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Hantavirus-Infektionen: Neues Rekordjahr in Deutschland

Camper im kalifornischen Yosemite-Nationalpark haben sich mit dem Hantavirus infiziert. Einige sind sogar daran gestorben. Den Erreger tragen vor allem Mäuse in sich und übertragen ihn durch Exkremente auf den Menschen. Auch in Deutschland besteht das Risiko einer Ansteckung - und es steigt.

Von Volker Mrasek |
    Genau 2261 Fälle – das ist der aktuelle Stand nach Auskunft des Referenzlabors für Hantaviren an der Berliner Charité-Klinik. So viele Infektionen mit dem Erreger sind noch nie in einem einzelnen Jahr aufgetreten. Und noch ist die Saison nicht vorbei. 2010 gab es zum ersten Mal knapp über 2000 registrierte Fälle in Deutschland. Und auch im Jahr 2007 war die Zahl der Erkrankten stark erhöht. Damals erreichte sie auch schon über 1700. Experten gehen allerdings von einer hohen Dunkelziffer aus.

    "Das Hantavirus ist seit 2001 eine meldepflichtige Krankheit in Deutschland. Wir haben mit geringen Fallzahlen angefangen in Deutschland seit dieser Meldepflicht. Diese Zahlen sind aber ständig am steigen. Wobei es nicht kontinuierlich steigt. Es gibt sogenannte Hanta-Jahre, wo wir sehr viele Fälle haben. Und 2012 ist bisher mit Abstand das größte Hanta-Jahr von allen Jahren."

    Kerstin Dressel ist an einem EU-Projekt beteiligt, in dem es um die Risikowahrnehmung bei Erkrankungen geht, die von Tieren übertragen werden. Dazu zählt auch die Infektion mit Hantaviren. Dressel arbeitet am Süddeutschen Institut für Empirische Sozialforschung in München.

    "Das Hantavirus ist ein Virus, das über einen sogenannten Vektor übertragen wird. Der Vektor in dem Fall sind Mäuse, speziell die Rötelmäuse, die sich bevorzugt in Buchenwäldern in Deutschland aufhalten. Die Übertragung des Virus erfolgt über die Mäuseköttel, die aufgewirbelt werden, wenn Sie kehren, beispielsweise in Ihrer Gartenhütte oder auf dem Dachboden, wo sich Mäuse aufhalten. Im Prinzip kann das Virus auch übertragen werden im Wald. Einfach überall, wo sozusagen Staub aufgewirbelt wird."

    Nach den bisherigen Erfahrungen erkrankt in Deutschland jeder Zehnte, der mit Hantaviren in Berührung kommt. Zum Glück sind die hiesigen Erregertypen nicht so gefährlich wie die in Nordamerika. Dort liegt die Sterblichkeitsrate im Erkrankungsfall bei 35 Prozent, in Deutschland dagegen bei weniger als einem. Und dennoch: Nach Auskunft der Berliner Charité gab es bereits Todesfälle bei Patienten mit Vorerkrankungen.

    Harmlos verlaufen Hantavirus-Infektionen jedenfalls auch bei uns nicht. Eine Einweisung in die Klinik ist die Regel. Die Symptome ähnelten denen einer starken Grippe, wie Kerstin Dressel sagt. Mitunter kommt es aber auch zu einem Nierenversagen:

    "Wir haben in unserer Studie auch mit Betroffenen gesprochen, die das Hantavirus sich zugezogen hatten, wo's sehr lange nicht erkannt wurde - die heute noch bleibende Nierenschäden haben."

    Der Bayerische Wald, die Schwäbische Alp, der Spessart, der Teutoburger Wald und die Landkreise Coesfeld und Fulda – das sind die Hauptrisikogebiete für Hantavirus-Infektionen in Deutschland. Doch was ist der Grund für die Zunahme der Fälle?

    "Es gibt eben die Hanta-Jahre, die, in der Regel geht man davon aus, so gekennzeichnet sind, dass es vorher sehr heiße Sommer gab. Dass sich die Mäuse gut vermehren konnten. Dass es auch die sogenannte Buchenmast gab, das heißt also ein gutes Nahrungsangebot für die Mäuse. Und dann ist einfach die Wahrscheinlichkeit, dass im darauffolgenden Jahr es mehr Erkrankungsfälle beim Menschen gibt, sehr viel häufiger."

    Wie Kerstin Dressel bei ihren Recherchen herausfand, sind Ärzte, Behörden und Bevölkerung in den Hauptrisikogebieten im allgemeinen gut informiert über Hantaviren.

    Zusätzlichen Aufklärungsbedarf sieht die Forscherin aber in den anderen Landesteilen, auch wenn Infektionen dort nicht auftreten. In Hamburg etwa, wo es dennoch einen ersten Erkrankungsfall gab. Der Mann, so Kerstin Dressel, habe sich im Teutoburger Wald angesteckt – einem der Hauptrisikogebiete.