Montag, 29. April 2024

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Hans Koschnick ist tot
"Leidenschaftlicher Kämpfer für die Demokratie"

Er setzte sich sich für die Aussöhnung Deutschlands mit Polen und Israel ein, später arbeitete er als Vermittler in der vom Krieg zerstörten Stadt Mostar in Bosnien-Herzegowina: der SPD-Politiker Hans Koschnick. Nur wenige Wochen nach seinem 87. Geburtstag starb der langjährige Bremer Bürgermeister am Donnerstag in den frühen Morgenstunden.

21.04.2016
    Bremens früherer Bürgermeister Hans Koschnick (SPD) ist tot.
    Bremens früherer Bürgermeister Hans Koschnick (SPD) ist tot. (dpa / picture-alliance / Ingo Wagner)
    Bundespräsident Joachim Gauck hat den gestorbenen Bremer Alt-Bürgermeister Hans Koschnick als "leidenschaftlichen Kämpfer für die Demokratie" gewürdigt. Koschnick habe sich als überzeugter Sozialdemokrat ebenso für soziale Gerechtigkeit wie für die Verständigung der Völker eingesetzt, so der Bundespräsident in seinem Kondolenzschreiben an Koschnicks Ehefrau.
    "Wir trauern um einen großen Bremer. Mit Hans Koschnick verlieren wir einen herausragenden Politiker, einen von allen geschätzten, hoch geachteten und überzeugten Demokraten", würdigte Bürgermeister Carsten Sieling den verstorbenen Ehrenbürger der Stadt in einer Mitteilung. "Hans Koschnick hat mit seiner Persönlichkeit, seiner Volksverbundenheit und seinem unerschütterlichen Glauben an die Versöhnung und Verständigung zwischen den Völkern unauslöschliche Spuren hinterlassen."
    Einsatz für Aussöhnung
    Der Sohn eines von den Nationalsozialisten inhaftierten Gewerkschaftssekretärs trat schon 1950 in die SPD ein. Mit 34 Jahren wurde er jüngster Innenminister, später jüngster Regierungschef eines Bundeslandes.
    Wie ein Vermächtnis prägten Worte des Vaters den 15-jährigen Sohn, die Koschnick später oft zitierte: "Sucht das Gemeinsame und nicht das Trennende. Es gibt mehr, die für Freiheit und Solidarität sind, als man gemeinhin glaubt. Und dann sind die kleinen Unterschiede in der Sache nicht mehr so wichtig."
    Koschnik setzte sich für die Aussöhnung mit Polen und Israel ein. In seiner Amtszeit als Bremer Bürgermeister zwischen 1967 und 1985 begründete er nach dem Kniefall von Bundeskanzler Willy Brandt in Warschau 1976 die erste deutsch-polnische Städtepartnerschaft zwischen Bremen und Gdansk (Danzig). Gleichzeitig wurde eine solche Partnerschaft mit Haifa in Israel initiiert.
    Wiederaufbau auf dem Balkan
    Seine Eigenschaften als Brückenbauer sollte er auch in der 90er-Jahren einsetzen, nachdem Jugoslawien durch mehrere Kriege auf dem Balkan auseinandergebrochen war. Im Juli 1994 ging er für 20 Monate als EU-Administrator in die zerstörte Stadt Mostar. Dort setzte er sich für die Aussöhnung der geteilten Stadt ein. Auch ein Anschlag und ein Überfall brachten ihn nicht von diesem Ziel ab.
    Der Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt, der Bundestagsabgeordnete Michael Roth (SPD), schrieb auf Twitter: "Mit Hans Koschnick ist ein prägender Sozialdemokrat & großer Europäer gestorben. Global denken und lokal handeln war seine Devise."
    Über sich selbst sagte Koschnick: "Ich bin von frühester Kindheit in meiner Erlebniswelt und meinem Bewusstsein dadurch geprägt, dass eine gleichberechtigte, lebenswerte Existenz auf dieser Erde es verbietet, weiter hinzunehmen: eine Ordnung, in der Obrigkeit und Untertan, reich und arm, oben und unten, schrankenlose Freiheit und totale Abhängigkeiten den Alltag des Menschen bestimmen und der einzelne nicht mit aufrechtem Gang für eine gerechte Sache eintreten kann."
    (nch/dk)