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Happiness-Seminare
Amerikanische Studenten wollen Glücklichsein lernen

Lernstress und Leistungsdruck setzen vielen Studierenden zu. An US-amerikanischen Universitäten will man dagegen etwas tun: Die Hochschulen bieten sogenannte Happiness-Kurse an. Wissenschaftlich heißt die Disziplin "Positive Psychologie" und zieht tausende Zuhörer an.

Von Heike Wipperfürth | 31.05.2018
    Ein Pappschild mit einem Pfeil nach rechts auf dem steht "happiness"
    Wie kann man glücklich leben? Damit beschäftigte sich der Kurs "Psychologie und das gute Leben" an der Yale Universität - 1.200 Menschen meldeten sich an. (Sebastian Baer-Henney)
    "Wenn sie wissenschaftlich basierten Strategien folgen, um glücklich zu werden, dann können sie ihr subjektives Wohlergehen maximieren. Forschungsarbeiten zeigen, dass bis zu 40 Prozent des Glücksempfindens von uns gesteuert werden können", beschrieb Laurie Santos, eine Psychologin an der Yale Universität, kürzlich ihr Ziel, das Glücksgefühl vieler Menschen zu erhöhen – mit einem Happiness-Kurs auf der Online-Plattform Coursera – völlig kostenlos.
    Weltweit meldeten sich über 100.000 Hörer an, darunter 1.200 Deutsche – nachdem eine längere Version des Kurses mit dem Titel "Psychologie und das gute Leben" zum begehrtesten Kurs in der 316-jährigen Geschichte der Yale Universität gekürt wurde: 1.200 Studierende hatten sich eingeschrieben, als er im Frühjahr zum ersten Mal angeboten wurde.
    Studie: 40 Prozent leiden unter Depressionen
    Ein Einzelfall ist das nicht. Mindestens 200 Kurse über Positive Psychologie werden an Universitäten wie Harvard und der University of Pennsylvania angeboten, um das Rätsel des glücklichen Lebens, Selbstachtung, Freundschaft und Liebe zu erforschen. Und um Studierenden zu helfen, mit dem Stress auf dem Campus besser umzugehen, seit 40 Prozent von ihnen laut einer Gesundheitsstudie der US-Colleges unter Depressionen leiden, weil sie sich überwältigt fühlen und erschöpft sind – obwohl das nicht sein muss, sagt Laurie Santos.
    "Ich sehe, wie deprimiert, überwältigt und ängstlich sie sind. Dass sie keine Pause machen, um Freundschaften zu pflegen, die viel wichtiger sind als die Lösung eines Problems und ihr ganzes Leben lang halten könnten."
    Weder Geld noch gute Noten, das weiß Laurie Santos ganz genau, vermitteln Glück oder Zufriedenheit. Sie verordnet Meditation, mehr Schlaf und Sport. Und verlangt, dass die Hörer ihre Fortschritte bei ihrer Glückssuche in der Abschlussarbeit beschreiben. Das hört sich einfach an. Gemeint ist aber, so die 19-jährige Studierende Allison Chun, die Veränderung der Lebensgewohnheiten:
    "Ich habe erforscht, ob neue Trainingsmöglichkeiten mich dazu animieren, mehr Sport zu treiben. Gewöhnlich bin ich auf dem Laufband, schaue fern und schalte total ab, weil ich mich zu Tode langweile."
    Das Interesse an dem Happiness-Kurs ist groß, versichert Rosie Aboodie, eine 25-jährige Doktorandin und Haupttutorin des Kurses, denn viele Studierende an der Yale Universität hätten ihr Wohlbefinden zugunsten des Erfolges an der Uni vernachlässigt – und vermissen ein glücklicheres Leben.
    "Studierende an der Yale Universität sind gut bei allem, was sie tun, aber das ist auch sehr strapaziös. In einem Kurs wie diesem können sie darüber nachdenken, wie sie leben wollen. Sind sie glücklich, wenn sie 300.000 Dollar bei einem Hedgefonds verdienen oder wollen sie etwas tun, bei dem sie weniger Geld verdienen, das ihnen aber mehr Freude macht?"
    Kleine Dinge können große Veränderungen bringen
    Entscheidend für das Glücksgefühl, so Laurie Santos, sei etwas ganz anderes: soziale Bindungen zum Beispiel. Genügend Schlaf und Bewegung. Und vor allem die Fähigkeit, Dankbarkeit an andere auszudrücken. Laurie Santos:
    "In meinem Kurs müssen die Studierenden einen Brief an eine Person schreiben, die ihnen viel bedeutet. Das erweckt Glücksgefühle in beiden Personen. Mir war es wichtig, am letzten Tag meines Kurses einen solchen Brief an die Studierenden zu schreiben. Warum? Weil mir der Kurs viel bedeutet und die Zuhörer die Fähigkeiten besaßen, mich zu inspirieren."
    Vorwürfe der Kritiker, Happiness-Formeln wie genug Schlaf und mehr Bewegung seien zu schlicht, weist die 41-Jährige als unbegründet zurück. Selbst kleine Dinge könnten wirklich große Veränderungen mit sich bringen, sagt Santos.
    "Nehmen wir die Schlafqualität, über die wir viel reden. Forschungsarbeiten zeigen, dass nur eine Woche Schlafmangel, der sich durch vier Stunden Schlaf pro Nacht definiert, zu klinischen Symptomen von Depression, Angst und sogar Psychose führen kann. Aber viele unserer Studierenden arbeiten so schwer, dass sie ihre Gesundheit vernachlässigen und zur Gesundheitskrise auf dem Campus beitragen. Das könnte vermieden werden, wenn sie mehr schlafen."