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Handy-Dienstleister KOMSA
Ein Schwede in Sachsen

In einem alten Bauernhof bei Chemnitz gründete der gebürtige Schwede Gunnar Grosse 1992 einen Vertrieb für Mobiltelefone. Er begann mit einer Handvoll Mitarbeitern, heute beschäftigt die KOMSA-Gruppe fast 2.000 Menschen. Eines der Geschäftsfelder: die Reparatur defekter Smartphones.

Von Johannes Schiller | 16.02.2018
    Das Hochregallager der Komsa Kommunikation Sachsen AG in Hartmannsdorf (Sachsen)
    Das Logistikzentrum von Komsa in Hartmannsdorf (picture alliance / Sebastian Willnow/dpa-Zentralbild/ZB)
    "Test, 1, 2, 3, 4, Test. Aufnahme-Handy: Test, 1, 2, 3, 4, Test."
    Mikrofon-Test bei einem Smartphone: Rund eine Million Geräte werden bei KOMSA im sächsischen Hartmannsdorf jedes Jahr repariert. Die Werkbänke stehen dicht an dicht in einem der größten Reparaturzentren Europas.
    Techniker Ronny Riedel schiebt sein Hebelwerkzeug aus Plastik in die Hülle eines chinesischen Smartphones.
    "Und dann fahre ich hier in die Seite rein. Und dann hört man auch, diese Nasen, die sich bei dem Gerät hier öffnen."
    Aber KOMSA repariert nicht nur Handys. Das Unternehmen verschickt Mobiltelefone und Zubehör im Auftrag von Herstellern und Händlern an Endkunden. Einige Gerätehersteller lassen von KOMSA deutsche Handbücher schreiben. Für andere kümmern sich die Sachsen ums Marketing. Ein Rundum-Dienstleister für mobile Kommunikation. So versteht sich die KOMSA-Gruppe mit ihren 1.800 Beschäftigten und 1,2 Milliarden Euro Jahresumsatz.
    Am Anfang war der Bauernhof
    KOMSA-Vorstand Sven Mohaupt sitzt im Mitarbeitercafé, dessen skandinavisches Design fast an hippe Szene-Läden in Berlin erinnert. Mohaupt packt einen schwarzen Aktenkoffer aus den 1990er-Jahren auf den Tisch.
    "Ein Faxkoffer. Hier sehen wir also ein mobiles Faxgerät. Da steckt man sein Telefon rein und kann faxen."

    Vor gar nicht so langer Zeit ein wichtiger Begleiter – für Feuerwehren oder Bundesminister. Zwar gab es schon vorher alle Teile einzeln zu kaufen, doch erst KOMSA baute aus ihnen eine alltagstaugliche Lösung. So versteht Mohaupt sein Unternehmen. Ein Brückenbauer zwischen Herstellern und Endkunden.
    Dann steht der Manager auf, geht zur Glasfront und blickt auf einen Bauernhof. 500 Meter entfernt, im Kern des 4.400-Seelen-Ortes Hartmannsdorf. Dieser Hof bildete in den 1990er-Jahren so etwas wie die Keimzelle von KOMSA.
    "In dem ehemaligen Pferdestall wurde die Handy-Reparatur untergebracht. Und in den Scheunen haben wir versucht, Logistik einzubauen. Aber das Wachstum war zu schnell. Die Scheunen aus dem 18. Jahrhundert konnten nicht schnell genug mitwachsen."
    Spätestens wenn es um den Bauernhof geht, landet man bei dem Mann, der wie kein anderer für KOMSA steht: Firmengründer Gunnar Grosse.
    Auf der CeBIT 1997 stellt KOMSA seinen mobilen Faxkoffer vor. Damit lassen sich Faxe auch unterwegs empfangen und versenden
    Auf der CeBIT 1997 stellt KOMSA seinen mobilen Faxkoffer vor. Damit lassen sich Faxe auch unterwegs empfangen und versenden (KOMSA )
    Praktikanten und Chefs duzen sich
    Er hatte in Schweden bereits eine Karriere als Manager und Unternehmensberater hingelegt. Doch direkt nach dem Mauerfall zog es Grosse - mit damals knapp über 50 - nach Sachsen. Ins Land seiner Vorfahren.
    "Als ich im Januar 1990 hierher kam, da war ich der erste Ausländer, der sich angemeldet hat. Und die Frauen auf der Behörde auf der Hartmannstraße in Karl-Marx-Stadt, die haben gedacht, der hat was in Schweden ausgefressen."
    Mit seiner Kommunikation Sachsen AG – der KOMSA – fängt Grosse als Unternehmer 1992 mit drei Co-Gründern praktisch nochmal von vorne an. Mit gerade mal einer Handvoll Mitarbeitern. Seit diesen Tagen verlief die technische Entwicklung rasant, sagt der heute 78 Jahre alte Grosse.
    "Die Digitalisierung, von der alle jetzt sprechen, die kommt jetzt erst. Und der Anfang war mit der mobilen, digitalen Telekommunikation, mit der wir 1992 angefangen haben. Auf den Zug sind wir raufgegangen und haben uns entwickelt. Und das war eine fantastische Reise."
    Erst vergangenes Jahr zog sich Grosse aus dem Tagesgeschäft zurück. Doch sein schwedischer Einfluss hat KOMSA geprägt. Früher feierten sie Mittsommerfeste. Bis heute duzen sich selbst Praktikanten und Chefs. Und dann gibt es da noch diesen Ort namens Weltenbaum.
    Die schwedische Sage schenkt der Betriebs-Kita mit 70 Plätzen ihren Namen. Gebaut und finanziert von KOMSA, geöffnet von 7 Uhr morgens bis 18 Uhr am Abend. Nicht nur, aber vor allem für Kinder der Mitarbeiter.
    Kritik von der Gewerkschaft am Schweden-Idyll
    Antje Heilmann hat eben Arthur und Aurelia gebracht. Noch nimmt sie Elternzeit, doch schon bald kehrt sie zurück in die Personalabteilung.
    "Ich glaube, ein großer Vorteil ist, dass die Kollegen uns kennen. Wenn wirklich Not am Mann ist und wir müssen länger arbeiten, dann sind sie auch für die Kinder da."
    Die Kita ist auch ein gutes Argument, wenn es darum geht neue Mitarbeiter zu gewinnen. Zurzeit hat KOMSA 50 Stellen ausgeschrieben.
    Ein perfektes Schweden-Idyll am Rande des sächsischen Erzgebirges? Nicht ganz. Verdi-Gewerkschaftssekretär Enrico Zemke kritisiert, dass bislang nur einige der KOMSA-Töchter über einen Betriebsrat verfügen. Nicht aber der gesamte Konzern. Doch Zemke kennt auch die Geschichte des Unternehmens.
    "In Nachwendezeiten sind ja viele IT-Firmen oder Kommunikationsfirmen aus der Garage entstanden. Mit einer hervorragenden Unternehmenskultur, alle zogen an einem Strang. Familiäre Atmosphäre, man duzt sich. In solch einer Atmosphäre ist es natürlich nicht üblich, dass man sofort am ersten Tag einen Betriebsrat gründet."
    Schon seit vielen Jahren setzt KOMSA auf sogenannte Team-Coaches. Sie übernehmen einige Funktionen eines Betriebsrats, verfügen aber nicht über dessen volle Rechte. Es geht vor allem darum, Mitarbeitern ein offenes Ohr zu schenken und Konflikte zu schlichten, erklärt Kati Mehner, selbst Team-Coach bei KOMSA.
    "Dann gehen wir rein als Moderator, als Coach, bringen die Menschen zusammen an einen Tisch, vermitteln. Und stärken die Mitarbeiter, ihre Themen zu lösen."
    Das müssen die Mitarbeiter schon selber erledigen. Denn ein Leitmotto bei KOMSA heißt: Jeder im Unternehmen trägt Verantwortung.