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Hans Prolingheuer: Hitlers fromme Bilderstürmer. Kirche & Kunst unterm Hakenkreuz

Auch in dem Buch, das wir Ihnen jetzt vorstellen, spielt Otto Abetz eine zentrale Rolle. Der Botschafter war auch eines der führenden Vorstandsmitglieder im "Kunstdienst" der Evangelischen Kirche im Hitler-Deutschland. Diese Institution trommelte nicht nur gegen das "Undeutsche" und Jüdische in der kirchlichen Kunst, sie übernahm auch eine wichtige Rolle beim Kunstraub der Nazis. Davon handelt der Band "Hitlers fromme Bilderstürmer - Kirche und Kunst unterm Hakenkreuz, den Hans Prolingheuer im Kölner Dittrich Verlag vorgelegt hat.

Heinz Klunker |
    Um es gleich vorwegzunehmen: Eine erbauliche Lektüre kann dem Leser dieses Buches nicht versprochen werden, es hat in seiner Detailversessenheit gar einen Zug ins Monströse und Unheimliche. Aber um gleich hinzuzufügen: Als Warnung ist das beileibe nicht gemeint, vielmehr als nachdrückliche Empfehlung, sich diesem zeitgeschichtlichen Abenteuer auszusetzen und darüber zu staunen, was da nach über einem halben Jahrhundert verspätet, doch nicht zu spät, ans Tageslicht befördert wird: Ein schlimmes Kapitel kirchlicher Kumpanei mit dem NS-Regime, das in seinen ideologischen, vor allem aber personellen Verflechtungen weit in die Frühgeschichte der Bundesrepublik hinein ragt.

    Der deutsche Protestantismus hatte ein gestörtes Verhältnis zur Kunst der Moderne bereits in der "Systemzeit", wie auch Kirchenleute die Weimarer Republik diffamierten. Da manifestierte sich in der Kunst "ein entarteter Zeitgeist", gegen den "auf breiter Front" Stellung bezogen wurde; nach Hitlers Machtübernahme kommt es "mit Gott und Goebbels" zu Entwicklungen, die von Prolingheuer als schmähliche Überanpassung beschrieben wird, zu einem "evangelischen Kreuzzug", der Kirchenkunst und Nazikunst auf einen gemeinsamen Nenner bringt. "Mit vollem Bewusstsein", so ein Oberkonsistorialrat, wolle die Kunst der evangelischen Kirche "auch deutsche Kunst sein und im Rahmen der Zielsetzungen stehen, die der Führer der deutschen Kunst gewiesen hat".

    Das schließt die aktive Teilname an der nazistischen Bilderstürmerei ein, die ihren Höhepunkt in der Ausstellung "Entartete Kunst" und in der offiziellen Verfemungs-, Verkaufs- und Vernichtungsstrategie finden sollte. Dabei macht sich die Kirche die ideologischen Hahnenkämpfe zwischen Goebbels, Rosenberg und ihren jeweiligen Vasallen zunutze. Die Macht andererseits registriert mit Wohlgefallen, dass der "Kirchenstreit", also die oppositionellen Aktivitäten der "Bekennenden Kirche", die gemeinsamen Kunsttümeleien unberührt lässt.

    Hans Prolingheuer ist kein Kirchendiplomat, sondern Kirchenhistoriker, ein Westfale vom Jahrgang 1930 hat er sich immer wieder eingemischt in die öffentlichen Angelegenheiten von Kirche und Gesellschaft.

    In seiner publizistisch durchaus eingängigen Darstellung dokumentiert, zitiert und interpretiert er himmelschreiende Vorgänge und deren Protagonisten, denn natürlich hat das vermeintliche Schicksal Namen und Adresse, auch über das Jahr 1945 hinaus - die prominentesten sind Theodor Heuss und Otto Dibelius. Der spätere Bundespräsident betrieb die politische Gleichschaltung des Deutschen Werkbundes, dessen Geschäftsführer er war; der spätere Bischof äußerte sich offen antisemitisch: "Bei allen zersetzenden Erscheinungen der modernen Zivilisation" habe "das Judentum eine führende Rolle gespielt". Etcetera. Ernst Barlach und Emil Nolde, eher unpolitische Künstler-Autoritäten, geraten in einigen Situationen nolens volens ins braune Zwielicht. Der Autor ist um Differenzierungen in komplizierten Zusammenhängen bemüht, seine Materialfülle bewahrt ihn vor kurzschlüssigen Urteilen. Das hindert ihn allerdings nicht daran, Klartext zu reden und von Fall zu Fall auch seinem polemisch-pädagogischen Furor das Feld zu überlassen.

    Freilich ist der skandalösen Sachverhalten geschuldet, keinem persönlichen Ressentiment, und ufert höchstens in Wiederholungen aus, die überflüssig rechthaberisch wirken. Die Studie Prolingheuers, die mit Fotografien und Faksimiles Signale der Anschauung setzt, die mit umfänglichen Anmerkungen aufwartet und Quellen und Namen auflistet, reicht in ihrer Bedeutung über bloße Kirchenhistorie und Kirchenaspekte hinaus. Sie ist ein gewichtiger Beitrag zur deutschen Ideologiegeschichte und versammelt reichen Stoff zur Perversionsstruktur einer sogenannten deutschen Leitkultur.

    Heinz Klunker über Hans Prolingheuer, "Hitlers fromme Bilderstürmer - Kirche und Kunst unterm Hakenkreuz". Der Band ist im Kölner Dittrich Verlag erschienen, hat 416 Seiten und kostet EUR 28.