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Handwerk
Deutsche Schreiner in den USA sehr gefragt

Deutsche Schreiner können in den USA vor allem mit ihrer soliden Ausbildung punkten. Doch wer sich dort beruflich etablieren will, muss sich in einigen Punkten umstellen, etwa bezüglich der Ästhetik. Was in Deutschland als völlig hässlich gilt, kann in den USA der Renner sein.

Von Gerd Michalek | 22.11.2016
    Säge, Hammer, Nägel: Werkzeuge für die Holzbearbeitung
    In den USA werden Schreiner oft nur angelernt, statt eine solide Ausbildung zu bekommen. (picture alliance / dpa / CandyBox / J.M. Guyon)
    Schreinergeselle Thomas Loos wanderte 1996, gerade 30 Jahre alt, an die Westküste nahe San Francisco aus. Soeben Familienvater geworden, war er dringend auf ein festes Einkommen angewiesen. In einem Kleinbetrieb verdiente er wöchentlich passable 800 Dollar. Er freundete sich mit dem Chef an und bekam viel Unternehmerisches mit.
    "Wir haben uns öfter zum Bier getroffen und über amerikanische Geschäftsmodelle diskutiert. Und mit denen verglichen, die ich kannte."
    Solide Deutsche Ausbildung kommt an
    Wegen der soliden Ausbildung genießen deutsche Handwerker wie Thomas Loos einen Bonus gegenüber zu den oft nur angelernten Kräften auf dem US-amerikanischen Markt. Der deutsche Akzent sei bereits ein Türöffner. Doch wer in die Selbstständigkeit drängt, der muss sich gehörig umstellen, sagt Bernd Krey, Außenwirtschaftsexperte der Handwerkskammer Köln:
    "Wir haben eine ganz intensive Netzwerktätigkeit in den USA. Es kommt drauf an, dass man schnell in Kreise kommt, mit denen man Geschäfte tätigen kann. Die Geschäfte werden schneller abgeschlossen, es wird weniger Vertragsarbeit drumherum geleistet. Auf der anderen Seite erfordert das eine sehr hohe Zuverlässigkeit der Unternehmen. Wenn man das nicht ist, ist man sozusagen 'tot' in diesem Markt, weil sich das herumspricht in den Netzwerken."
    Sprung in die Selbstständigkeit
    Thomas Loos ist dieser Sprung gelungen. Zufällig fand er eine günstige Werkstatt, um zunächst Möbel für den Bekanntenkreis zu bauen. Die waren beeindruckt, und das sprach sich herum. Außerdem verfügt Thomas Loos als Musiker über ein zweites wirtschaftliches Standbein. Auch deshalb ist sein Netzwerk nicht gerade klein. Und er lebt im Speckgürtel von San Francisco.
    "Viele Leute aus San Francisco, wo Wohnungen und Immobilien die teuersten der Welt sind, kaufen sich Häuser, die viel billiger sind im Vergleich, in meiner Gegend, und die renovieren dann, die schmeißen alles raus, was in dem Haus drin ist und machen alles neu. Ich würde sagen, die Durchschnittsküche, die ich baue kostet 30.000 bis 35.000 Dollar."
    Andere Vorstellungen von Ästhetik
    Um dauerhaft Erfolg auf dem US-Markt zu haben, müssen deutsche Schreiner jedoch von eigenen Vorlieben abstrahieren können, sagt Außenwirtschaftsexperte Bernd Krey:
    "Was die Ästhetik angeht, was die Verwendung von Oberflächen für Möbel angeht, muss man sich sehr flexibel zeigen, und das, was man vielleicht in Deutschland als völlig hässlich ansieht, kann der Renner sein in den USA."
    Der Kölner Schreinergeselle Boris Reininghaus machte ebenfalls den Sprung in die USA. Er landete als Angestellter in einem größeren Betrieb für Ladenbau - geografisch entgegengesetzt zu Thomas Loos: im Bundesstaat Maine im Nordosten. Er war Single und wollte das Arbeitsleben in Kombination mit technischem College nur für ein Jahr testen.
    "Da bin ich über ein Programm gestolpert, was ein stipendiertes Programm vom amerikanischen Kongress und vom deutschen Bundestag ist, nennt sich 'Parlamentarisches Patenschaftsprogramm für junge Berufstätige'. Und ich habe mich dort beworben und bin auch genommen worden als einer von Hunderten, die dann rüber geschickt wurden."
    Anderer Umgang mit Mitarbeitern
    Für Boris Reininghaus zunächst gewöhnungsbedürftig: die Sprachbarriere und das andere Maßsystem mit Zoll und Fuß. Und auch der Umgang mit den Mitarbeitern im Betrieb läuft in den USA oft etwas anders.
    "Wenn weniger Arbeit im Betrieb da ist, dann ist da kein Problem am Freitag zu sagen "du brauchst am Montag nicht mehr zu kommen."
    Dennoch kam er mit viel Elan nach einem Jahr nach Köln zurück. Er hatte nun den Mut, sich selbstständig zu machen. Das Austauschprogramm möchte er nicht missen.
    "Es war in der Retrospektive ein Superschritt und auch die richtige Entscheidung, das als Sprungbrett zu benutzen, um in den USA was zu erleben."