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Handys: Ungesund oder nicht?

Medizin. - Der Streit um den Ausbau der Mobilfunktechnik wird erbittert geführt. Ein Handy benutzen die meisten Menschen gerne - aber kaum jemand will eine der Antennen in seiner Nähe haben, die für das Handynetz nötig sind. Und schon gar nicht, wenn die scheinbar direkt vom Dach des Nachbarn ins eigene Schlafzimmer strahlt. Doch ist der Mobilfunk wirklich so ungesund wie befürchtet? Die Deutsche Umwelthilfe will im Streit vermitteln. Die Organisation hat am Dienstag Kritiker und Netz-Betreiber zum Expertengespräch nach Bremen geladen.

    Von Folkert Lenz

    Strahlencheck auf dem Dach eines Hauses mitten in der Bremer City. Neun GSM-Sender für herkömmliche Handys sind hier aufgepflanzt. Auch drei UMTS-Antennen für die flotte, mobile Datenübertragung der Zukunft werden hier zur Probe betrieben. Im pfeifenden Wind hat der Messtechniker Ulrich Pölking seine Instrumente aufgebaut: Zwölf Meter unterhalb des Antennenwaldes. Die hoch empfindliche Anlage kann elektromagnetische Strahlung aufspüren - in fast allen Frequenzbereichen. Die Anzeige schlägt immer wieder aus, das Gerät misst unregelmäßige Spitzen. Doch sind die Handysender schuld?

    Das sind jetzt die TV-Sender, die hier gestrahlt werden. Also man sieht den Bildträger, den Tonträger und jetzt werde ich mal einen Marker drauf machen und dann den Maximalwert Ihnen zeigen...

    1,1 Volt pro Meter, sagt die Anzeige. Der erlaubte Grenzwert für die Intensität wäre 42 Volt pro Meter - also vierzig Mal so viel. Dabei hat Pölking alles gemessen was an hochfrequenter Strahlung in der Luft ist - einschließlich Radio, Fernsehen, Polizeifunk.

    Die Mobilfunksender sind nur für einen Bruchteil der Strahlung verantwortlich, bestätigt eine weitere Messung. Das GSM- und UMTS-Spektrum macht sich mit 0,5 Millivolt pro Meter bemerkbar - ein 8000-stel dessen, was in Deutschland als Immissionswert erlaubt ist. Genau das wollte der Netzbetreiber gerne demonstrieren. Aber auch der kritische Physiker Christian Küppers ist mit aufs Dach gestiegen.

    Die Messwerte, die da gezeigt wurden, das ist durchaus repräsentativ. Und man findet es an anderen Standorten genau so. Also auch diesen Mix von verschiedenen Frequenzen.

    Christian Küppers vom Öko-Institut aus Darmstadt ist auch Mitglied der Strahlenschutzkommission des Bundes. Die hatte schon vor anderthalb Jahren die allgemeine Empfehlung heraus gegeben, dass Handys und Mobilfunksender die Umwelt künftig mit weniger Elektromagnetismus verschmutzen sollen. Eine Veranlassung, die Grenzwerte für Belastungen zu senken, sah die Kommission nicht.

    Bürgerinitiativen laufen im gesamten Bundesgebiet Sturm dagegen, dass die Antennenwälder durch den Ausbau des UMTS-Netzes jetzt noch dichter werden. Sie befürchten Gesundheitsschäden. Die Netzbetreiber dagegen wollen die Strahlenbelastung senken, indem sie mehr Antennen aufpflanzen. Kein Widerspruch für den Physiker Küppers:

    Viele kleine Anlagen statt einer großen: Das ist für die mittlere Belastung in einer Fläche günstiger. Das ist auch günstiger für Personen, die telefonieren in diesem Gebiet, zumindest im Mittel. Es kann aber ungünstiger sein für eine Person, die an einer sonst nicht vorhandenen Antennenanlage sich aufhält.

    Das künftige Konzept der Mobil-Provider von UMTS heißt: Weniger Strahlen durch mehr Antennen. Für bis zu 60.000 Sendeanlagen müssen womöglich in den kommenden Jahren in Deutschland Standorte gefunden werden. In größeren Städten hieße das: Alle 1200 bis 1500 Meter strahlt eine Mobilfunkanlage von Türmen, Dächern, Masten - genau das ist vielen besorgten Bürgern ein Dorn im Auge. Philipp Wertz vom Institut für Hochfrequenztechnik der Uni Stuttgart simuliert seit Jahren mit dem Computer die Strahlenbelastungen durch Mobilfunk. Auch er rät, lieber ein enges, dafür leistungsschwächeres Netz aufzubauen:

    Wenn man im Prinzip eine Basisstation hat, die eben einen exponierten Standort hat oder mit sehr großer Sendeleistung arbeiten muss, um ein entsprechendes Gebiet zu versorgen, dann hat man zumindest in der Nähe dieser Basisstation auf jeden Fall eine höhere Belastung als man eben durch die anderen, mehrere Basisstationen hat. Und zum anderen sinkt die mittlere Belastung über die versorgte Fläche, wenn man mehr Basisstationen benutzt.

    Auch aus technischen Gründen ist ein engmaschiges Netz nötig. Nur so können nämlich die versprochenen hohen Übertragungsraten im DSL-Tempo auch mobil garantiert werden. Mit bis zu zehn Prozent mehr Elektrosmog rechnen die Fachleute, wenn bald der neue UMTS-Mobilfunk startet. Bei T-Mobile glaubt man nicht daran, dass dadurch die Gesundheit gefährdet wird. Ulrich Stäß:

    Ich denke, das wird sich nicht verschärfen. Es wird ja auch GSM später wieder weniger genutzt, bzw. auch abgebaut werden im Laufe der Zeit. Das wird sich also ausgleichen.

    Der Physiker Christian Küppers sieht das etwas anders. Er warnt vor der steigenden Zahl verschiedenster elektromagnetischer Felder.

    Es kommen natürlich immer weitere Anwendungen hinzu. Und letztendlich besteht auch durchaus begründete Besorgnis, dass immer mehr Felder auf einzelne Personen einwirken. Und wenn so viele verschiedene Sender an einem Standort sich befinden oder auch von ferner weg dort einwirken. Dass die Summe dann an einen Grenzwert heran kommen kann.

    Dass Handy-Strahlen krank machen, das will Küppers aber in dieser Einfachheit nicht unterschreiben. Zwar gebe es Hinweise darauf, dass menschliche Zellen durch sie beeinflusst werden. Wissenschaftliche Nachweise für Schäden existierten allerdings noch nicht.