
Man kann doch wohl davon ausgehen, dass Moderatoren einer live übertragenen Königshochzeit gut bezahlt werden? Das geschwätzige Warten auf ein Fußballmatch vor laufender Kamera mit Olli und Co. erscheint wie ein Kinderspiel gegen die Aufgabe, die Zeit bis zu einer Royals-Hochzeit zu überbrücken. Aber die vier, die da fürs ZDF die Kunst des educated gossip pflegen, scheinen Spaß zu haben. Warum wird Meghan nach der Hochzeit Herzogin von ausgerechnet Sussex? So ein Thema können Königshaus-Experten, das ist eine Berufsbezeichnung, minutenlang erörtern, es sei denn, der Diskussionsleiter unterbricht sie, weil er auf den mitlaufenden Bildern aus Windsor etwas Wichtiges entdeckt hat: Da, der Sultan von Brunei, Harrys Polofreund. Der ist also auch eingeladen, ein Zeichen für den Wandel zu Weltoffenheit und Volksnähe, für den diese Hochzeit überhaupt steht. In solchen den human touch ergänzenden Analysen sind sich alle einig. Schwieriger wird es, wenn das Publikum via Twitter Fragen stellen darf: Was, wenn mit dem Brautkleid ein Malheur passiert? Gibt's ein zweites auf Vorrat? Da müssen auch Fachleute kurz nachdenken. Die Frage wird kurzerhand mit Nein beantwortet.
Wahnsinns-Stimmung, was sonst?
Bei RTL braucht man kein Publikum, um Leben in die Bude zu bringen bzw. auf den Rasen in Windsor, wo das Volk vor Großbildschirmen der Hochzeit beiwohnt. Dort steht ein Reporter im karnevalesken Union-Jack-Anzug und flippt aus: Die Stimmung hier: "Es ist der Wahnsinn - o mein Gott - es ist Wahnsinn - sie kommen - Wahnsinn." Während er sich in eine nun schon ironische Volte hineinsteigert, flippen auch die Moderatoren aus: Die Blumenkinder sind eingetroffen. Unwiderstehlich, wie übrigens alle Blumenkinder.
Nach der Trauung ein RTL-Lob für Meghan und Harry: wahnsinnig romantisch, dass sie sich in der anschließenden Rundfahrt "ihrem Volk" zeigen. Das "ihrem Volk" würden die angeblich 2/3 der Briten, die kein Interesse an der Monarchie haben, wohl nicht gern hören. Oder vielleicht doch. Denn dass diese Einrichtung, die seit den 60er Jahren immer mehr Geltung verlor und in den 90ern am Tiefpunkt war, inzwischen der Kitt für die heterogene Gesellschaft wurde, ist mittlerweile Gemeingut.
Wie alles, was aus den 50er Jahren übrig ist, ob Coca Cola, Nivea oder Birkenstock, hat auch die Monarchie ihren Relaunch hinter sich. Die damit eng verbundenen Royals-Spezialisten der deutschen Fernsehsender erzählten sie heute gern, die Geschichte der "Firma", die sich nach Jahren des Misskredits aufraffte, um für ein positiveres Image zu kämpfen.
Tränen müssen sein
Dazu gehört der kontrollierte Pakt mit der Promi-Industrie, in der die Royals nur noch eine Teilmenge ausmachen. Die kleinen Schritte zu Modernisierung ohne Traditionsverlust. Die Pläne für ein Geschäftsmodell ohne die Chefin, die Queen. Und wie sogar der einst verhaltensauffällige Harry seine Rolle einnahm und den kühnsten Schritt in die nunmehr verbürgte Zukunft der Monarchie tat: Eine afro-amerikanische Schwiegermutter ganz vorn in der St. George-Chapel: Das ist wirklich zum Weinen schön.
Harry ist bekanntlich erst der sechste in der Thronfolge. Royals dieser Preisklasse wachsen derzeit einige heran, und es werden bestimmt mehr. Schon heute lag ein déjà vue Gefühl in der Luft. Kate und William, Monaco, Albert und Charlène –wie viele Weltereignisse dieser Art wird das Publikum noch verkraften?