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Handke lehnt Heinrich-Heine-Preis ab

In einem Brief an den Oberbürgermeister der Stadt Düsseldorf, Joachim Erwin, lehnte der Dramatiker Peter Handke den Heinrich-Heine-Preis ab. Er wolle seine Person und sein Werk nicht den Pöbeleien von Parteipolitikern aussetzen. Der Literaturkritiker Hubert Winkels bewertet diese Entscheidung des Schriftstellers als eine souveräne Geste, die dem unwürdigen Gezerre über Verleihung und nicht Verleihung ein Ende gesetzt hat.

    Michel Köhler: Der österreichische Schriftsteller Peter Handke kommt dem Ende zuvor und lehnt heute den Heine-Preis der Stadt Düsseldorf ab. Die Verleihung war umstritten, weil Handke mehrmals öffentlich für den früheren serbischen Diktator Slobodan Milosevic und dessen Politik Partei ergriffen hatte. Wir haben ausführlich berichtet.

    Also sofort nach Bekanntgabe der Absicht, den renommierten Persönlichkeitspreis an den umstrittenen Dichter zu vergeben, wurde politischer Protest laut. Die Empfehlung der Jury, der sich nicht alle Mitglieder anschlossen, sollte erstmals unter öffentlichem Druck in der Sitzung des Rates der Stadt am 22. Juni, nicht wie bisher abgenickt werden, die Ratsfraktionen hatten sich Ende Mai darauf verständigt. Frage an Hubert Winkels, Literaturredakteur im Büchermarkt des Deutschlandfunk: Das war der letzte Stand?

    Hubert Winkels: Ja es ging dann noch weiter, nachdem der Kulturausschuss getagt hatte wurde deutlich, dass die Reihen in den Fraktionen des Düsseldorfer Stadtrates sich wieder etwas lichten, die gegen diese Verleihung sind. Man kam eher zu dem Schluss in dieser entscheidenden Sitzung der vorigen Woche Freitag, dass man diese Chance eher nutzen sollte, um einen Diskussionsprozess in Gang zu setzen über Serbien, über Poesie, über Journalismus, über Handke. Also man hat irgendwie die optimistische Idee, man könne einen Diskussionsprozess in Gang setzen, der der ganzen Sache insgesamt sogar wirklich gut täte. Also nicht nur eine Scharte auswetzen würde, sondern die ganze wirklich ins Positive wenden würde, was ich, muss ich zugeben, für eine Schnapsidee gehalten habe, es hätte einfach nur diesen unsäglichen Prozess weiterhin verlängert. Aber so sah es aus, und der Kulturausschuss hatte sich schon vorgenommen zu verhindern, dass am 22. Juni diese Entscheidung im Rat stattfinden konnte, und das hätte er geschafft, er hätte es nicht auf die Tagesordnung setzen lassen können.

    Insofern waren wir schon fast wieder in einer neuen Drehung der Sache, nämlich Handke bekommt ihn möglicherweise doch. Und ich weiß gar nicht, was man für einen Komperativ benutzen soll, nach all dem unsäglich und kurios und bizarr, noch bizarrer, also es zeichnete sich eine Peinlichkeit ohne Ende ab. Das war eigentlich der neueste Stand der Dinge, wobei ich jetzt wirklich sagen muss: Es ist wohltuend und gut, dass Handke quasi in einer Phase, wo er noch als derjenige gilt, dem der Preis zugesprochen wird, von sich aus sagt, er nimmt diesen Preis nicht an. Das ist eine souveräne Geste, die gerade noch rechtzeitig kommt und diesem gesamten unwürdig werdenden Spiel ein Ende setzt. Von daher wirklich begrüßenswert.

    Köhler: Wir können vom Dichter heute einen Brief an den "lieben Oberbürgermeister" der Stadt Düsseldorf lesen. "Er sei nochmals bedankt, lieber Joachim Erwin" schreibt Peter Handke "für Ihre Aufgeschlossenheit, für Ihr Tun, die sie sich für Ihr Tun und Lassen bewahren mögen", empfiehlt er ganz väterlich, herzlich, "Ihr Peter Handke" schließt der Brief. Und mitten drin heißt es, er möchte sich und dem Werk und seiner Person weitere Pöbeleien ersparen. Das ist doch so zu sagen kurz vorm bitteren Ende noch einmal ein Angriff.

    Winkels: Ja, aber ich finde, der ist unter all dem, was Handke über Journalisten und Vertreter der öffentlichen Meinung schon geäußert hat, harmlos. Und man kann ja auch tatsächlich diese undifferenzierten Großsubstantive, wie dem serbischen Schlächter, ja dem Barden Großserbiens und was alles da aufgetaucht ist, man kann ihm ja Recht geben, das ist ja denn schon auf der Ebene von Pöbelei. Aber das ist dann, glaube ich, in solchen Tumulten, die dann öffentlich entstehen, irgendwann unvermeidlich, dass die Dinge quasi immer schablonenhafter, auch dann immer gemeiner werden. Es ist nicht gut, es ist dadurch nicht gerechtfertigt, aber man darf dann da ruhig auch von Pöbeleien reden. Damit darf nur nicht der Stadtrat gemeint sein, denn man muss daran erinnern, das sind demokratische Institutionen, die operieren so zu sagen formal völlig korrekt. Der Stadtrat vergibt den Preis und nicht die Jury. Also kann der Stadtrat sagen, ein Persönlichkeitspreis für Menschenrechte und Völkerverständigung an Peter Handke ist nicht im Sinne unseres Preises. Und er hat das gute Recht dazu, und dann zu sagen, was seine Gründe sind, das nicht zu wollen, das sind keine Pöbeleien, also das sollte, nehme ich auch an, nicht gemeint sein.

    Köhler: Mich interessiert zum Abschluss noch ihr Urteil als Literaturkritiker. Ist das das Ende einer Episode oder Beginn einer Diskussion über die Verwechselung von Autor und Werk?

    Winkels: Naja, es gibt jetzt ganz viele Diskussionen, die hierbei angestoßen worden sind, bis hin zu der Bemerkung von Marlene Streeruwitz:" Dies ist das Ende der Aufklärung." Ich finde die interessanteste Wendung, die dieses Ganze begann zu nehmen, vielleicht weiter nehmen wird, noch nicht mal die, sich erneut zu fragen, wie war eigentlich die Rolle Milosevic in den jugoslawischen Sezessionskriegen, die Rolle der Deutschen, was ist falsch gelaufen, was haben wir falsch verstanden. All das kann auch gefragt werden und das wäre nicht das schlechteste, was Handke erreicht hätte.

    Ich finde einen viel interessanteren Gedanken, der, dass immer mehr Stimmen laut werden, die sagen: die große Dichtung, der große Geist, lebt in Sphären in einer Form der Begegnung mit dem Abgrund unserer Existenz, die Krieg und Krankheit und extreme Herausforderungen sich stellt, ohne Rückrat, ohne Schutz bei der öffentlichen, allgemeinen Meinung, ein Einzelner, der Weite des Universums entgegen stehend. Da kann man sich auch mal irren. Ja, politisch oder der Irrtum ist die notwendige Ingredienz für Größe. Solche Töne tauchen wieder auf, im Zusammenhang eben mit Heidegger und Esra Pound und Celine und was alles bemüht wird gerade. Und diese Diskussion gibt es, so zu sagen, diesen großen, einzelnen, genialischen Künstler, der mit den Sternen im Bunde ist und dem man nicht mit den kleinen Menschenrechtsinterventionen von politisch korrekten Spätgrünen kommen sollte, diese Entwicklung, die fand ich eigentlich ganz interessant. Ich finde, da hätte noch was draus werden können an ernsthaftem Gesprächsstoff über ein Thema, dass uns auch wirklich betrifft und nicht diese halbpolitisch-moralischen Scheingefechte, die auch geführt werden.

    Köhler: Gucken, was noch kommt. Peter Handke lehnt den Heinepreis der Stadt Düsseldorf jedenfalls heute ab. Hubert Winkels war das, Literaturredakteur im Büchermarkt des Deutschlandfunk.