Dass dieser Tod einer Politikergattin, die ihr Leben im doppelten Sinne "im Schatten" verbringen musste, doch nur einen Moment lang weh tut, liegt am altbekannten Verfahren Kresniks, aus seinen zeitgenössischen und angeblich politischen Themen episodenhaft schönes - und oft überdeutlich plattes - Bildertheater zu machen. Was Librettistin Uschi Otten den verklärenden Hannelore-Biographien entgegen setzt - etwa die Vorgeschichte, von der vergötterten Nazitochter über Krieg, Vertreibung, Vergewaltigung bis zum Neuanfang mit Kaugummi und Boogie-Woogie - ist weniger der Blick hinter die Fassade als ein buntes, einigermaßen allgemeingültiges Geschichtskaleidoskop. Pustefix-Blasen als Friedensboten, die Trillerpfeife als Erziehungs-Instrument für die Söhne - das ist Symbolik mit Kresnik-Holzhammer, echt zu schön, um wahr zu sein. Man kann es womöglich lustig finden, wenn neun Hannelore Kohl-Grazien in bonbonfarbenen Kostüm sich am Küchentisch die blondierten Perückenhaare raufen und "Ooooh wann kommst du?" trällern; man kann aber auch entsetzt sein über so viel inszenatorische Naivität, die der Familie Kohl und einem letztendlich tragischen Frauenschicksal mit Ironie beizukommen versucht.
Mit dem Auftritt Ulrike Meinhofs wird die Geschichte ins Surreale gewendet, und letztlich auch gerettet. Die coole Terroristin als Möglichkeitsform einer ganz anderen Karriere ist zwar nur ein Spuk, den man im Flügel einsperren und erschießen kann. Aber in der Begegnung ist Empathie zu spüren, wie später auch, im anderen Bild voll surrealer Komik, wenn sich die Großmächte USA und Russland zum allerletzten Mal um die DDR streiten, die nackt und blutleer als "schöne Leich" unterm Blumenbouquet liegt. Danach kommt noch eine schräge Textcollage zur Spendenaffäre, eine rote Juliane Köhler als Sexmaschine im Business-Outfit und ein letzter Flirt Hannelores mit dem Bundesadler, bevor die vielfachen First Ladies im Festtags-Kostüm die Perücken für ihren letzten Gang anlegen. Die rasante Flucht aus dem Leben im Elektronikgewitter über ein Meer von Glassplittern beendet beeindruckend - nicht die "ganz andere Geschichte" der Frau Kohl, sondern ein Hannelore-Märchen. Schöner Polit-Kitsch ist das. Der gerade richtig zu Weihnachten nach Bonn kommt. Auch wenn Glühwein immer noch besser wärmt.