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Happy Birthday, Harvard!

Sie ist nicht nur die älteste Universität der USA, Harvard ist auch die reichste Bildungseinrichtung der Welt. Die begehrte Eliteuni im kleinen Städtchen Cambridge bei Boston feiert 2011 ihren 375. Geburtstag. Doch zur Party gibt es auch Katerstimmung.

Von Antje Passenhein |
    Babel der Superhirne. Im JFK Junior-Forum der Harvard Kennedy School tummelt sich der Welt künftige Denkerelite. Studenten aus 75 Ländern in den Fußstapfen von US-Präsidenten wie John F. Kennedy oder Barack Obama. Von Innovationsgenie Bill Gates bis hin zu Friedensnobelpreisträgerinnen wie Liberias Präsidentin Ellen Johnson-Sirleaf. Das spornt an

    "On a longterm, I want to work in foreign politics with the US government."

    Langfristig will ich mal US-Außenpolitik machen, sagt dieser Student aus Kalifornien. Ähnlich der Stipendiat Wolfgang Silbermann aus Berlin:

    "Ich würde gerne in der deutschen Politik arbeiten."

    Hochbegabten-Mekka Harvard. Wer es bis hierhin schafft, hat es geschafft - für schlappe 65.000 Dollar im Jahr. Ein Paradies, findet nicht nur Silbermann:

    "Die Studenten sind klasse, die Kommilitonen sind wunderbar. Die Professoren interessant. Und das Ganze unter den besten Bedingungen, die man sich vorstellen kann: Kleine Gruppen, tolle Betreuung, unglaublich viele Ressourcen."
    In der ersten Liga der Bildung zählt Kampfgeist. Wer es sich nicht leisten kann, aber dafür gut denken, der hat Chancen durch ein Stipendium an eines der 13 Institute zu kommen, die mit den Jahren rund um die altehrwürdige Backsteinfestung, das Harvard-College, gewachsen sind. Darunter Kaderschmieden wie die Kennedy-School, die Business-School, die Law School.

    Doch wenn an diesem Wochenende gefeiert wird, schwingt nicht nur Partylaune mit.

    "Der alte Rausch ist vorbei","

    sagt einer der dienstältesten Professoren, Charles Maier, vom Institut für Europäische Studien. Maier hat schon in Harvard studiert. Mit 72 Jahren lehrt er dort heute immer noch.

    ""Aber die Stimmung der Uni ist bemerkbar anders, als sie war."

    Katerstimmung nach der Finanzkrise von 2008. Die reichste Hochschule der Welt verlor etwa acht Milliarden Dollar.

    "Wir sind in einer Symbiose mit Wall Street."
    "Die Verluste nach der Krise für Harvard waren größer als für vergleichbare kleine Institutionen","

    sagt Cathrin Clüver, Direktorin eines Programms für Internationale Politik im Belfer Center der Kennedy School. Der Uni-eigene Investmentfonds Harvard Management Company, aus dem die Hochschule mehr als ein Drittel ihrer operativen Kosten finanziert, verlor im Crashjahr 2008 rund ein Viertel an Wert. Schuld waren nicht zuletzt riskante Börsengeschäfte. Harvard-Präsidentin Drew Faust schlug auf den Tisch.

    ""Die Universität an sich hat einfach restrukturiert, wie viele Privatbetriebe das auch getan haben. Das Interessante bei Harvard ist, dass sie wirklich interdisziplinär geschaut haben."

    Entschlackung für alle Ebenen und Fakultäten, die seit eh und je eigenverantwortlich für ihre Budgets waren. Frühpensionierungen und Stellenkürzungen drücken dem Kollegium so auf den Magen wie Küchen-Sparmaßnahmen den Studenten.

    "Im letzten Semester wurde ihnen das heiße Frühstück wegrationiert. Es gab einen Aufstand, weil auf einmal das Omelette zum Frühstück fehlte – oder die Waffeln."

    Auf Eis gelegt auch die Pläne, Amerikas größten Campus für Naturwissenschaften zu bauen. Für rund eine Milliarde Dollar sollte zunächst ein Stammzelleninstitut entstehen. Das Fundament ist fertig. Ob jemals etwas darauf kommt, steht bislang in den Sternen. Sicher ist hingegen, dass das straffe Finanzmanagement sich ausgezahlt hat. Mit einem aktuellen Vermögen von 32 Milliarden Dollar hat Harvard die Verluste durch die Finanzkrise inzwischen wieder aufgeholt.

    Auch wenn der Crash und seine Folgen dem ein oder andern noch im Magen liegen: Das große H bleibt mindestens so begehrt wie seine Absolventen. Auch die Wall Street schläft nicht, weiß Andreas Haggerty, der von der Deutschen Schule Washington vor einem Jahr nach Harvard kam.

    "Da hatte Goldman Sachs in New York eine Infosession für Ingenieure. Die haben gesagt: Wir zahlen Euch den Flug nach New York und alles. Die wollten uns einfach kennenlernen – die wollen the most billant minds."

    Das Selbstbewusstsein der Harvardianer ist auch nach der Krise ungebrochen.

    Möglich, meint Europawissenschaftler Maier, dass sogar der Rausch irgendwann wiederkommt:

    "Die Geschichte der Uni ist viel länger als diese Krise – 375 Jahre. Es ist nur eine kleine Welle auf einer langen Geschichte – a blip on the curve."