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Handel mit Schadstoffen

Emissionsrecht gegen Umwelt-Projekt: In Rumänien unterstützt ein dänisches Unternehmen den Umbau eines Heizkraftwerks, Dänemark bekommt dafür rumänische Verschmutzungsrechte. Das Kyoto-Protokoll, das diesem Handel zu Grunde liegt, sieht aber eigentlich eine Verringerung des Schadstoffaustoßes in allen Ländern vor.

Von Thomas Wagner |
    Von den Wänden des alten Kesselhauses blättert längst der Putz. Einige der Fensterscheiben sind zersprungen. Die Rohre, die die Wärme aus dem riesigen Kessel transportieren, sind zum Teil verrostet. Das Fernheizwerk der westrumänischen Stadt Resita müsste dringend saniert werden.

    "Bei diesem alten System verlieren wir alleine über das marode Leitungssystem bis zu 40 Prozent der erzeugten Fernwärme. Und dann haben wir noch ein Emissionsproblem: Wird der Kessel mit Methangas beheizt, dann können wir die EU-Schadstoffnormen gerade noch einhalten. Nutzen wir aber das billigere Schweröl, dann überschreiten wir diese Grenzwerte deutlich."

    Vasile Umbres ist Chefingenieur des städtischen Heizkraftwerkes in der 80.000 Einwohner-Stadt. Für ihn ist absehbar, dass er sich nicht mehr lange mit dem alten Kessel und den löchrigen Leitungen herumplagen muss. Ab 2007 soll alles besser werden - und sauberer.

    "Dieses Programm, das wir mit unseren dänischen Partnern angehen wollen, sieht den Einbau eines völlig neuen Kessels vor, der mit einem modernen Biomasse-Brenner beheizt wird. In Verbindung mit modernen Filtern wird der Schadstoff-Ausstoß dann praktisch bei Null liegen. Außerdem wird das Leitungsnetz komplett erneuert: Wir werden hier vorisolierte Rohre und ganz moderne Verteilerzentralen in den Stadtvierteln bekommen."

    Auf rund 20 Millionen Euro wird sich diese Investition belaufen - für eine rumänische Stadt wie Resita, wo in den vergangenen Jahren zahlreiche Großbetriebe geschlossen wurden, eine Summe, die sich eigentlich kaum finanzieren lässt. Dass die Stadtväter das Projekt dennoch angehen, hat einen simplen Grund: Einen Teil der Summe übernimmt der dänische Danfoss-Konzern.

    Rumänien muss dafür einen Teil seiner CO2-Emissionsrechte abgeben. Nach dem Kyoto-Protokoll darf Rumänien pro Jahr 200 Millionen Tonnen CO-2 in die Luft blasen. Tatsächlich entweichen aus den Schornsteinen der rumänischen Industrie aber nur 147 Millionen Tonnen pro Jahr. Dass dies so ist, hängt mit der typischen Entwicklung der Industrie in einem osteuropäischen Schwellenland zusammen. Olga Ghibus von der rumänischen Umweltbehörde im Kreis Caras-Severin:

    "Das hängt nicht nur damit zusammen, dass seit 1989, dem Jahr der Wende in Rumänien, zahlreiche Industrieanlagen geschlossen wurden und der Schadstoffausstoß so ganz automatisch zurückging. Aber viele dieser alten Anlagen wurden verkleinert; sie arbeiten nur noch in ganz geringem Umfang - und blasen weniger Schadstoffe in die Luft. Bei dem Kyoto-Protokoll hat man aber als Bezugsjahr das Jahr 1989 zugrunde gelegt. Und damals haben diese großen Anlagen noch in vollem Umfang gearbeitet."

    Und deshalb tut sich Rumänien leicht, seine ungenutzten Emissionsrechte ganz einfach abzugeben. Chera Ileana, bei der Stadtverwaltung Resita für die Beziehungen mit den EU-Institutionen zuständig:

    "Ich bin überzeugt davon, dass uns das einen großen Vorteil bringt. Schließlich muss sich Rumänien weiterentwickeln. Und der Verkauf der Emissionsrechte bietet dafür eine willkommene Finanzierungsbasis gerade für solche Umweltprojekte. Wenn wir dieses Möglichkeit nicht hätten, könnten wir hier das Heizkraftwerk nicht modernisieren und damit die Luftqualität und den Lebensstandard der Bevölkerung nicht verbessern."

    Trotzdem ist das Geschäft "Emissionsrechte gegen Umwelt-Investitionen" nicht unumstritten - vor allem vor dem Hintergrund, dass Resita als Pilotprojekt eine ganze Reihe von Folgeinvestitionen nach dem selben Schema folgen sollen: Die Dänen bekommen Emissionsrechte und bezahlen dafür in Cash, für Umweltprojekte. Einerseits verbessert sich damit der Zustand der Umwelt in Rumänien tatsächlich. Das ist ein klarer Vorteil.

    Andererseits führt diese Art des Tauschhandels aber zu der Entwicklung, das westeuropäische Länder immer mehr Emissionsrechte an sich binden. Das heißt: Der reiche Westen darf im Zuge dieses Prozesses immer mehr CO2 in die Luft blasen - auf Kosten des finanzschwachen Ostens. Für Ileana Chera, EU-Beauftragte in Resita, ist das aber kein schlagkräftiges Argument:

    "Das Kyoto-Prokoll schiebt einer solchen Entwicklung doch einen Riegel vor. Das steht nämlich drin, dass ein Land wie Rumänien nur in begrenztem Umfang seine Emissionsrechte verkaufen darf. Wir Rumänen liegen mit dem, was wir jetzt vorhaben, weit unter dem, was wir an Emissionsrechten laut Kyoto-Abkommen tatsächlich verkaufen können. Wir können also laut Kyoto noch einiges mehr abtreten."

    Emissionsrechte aus dem Osten, die im Westen, in diesem Fall in Dänemark, zu einem erhöhten Schadstoffausstoß der Industrie führen. Immerhin darf Rumänien nur in dem Umfang Emissionsrechte abgeben, in dem der westliche Partner durch das zu finanzierende Projekt zu einer Verminderung des Schadstoffausstoßes beiträgt. Das heißt: Im aktuellen Fall dürfen die Emissionsrechte, die an Dänemark übergehen, nicht die Menge der Schadstoffeinsparung durch die neue Fernheizanlage in Resita übersteigen.

    Oder noch vereinfacher ausgedrückt: Durch Geschäfte wie dem dänisch-rumänischen Emissionsdeal rauchen die Schornsteine im Osten ein wenig weniger und im Westen, gesundes Wirtschaftswachstum vorausgesetzt, ein wenig mehr. Fraglich bleibt, ob das mit dem Geist von Kyoto vereinbar ist. Das Abkommen sieht nämlich eine nachhaltige Verringerung des Schadstoffausstoßes grundsätzlich in allen Ländern vor.