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Harte Rockmusik von weißen Männern

Die Kulturfighter der Republikaner kommen aus den einstigen Domänen der weißen Männlichkeit: Country und Hard Rock. Ihnen geht es nicht um einen konservativen Wertekanon oder moralische Erneuerung. Sie kämpfen um die Basics: Waffen für jedermann, Abtreibung für keine Frau, auch wenn sie vergewaltigt wurde.

Von Klaus Walter |
    Von "Holy Wars" singt die amerikanische Band Megadeth, also von heiligen Kriegen. Wie ein zorniger Gotteskrieger stürzt sich Dave Mustaine, der Sänger der Heavy Metal-Veteranen in den Wahlkampf:

    Bei einem Konzert in Singapur erklärt Mustaine, der Mordanschlag in Milwaukee auf einen Tempel der Sikhs, bei dem im August sechs Menschen starben, sei von Barack Obama inszeniert worden. Als Vorwand, um die Waffengesetze zu verschärfen. Außerdem wolle er seine Heimat in ein - so wörtlich - "Nazi-Amerika" verwandeln. Ironie der Geschichte: Der Attentäter von Milwaukee ist Wade Page, ein Star der amerikanischen Nazi-Punk-Szene. Dave Mustaine, der Verschwörungstheoretiker von Megadeath, ist auch bekennender "Birther". "Birther" - so nennt man Leute, die Barack Obama nicht für für einen echten, für einen geborenen Amerikaner halten. Viele Anhänger der Tea Party sind zudem davon überzeugt, dass Obama kein Christ ist, wie er immer behauptet, sondern Muslim. Es gilt also zu verhindern: die Wiederwahl eines unamerikanischen, muslimischen Adolf Hitler ins Weiße Haus.

    Wie Dave Mustaine und Megadeth gehört auch Ted Nugent zu den Wahlhelfern von Mitt Romney und zur alten Schule des amerikanischen Hardrock. Und zu den Amerikanern, die das Recht auf eine eigene Schußwaffe bis aufs Messer verteidigen. Also tritt Nugent im April bei der National Rifle Association auf, das ist die einflussreiche Waffenlobby.

    Wenn Obama diese Wahl gewinnt, dann sei er, Ted Nugent, in einem Jahr tot. Oder im Knast. Leute wie er, die so mutig ihre Meinung sagen, hätten einen schweren Stand in Obama-Land. Er fühle sich wie "ein schwarzer Jude beim Ku Klux Klan" – so Ted Nugent. Tja, die Republikaner und ihre Freunde in der Popkultur. Ist das noch Patchwork der Sektierer oder schon Freakshow der Quartalsirren?

    Nehmen wir Kid Rock, musikalischer Gast bei Mitt Romneys Nominierung in Florida. Der rockende Ex-Gatte von Pamela Anderson ist polizeibekannt. In seinem Tourbus wurden Drogen gefunden, außerdem hat er Probleme mit dem sogenannten Wutmanagement. Zu deutsch: Der Mann rastet schnell aus. Oder Gene Simmons von der Glam-Metal-Band Kiss, der steht im Guiness Buch der Rekorde. Nicht wegen seiner Musik, nein, wegen 4600.

    Mit mehr als 4600 Frauen will Gene Simmons Sex gehabt haben. Das wird die christlichen Fundamentalisten unter den Republikanern besonders erfreuen. Auch, dass Jenna Jameson Romney unterstützt, Jameson ist die populärste Porno-Darstellerin des 21. Jahrhunderts.

    Patchwork der Sektierer oder Freakshow? Den versammelten Republikaner-Freunden geht es nicht um einen konservativen Wertekanon. Oder um eine geistig moralische Wende, wie weiland Helmut Kohl. Nein, sie unterstützen die ganz speziellen Ziele der Grand Old Party: Waffen für jedermann, Abtreibung für keine Frau, auch wenn sie vergewaltigt wurde. Die radikalen Kulturkämpfer kommen aus den einstigen Domänen der weißen Männlichkeit Amerikas: Country und Hard Rock. Aber, der hart rockende weiße Mann vom Schlage eines Ted Nugent ist heute vom Abstieg bedroht, wie seine Fans aus dem White Trash – die weiße Arbeiterklasse, die nicht mehr gebraucht wird, weil es keine Arbeit mehr gibt. Oder nur noch 1-Dollar-Jobs.

    Diesen White Trash hat Romneys Vize-Kandidat Paul Ryan im Visier, wenn er sein ganz persönliches Rock-Alphabet buchstabiert:

    Von AC/DC bis Led Zeppelin reicht die Playlist im I-Pod des Paul Ryan, also auch in gut christlicher Manier von der Hölle…

    Konservative bis ultrarechte Republikaner beanspruchen die Rockgeschichte für sich. Das ist jetzt keine große Überraschung. Es sei denn, man hinge immer noch an dem Kinderglauben, dass Pop quasi von Natur aus auf der Seite von Freiheit, Gleichheit und Schwesterlichkeit steht.