"Früher in der Schule haben wir ein bisschen darüber geredet, aber dann... Man hat sich nie so Gedanken gemacht, wie viele da gestorben sind. Man bekommt ja immer viel erzählt, aber wenn man das dann hinterher sieht, wie viele Tote da liegen, auf einem Haufen, dann
Man könnte schon Tränen kriegen, wenn man das sieht."
Für den 18-jährigen Florian aus Schwerte war Ysselsteyn eine ganz neue Erfahrung. Ysselsteyn - das ist ein Soldatenfriedhof in der niederländischen Provinz Limburg. Auf einer Fläche von 28 Hektar mitten in einer Heide- und Moorlandschaft sind fast 32.000 deutsche Soldaten aus dem Zweiten Weltkrieg begraben. Und, wie Florian entdecken musste, auch zivile Opfer:
"Zum Beispiel haben wir ein Grab gesehen, da lag ein Kind, das war nicht einmal einen Tag alt. Die Menschen liegen ja nicht nur einfach so da, weil die ... an einer normalen Krankheit gestorben sind oder so. Die wurden ja ermordet oder sind wegen Bomben gestorben."
Gerade erst im Oktober war Florian mit seinen Kollegen vom Schwerter Labora-Projekt in den Niederlanden. Über 1000 Grabsteine haben sie geschrubbt und wieder in Ordnung gebracht. Richtige Knochenarbeit, auf die Florian schon ein bisschen stolz ist:
"Körperlich waren wir sehr am Ende, weil wir uns sehr angestrengt haben, weil wir was Gutes tun wollten, weil nicht jeder kann dahin kommen und da so putzen... ."
Den Muskelkater hat auch die 23-jährige Mühret locker weggesteckt, der Anblick der Gräber von Ysselsteyn aber steckt ihr noch immer in den Knochen:
"Da dachte ich auch, das kann nicht sein, man übertreibt hier oder so. Aber als man da steht und man sieht nur links und rechts Kreuze. In dem Moment ist man eiskalt, weil man nur denkt, was war hier, was ist hier passiert, wieso denn? Dann hat man nur Fragen ..., links und rechts, egal, wo man hinguckt, sieht man nur Kreuze."
Die Pflege von Kriegsgräbern und Friedhöfen - beim Projekt Labora in Schwerte gehört das dazu. Die Jugendlichen, lernen und arbeiten ein Jahr lang - bereiten sich auf einen Beruf oder eine Ausbildung vor. Anne ist 25, hat eine siebenjährige Tochter - und ist bereits mehrmals mit einer Lehre gescheitert:
"Das ist jetzt die letzte Chance. Versuchst Du Deinem Leben noch mal ne neue Perspektive zu geben, nen neuen Anstoß und vielleicht ne neue Ausbildung zu beginnen, dass man sagen kann, man hat was im Leben erreicht und nicht nur Larifari"
Die Arbeit an den Gräbern ist ihr dabei ebenso wichtig, wie gute Noten auf dem Zeugnis, auch wenn die für den Erfolg bei der Arbeitssuche wohl wichtiger sind, vermutet Anne:
"Es hat für mich persönlich einen Stellenwert und nicht für den Arbeitgeber. Ich versuche halt, meinen Notenspiegel besser zu machen und das, glaube ich, wird ihn mehr interessieren."
Den Hauptschulabschluss nachholen oder die Noten aufpolieren, das ist eines der Ziele bei Labora. Das andere Ziel ist es, zu lernen, ohne Gewalt auszukommen. Denn mit Gewalt und Aggressionen haben alle Labora-Teilnehmer ihre Erfahrungen gemacht - und sich damit fast ihre Zukunft verbaut. Einige waren sogar schon im Jugendarrest. So weit war es bei Anne noch nicht, aber sie musste ein Aggressionstraining absolvieren. Und Florian ist schon zum zweiten Mal bei Labora - nach einem gescheiterten Versuch im vergangenen Jahr:
"Dann bin ich auch da rausgeflogen, weil ich viel Mist gebaut habe,..., und dann habe ich auch gedacht, im Nachhinein, Du musst was erreichen, Du brauchst Arbeit... Wenn man so bedenkt, dass die meisten Jugendlichen heute nur noch drauf schlagen. Mit Wörtern erreicht man viel mehr, als wenn man sich schlagen würde."
Ganz neue Einsichten, über die Florian im vergangenen Jahr vielleicht noch gelacht hätte. Das Deeskalationstraining bei Labora und die Kurse zur gewaltfreien Kommunikation haben geholfen. Auch die eigentlich so still wirkende Mühret kann mittlerweile offen über ihre Aggressionen reden:
"Also, bei mir ist es so, ich bin ein total lieber Mensch, aber leider Gottes so lieb, wie ich bin, werde ich schnell auch aggressiv, ich kann von Null auf Hundert auf einmal kommen. Das hat mich schon zum Nachdenken gebracht."
Das Wichtigste aber ist die Arbeit auf den Friedhöfen. Sie hilft beim Nachdenken, findet Florian:
"Wenn man so bedenkt, dass man auch zur Bundeswehr gehen kann, dass man später selber da liegen kann, das ist schon beeindruckend. Man geht ja auch raus in den Krieg, man hilft ja den Ländern und da braucht ja nur eine Kugel dich zu treffen, dann ist man auch unter der Erde."
Auch in Schwerte, direkt vor der Haustür, gibt es viel zu tun - auf dem Jüdischen Friedhof oder an den Gräbern des Außenlagers Buchenwald - und das bei jedem Wetter. Zwei mal die Woche geht es raus - zum Einsatz mit Bürste und Besen. Anne und Mühret erzählen vom Kampf gegen den Efeu und das Vergessen:
"Es ist aber ein komisches Gefühl, vor diesem Grab zu stehen, gerade wenn man das betreten muss, weil irgendwelcher Müll drauf liegt. ... Man entschuldigt sich, weil man denkt, man tut die Würde des Menschen, der dort liegt, schwer verletzen."
"Was mich berührt hat, meine Arbeitskollegin Anne, als die ein Grab gefunden hat und wir mussten das wirklich ausbuddeln, weil das zugewachsen war, da dachte ich auch, ein Mensch geht erst verloren, wenn das Grab weg ist."
Man könnte schon Tränen kriegen, wenn man das sieht."
Für den 18-jährigen Florian aus Schwerte war Ysselsteyn eine ganz neue Erfahrung. Ysselsteyn - das ist ein Soldatenfriedhof in der niederländischen Provinz Limburg. Auf einer Fläche von 28 Hektar mitten in einer Heide- und Moorlandschaft sind fast 32.000 deutsche Soldaten aus dem Zweiten Weltkrieg begraben. Und, wie Florian entdecken musste, auch zivile Opfer:
"Zum Beispiel haben wir ein Grab gesehen, da lag ein Kind, das war nicht einmal einen Tag alt. Die Menschen liegen ja nicht nur einfach so da, weil die ... an einer normalen Krankheit gestorben sind oder so. Die wurden ja ermordet oder sind wegen Bomben gestorben."
Gerade erst im Oktober war Florian mit seinen Kollegen vom Schwerter Labora-Projekt in den Niederlanden. Über 1000 Grabsteine haben sie geschrubbt und wieder in Ordnung gebracht. Richtige Knochenarbeit, auf die Florian schon ein bisschen stolz ist:
"Körperlich waren wir sehr am Ende, weil wir uns sehr angestrengt haben, weil wir was Gutes tun wollten, weil nicht jeder kann dahin kommen und da so putzen... ."
Den Muskelkater hat auch die 23-jährige Mühret locker weggesteckt, der Anblick der Gräber von Ysselsteyn aber steckt ihr noch immer in den Knochen:
"Da dachte ich auch, das kann nicht sein, man übertreibt hier oder so. Aber als man da steht und man sieht nur links und rechts Kreuze. In dem Moment ist man eiskalt, weil man nur denkt, was war hier, was ist hier passiert, wieso denn? Dann hat man nur Fragen ..., links und rechts, egal, wo man hinguckt, sieht man nur Kreuze."
Die Pflege von Kriegsgräbern und Friedhöfen - beim Projekt Labora in Schwerte gehört das dazu. Die Jugendlichen, lernen und arbeiten ein Jahr lang - bereiten sich auf einen Beruf oder eine Ausbildung vor. Anne ist 25, hat eine siebenjährige Tochter - und ist bereits mehrmals mit einer Lehre gescheitert:
"Das ist jetzt die letzte Chance. Versuchst Du Deinem Leben noch mal ne neue Perspektive zu geben, nen neuen Anstoß und vielleicht ne neue Ausbildung zu beginnen, dass man sagen kann, man hat was im Leben erreicht und nicht nur Larifari"
Die Arbeit an den Gräbern ist ihr dabei ebenso wichtig, wie gute Noten auf dem Zeugnis, auch wenn die für den Erfolg bei der Arbeitssuche wohl wichtiger sind, vermutet Anne:
"Es hat für mich persönlich einen Stellenwert und nicht für den Arbeitgeber. Ich versuche halt, meinen Notenspiegel besser zu machen und das, glaube ich, wird ihn mehr interessieren."
Den Hauptschulabschluss nachholen oder die Noten aufpolieren, das ist eines der Ziele bei Labora. Das andere Ziel ist es, zu lernen, ohne Gewalt auszukommen. Denn mit Gewalt und Aggressionen haben alle Labora-Teilnehmer ihre Erfahrungen gemacht - und sich damit fast ihre Zukunft verbaut. Einige waren sogar schon im Jugendarrest. So weit war es bei Anne noch nicht, aber sie musste ein Aggressionstraining absolvieren. Und Florian ist schon zum zweiten Mal bei Labora - nach einem gescheiterten Versuch im vergangenen Jahr:
"Dann bin ich auch da rausgeflogen, weil ich viel Mist gebaut habe,..., und dann habe ich auch gedacht, im Nachhinein, Du musst was erreichen, Du brauchst Arbeit... Wenn man so bedenkt, dass die meisten Jugendlichen heute nur noch drauf schlagen. Mit Wörtern erreicht man viel mehr, als wenn man sich schlagen würde."
Ganz neue Einsichten, über die Florian im vergangenen Jahr vielleicht noch gelacht hätte. Das Deeskalationstraining bei Labora und die Kurse zur gewaltfreien Kommunikation haben geholfen. Auch die eigentlich so still wirkende Mühret kann mittlerweile offen über ihre Aggressionen reden:
"Also, bei mir ist es so, ich bin ein total lieber Mensch, aber leider Gottes so lieb, wie ich bin, werde ich schnell auch aggressiv, ich kann von Null auf Hundert auf einmal kommen. Das hat mich schon zum Nachdenken gebracht."
Das Wichtigste aber ist die Arbeit auf den Friedhöfen. Sie hilft beim Nachdenken, findet Florian:
"Wenn man so bedenkt, dass man auch zur Bundeswehr gehen kann, dass man später selber da liegen kann, das ist schon beeindruckend. Man geht ja auch raus in den Krieg, man hilft ja den Ländern und da braucht ja nur eine Kugel dich zu treffen, dann ist man auch unter der Erde."
Auch in Schwerte, direkt vor der Haustür, gibt es viel zu tun - auf dem Jüdischen Friedhof oder an den Gräbern des Außenlagers Buchenwald - und das bei jedem Wetter. Zwei mal die Woche geht es raus - zum Einsatz mit Bürste und Besen. Anne und Mühret erzählen vom Kampf gegen den Efeu und das Vergessen:
"Es ist aber ein komisches Gefühl, vor diesem Grab zu stehen, gerade wenn man das betreten muss, weil irgendwelcher Müll drauf liegt. ... Man entschuldigt sich, weil man denkt, man tut die Würde des Menschen, der dort liegt, schwer verletzen."
"Was mich berührt hat, meine Arbeitskollegin Anne, als die ein Grab gefunden hat und wir mussten das wirklich ausbuddeln, weil das zugewachsen war, da dachte ich auch, ein Mensch geht erst verloren, wenn das Grab weg ist."