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Hardrock auf der Venus

Physik. - Akustiker sind Ingenieure mit Hang zum Künstlerischen, dies beweist die Akustikertagung in Salt Lake City. Während manche sich Gedanken machen, wie Hardrock auf fremden Welten klingt, wandeln andere ganz unterschiedliche Geräusche ineinander um.

Von Frank Grotelüschen |
    14. Januar 2005. Die Raumsonde Huygens taucht in die Atmosphäre von Titan, dem größten Mond des Planeten Saturn. Das Besondere: Huygens hat ein Mikrofon an Bord, das den Landeanflug akustisch dokumentiert. Ein einzigartiges Geräusch. Bislang aber spielt die Akustik bei der Erkundung fremder Himmelskörper nur eine Nebenrolle. Das soll sich künftig ändern, meint der Physiker Andi Petculescu von der University of Louisiana. Doch dazu bedarf es einer Voraussetzung: Um andere Welten akustisch zu erforschen, muss man erst mal wissen, wie es dort grundsätzlich klingt. Jeder Himmelskörper hat seine eigene Atmosphäre, und jede Atmosphäre hat ihren eigenen Klang.

    "Eine Atmosphäre wirkt etwa so wie ein Filter für hohe Frequenzen. Sie lässt die tiefen Frequenzen passieren und filtert die hohen weg."

    Also entwickelte Petculescu ein Computerprogramm, das ausrechnet, wie sich der Schall auf fernen Himmelskörpern ausbreitet – etwa auf Titan.

    "Wie auf der Erde ist Stickstoff der Hauptbestandteil der Titanatmosphäre. Aber: Der Druck ist auf Titan anderthalb mal höher als auf der Erde. Deshalb wird dort der Schall viel weniger abgeschwächt als bei uns. Auf Titan würden wir denselben Sound deutlich lauter hören als auf der Erde."

    Und das hört sich so an. Erst das Signal auf der Erde, dann dasselbe Signal auf Titan. Das bedeutet: Auf Titan würden Hardrocker wie Deep Purple sicher gern ein Konzert geben. Der legendäre Gitarrenriff käme dort noch lauter und druckvoller rüber. Ganz anders auf der Venus:

    "Die Atmosphäre von Venus besteht zu 96 Prozent aus Kohlendioxid. Und das Kohlendioxidmolekül relativ kompliziert aufgebaut ist, verschluckt es hohe Frequenzen viel stärker als tiefe. Die Filterwirkung ist rund zehnmal stärker als auf der Erde."

    Petculescu glaubt, dass seine Akustiksimulationen eines Tages höchst nützlich sein werden – und zwar wenn künftige Raummissionen mit akustischen Sensoren ausgestattet sind.

    "Wir könnten meteorologische Phänomene messen wie Tornados oder Gewitter auf dem Mars. Wir könnten das Brummen von Sanddünen aufnehmen und das Einschlagen von Meteoriten."

    Deutlich erdverbundener ist das Projekt von Kelly Fitz. Der kalifornische Akustikingenieur befasst sich mit einer noch jungen Digitaltechnik, die besonders für Soundeffekte und Filmmusiken geeignet scheint, Sound Morphing genannt. Beim Sound Morphing geht es darum, einen Klang per Computer stufenlos in einen anderen übergehen zu lassen. Dabei reicht es nicht, wie hier zu hören, zwei Klänge einfach nur zusammenzumischen.

    "Mixt man zwei Klänge einfach zusammen, sind beide Klänge nach wie vor zu erkennen. Deshalb können wir auch die einzelnen Instrumente in einem Sinfoniekonzert auseinander halten. Das Sound Morphing hingegen versucht, die Klänge miteinander zu verschmelzen."

    Zunächst werden die Klänge in den Computer eingespeist. Dieser macht eine Frequenzanalyse und zerlegt sie in ihre Grundbestandteile. Jeder Klang besitzt nun ein typisches Muster. Beim Sound Morphing rechnet der Computer das Muster zum Beispiel eines Klavierklanges stufenlos um in das einer Glocke. Das Ergebnis: ein Sound, der als Klavier anfängt und als Glocke endet. Genauso kann sich eine Bratsche in eine Flöte verwandeln. Fitz:

    "Ich habe auch ein paar Sounds von einer Webseite genommen, auf der die schlimmsten Klänge der Welt zu hören sind – Babygeschrei etwa, oder Katzengeheule. Dann habe ich versucht, diese Geräusche mit angenehmeren Klängen zu morphen. Das Ergebnis? Nun ja – unterhaltsam ist das schon. Aber ehrlich gesagt muss ich nicht dauernd hören, wenn ein Katzenmiauen in eine Party-Tröte übergeht."

    Acoustical Society of America