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Hans Leyendecker, Michael Stiller und Heribert Prantl: Helmut Kohl, die Macht und das Geld

Auf welche entschwundene politische Kultur sollten wir uns denn auch besinnen? Liest man das Buch von Hans Leyendecker, Michael Stiller und Heribert Prantl: Helmut Kohl, die Macht und das Geld, entsteht vielmehr der Verdacht, dass Helmut Kohl bloß der hochbegabte Zögling eines Demokratieverständnisses ist, das seit Konrad Adenauers Zeiten in der CDU fest etabliert ist. Die drei Autoren - allesamt Redakteure der Süddeutschen Zeitung - haben sich die Arbeit an diesem dicken Band aufgeteilt. Hans Leyendecker beschreibt die politische Sozialisation Helmut Kohls und findet heraus, dass die politische Geschichte des Altkanzlers in engem Zusammenhang mit über 50 Jahren Parteigeschichte steht. Als 16jähriger trat Kohl 1946 der CDU bei. Leyendecker zeigt, wie Kohls geistig-moralische Verfassung seinen raschen Aufstieg in der Partei begünstigte und wie er Adenauers Lehren später als Parteivorsitzender und Kanzler modernisierte. Dabei ist nicht alles neu, was Hans Leyendecker über die Zusammenhänge von Macht und Geld in der CDU vorträgt, aber kaum ist ein System bisher so systematisch beschrieben worden wie hier.

Walter van Rossum |
    Auf welche entschwundene politische Kultur sollten wir uns denn auch besinnen? Liest man das Buch von Hans Leyendecker, Michael Stiller und Heribert Prantl: Helmut Kohl, die Macht und das Geld, entsteht vielmehr der Verdacht, dass Helmut Kohl bloß der hochbegabte Zögling eines Demokratieverständnisses ist, das seit Konrad Adenauers Zeiten in der CDU fest etabliert ist. Die drei Autoren - allesamt Redakteure der Süddeutschen Zeitung - haben sich die Arbeit an diesem dicken Band aufgeteilt. Hans Leyendecker beschreibt die politische Sozialisation Helmut Kohls und findet heraus, dass die politische Geschichte des Altkanzlers in engem Zusammenhang mit über 50 Jahren Parteigeschichte steht. Als 16jähriger trat Kohl 1946 der CDU bei. Leyendecker zeigt, wie Kohls geistig-moralische Verfassung seinen raschen Aufstieg in der Partei begünstigte und wie er Adenauers Lehren später als Parteivorsitzender und Kanzler modernisierte. Dabei ist nicht alles neu, was Hans Leyendecker über die Zusammenhänge von Macht und Geld in der CDU vorträgt, aber kaum ist ein System bisher so systematisch beschrieben worden wie hier.

    Geldwaschanlagen, geheime Konten, organisierte Steuerhinterziehung, Millionenhonorare an Politiker aus ungeklärter Quelle, planmäßige Aktenvernichtung im Kanzleramt, Koffer voller Geld, die auf Parkplätzen übergeben werden - bis vor kurzem durfte man glauben, so etwas könnten sich nur die provinziellen Weltanschauungstrainer der SED ausgedacht haben. Bei Leyendecker kann man nachlesen, in welchem Maße das integrale Bestandteile unseres real existierenden politischen Alltags sind. Noch schlimmer kommt es allerdings, wenn Michael Stiller sich der "amigos" in der CSU annimmt. Es liegt nicht am Autor dieses Kapitels, sondern am Gegenstand, wenn einen nach 50 Seiten Lektüre der Ekel über die Umtriebe dieser Politiker würgt. Bald aber spürt man auch gewisse Grenzen eines solchen investigativen Journalismus. Substantielle Parteienkritik kommt nicht ohne komplexere Gesellschaftskritik aus. Schließlich handelt es sich doch nicht um eine unschuldig betrogene Gesellschaft, die solchem politischen Personal zu Macht, Ansehen und Geld verhilft. Leider findet sich auch in dem abschließenden Kapitel von Heribert Prantl wenig, was über den Blickwinkel eines wenn auch kritischen Journalismus hinausweist. Was hilft es schon, den "Notstand der Republik" auszurufen und damit bloß Kohl und Strauß zu meinen? Der wahre Notstand der Republik besteht wahrscheinlich vielmehr darin, dass es kein ernstzunehmendes Publikum gibt, dass sich über demokratische Notstände noch aufregt.

    Walter van Rossum besprach drei Bücher, die sich mit dem Parteispendenskandal der CDU befassen: Friedbert Pflüger: Das System Kohl und der Neubeginn, erschienen bei DVA, es hat 240 Seiten und kostet 36 DM. Außerdem: Die gespendete Macht, herausgegeben von Günther Nonnenmacher, erschienen im Alexander Fest Verlag, das Buch kostet 28 DM und hat 136 Seiten. Zuguterletzt, Hans Leyendecker, Michael Stiller, Heribert Prantl: Helmut Kohl, die Macht und das Geld, das im Göttinger Steidl Verlag erschienene Buch hat 608 Seiten und kostet 48 DM.