erlassjahrkampagne 2000, beim internationalen Schuldenerlass noch einmal nachzulegen.
"Eine der Wunschvorstellungen, die die Erlassjahrkampagne schon immer formuliert hat, ist eine Senkung der Tragfähigkeitsgrenze auf eine Schuldendienstquote - also Anteil des Schuldendienstes an den Exporterlösen - von 5 Prozent. Das ist damals der Bundesrepublik nach dem 2. Weltkrieg im Londoner Schuldenabkommen gewährt worden und wir meinen, dass das über den Daumen gepeilt auf jeden Fall der Tragfähigkeitsgrenze von LDCs näher kommt als die heute vorgesehenen 10 bis 15 Prozent."
Bis die LDCs die Früchte einer Exportmarktöffnung ernten können, werden noch Jahre vergehen. So ist absehbar, dass sie weiterhin in größerem Stil finanzieller und technischer Hilfe bedürfen, um ihre Wirtschaft zu reformieren, um Schulen und Gesundheitszentren einzurichten. Der lesothische Handelsminister Mpho Meli Malie über den Teufelskreis, in dem die meisten Länder feststecken:
"Um die sozialen Anliegen zu verwirklichen, brauchen Sie Geld. Um Geld einzunehmen, müssen Sie Steuern erheben. Aber die Grundlage für Steuereinnahmen ist eine gesunde wirtschaftliche Basis."
Und die fehlt den ärmsten Entwicklungsländern. UNCTAD-Experte Fischer warnt deshalb davor, allzu große Hoffnungen allein in die Wirksamkeit von Handelserleichterungen zu setzen. Bislang seien die Volkswirtschaften in den LDCs so schwach, dass diese Länder zum Beispiel kaum auf steigende Rohstoffpreise adäquat reagieren könnten.
Fischer begrüßt daher den Schwerpunkt, dem sich die bundesdeutsche Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul auf der Brüsseler UN-Konferenz widmen wird: Sie wirbt für eine Partnerschaft zwischen Privatwirtschaft und öffentlicher Entwicklungshilfe und möchte Investoren für die LDCs gewinnen. Der deutschen Entwicklungszusammenarbeit kommt dabei die Rolle zu, in den Ländern die richtigen Rahmenbedingungen für die Investoren herzustellen, dh. für Rechts- und Planungssicherheit zu sorgen. UNCTAD-Experte Günter Fischer:
"Wir sollten keine Illusionen haben und sagen: Privatkapital ist die Lösung. Aber ich glaube, die stärkere Einbeziehung von Privatkapital ist ein Beitrag zur Lösung, sowohl von ausländischem wie inländischem: Dass man lokales, modernes Unternehmertum fördert, dass man die Voraussetzungen schafft, dass lokale Unternehmer effektiv Unternehmensgründung betreiben können, dass sie Zugang zu Krediten, zu Informationen haben, dass Regierungen sie stimulieren, an Messen, an Märkten, an Informationsveranstaltungen teilzunehmen."
Bleibt die Frage, wieso es ausgerechnet dieser UN-Konferenz gelingen sollte, einen Maßnahmenkatalog zu verabschieden, der tatsächlich umgesetzt wird. Schließlich füllen die Lippenbekenntnisse vergangener Konferenzen zum Kampf gegen die Armut mittlerweile Aktenschränke. Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul ist optimistisch:
"Ich glaube, anders ist, dass die Leute spüren, dass die Globalisierung uns alle miteinander verknüpft, auch unser Schicksal mit dem eines Kontinents wie Afrika. Auch wir werden auf Dauer nicht in Frieden und Wohlstand leben, wenn anderen Ländern dieser Friede vorenthalten wird. Das heißt, da hat doch eine deutliche Umorientierung stattgefunden. Vor allen Dingen: Die internationalen Geber handeln ja mittlerweile mindestens ungefähr gleichgerichtet. Zur Zeiten des Ost-West-Konfliktes haben sie sich in der damaligen, sogenannten Dritten Welt bekriegt und gegeneinander in Stellung gebracht. Also die Chancen sind eigentlich besser. Und es kommt auch noch dazu: Wir spüren natürlich deutlich, - die Wachstumsprognosen bei der Weltbevölkerung gehen dahin - dass etwa bis zum Jahr 2015 die Weltbevölkerung von jetzt 6 Milliarden Menschen auf dann ungefähr 7 Milliarden Menschen anwächst und über 90 Prozent der Menschen, die dann geboren werden, werden in Entwicklungsländern geboren. Und wenn wir verhindern wollen, dass Kriege, Krisen, Auseinandersetzungen die Lebenschancen von Menschen dramatisch behindern, dann müssen wir heute handeln."
UN-Generalsekretär Kofi Annan hat an die internationale Gemeinschaft appelliert, in Brüssel einen "Global New Deal" zu schmieden, in Anspielung an Franklin D. Roosevelts Programm, mit dem der amerikanische Präsident die USA in den 30er Jahren aus Depression und Arbeitslosigkeit herausführte. UNCTAD-Experte Günter Fischer interpretiert den Appell seines obersten Dienstherren so:
"Im Prinzip versteckt sich hinter "Global New Deal" ein erneutes, ehrliches Bekenntnis der internationalen Gemeinschaft, diese Verantwortung gegenüber den Least Developed Countries ernst zu nehmen. Es geht dabei auch um ein humanes Leben für 10 Prozent der Bevölkerung dieser Erde. Es geht darum, an Ort und Stelle die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, dass Menschen in den Ländern, in denen sie geboren worden sind, letztendlich auch leben und glücklich werden können."