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Harter Aufschlag

Raumfahrt. - Am Montagmittag wird das US-Shuttle Discovery am Ausgangspunkt seines zwölftägigen Fluges, Cape Canaveral, zurückerwartet. Wie das Columbia-Unglück am 1. Februar 2003 gezeigt hat, ist der Rückflug der Raumfähren ebenso gefährlich wie ihr Start in den Weltraum. Die Fähren kehren antriebslos gleitend aus dem All zurück, sie können nicht durchstarten, alles muss im ersten Versuch klappen. In Florida üben die Bodenbesatzungen der Nasa für die Landung der Shuttles.

Von Guido Meyer |
    Idylle in den Sümpfen. Cape Canaveral an der Ostküste des US-Bundesstaates Florida. Läge hier nicht der Weltraumbahnhof der Vereinigen Staaten, würde diese Oase den Alligatoren und Seekühen gehören. Doch mitten in dieser feucht-grünen Landschaft startet und landet die amerikanische Weltraumbehörde Nasa seit Anfang der 80er Jahre ihre Space Shuttles.

    Heute durchbricht Hektik diese idyllische Stimmung am Kennedy Space Center. "Mode VII" ist eingetreten. So nennt die NASA den Ernstfall, wenn ein aus dem Weltraum zurückkehrendes Space Shuttle irgendwo in den Sümpfen niedergehen muss, in diesem Fall etwa 2 1/2 Meilen südlich der vorgesehenen Piste, Runway 33. Robert Holl, Direktor der Notlande-Operationen am Kennedy Space Center:

    "Es gab ein Problem mit dem Steuerknüppel des Kommandeurs als er die letzte Kurve flog. Er war zwar auf Höhe der Landebahn, hatte aber viel Geschwindigkeit verloren und ist somit zu tief ´reingekommen, um es bis zur Piste zu schaffen."

    Die verunglückte Fähre liegt zwischen Bäumen, Sträuchern und Flussarmen und qualmt. Durch ein akustisches Notsignal macht sie selbst automatisch auf sich aufmerksam.

    "This is a simulated emergency exercise for the landing and rescue forces in case we had a shuttle that landed short of the runway."

    Nasa-Sprecher George Diller löst das Szenario auf: Es handele sich hier um einen simulierten Notfall für die Rettungskräfte, falls einmal eine Fähre neben oder vor der Landebahn niedergehen muss. Solche Übungen hält die Raumfahrbehörde alle zwei Jahre ab, und seit dem Columbia-Unglück vom 1. Februar 2003 wird besonders gründlich geprobt. Diller:

    "Sollte ein Shuttle am Ende zu wenig Energie übrig haben, um es bis zur Runway zu schaffen, könnte es sein, dass es hier notlanden muss. Wir versuchen, realistische Bedingungen für das Notfall-Team zu schaffen, die sie herausfordern, hierherzukommen, sich mit der Situation vertraut zu machen, die Crew zu bergen, sie mit notdürftig medizinisch zu versorgen und sie in Krankenhäuser zu schaffen. Die genauen Umstände des Unfalls kennen die Rettungskräfte nicht. Die sehen sie erst, wenn sie hier eintreffen. Und da kommen sie auch schon ..."

    Der erste Hubschrauber eilt vom nächsten Stützpunkt herbei, um das havarierte Shuttle als weiß-schwarzen Punkt irgendwo in der braun-grünlichen Landschaft auszumachen. Er dreht eine Runde, studiert den Unfall-Ort aus der Luft und lässt Unterstützung kommen. Unterdessen ist auch auf dem Landweg Hilfe eingetroffen. Ein gepanzertes Mannschaftstransportfahrzeug des US-Militärs bahnt sich seinen Weg durch das Gestrüpp und hält gleich neben dem Shuttle-Cockpit, das die bruchgelandete Fähre darstellen soll. Auf Kacheln außen und Computer innen wurde beim Nachbau keinen Wert gelegt, lediglich Größe und innerer Aufbau der Mannschaftskabine wurden den echten Orbitern nachempfunden. Norb Kuhman, Kommandeur der Rettungsoperation.

    "Wir müssen als nächstes den besten Weg finden, um in das Gefährt hinein zu kommen. Falls wir die Seitentür nicht öffnen können, werden wir die Dachluke benutzen. Es wäre jedoch leichter für uns, durch die normale Tür zu den Crew-Mitgliedern zu gelangen, als sie durch die obere Öffnung zu bergen. Es sitzen vier Astronauten im oberen Flug-Deck und bis zu drei weitere im Mitteldeck."

    Acht verschiedene Rettungsszenarien für ihre Raumfähren hat sich die Nasa zurechtgelegt. Die sogenannten Mode I bis IV gelten für Notfälle beim Start, Mode V und VI für Pannen auf oder neben der Landebahn, und Mode VII beschreibt Unfälle in der Nähe der Runway, bei denen der Orbiter aber nicht ohne weiteres vom Boden auch sichtbar und zu erreichen ist, wie in diesem Fall. Stellvertretender Chef der Rettungs-Operation ist Lieutenant Colonel John Bicket vom Büro für die Unterstützung bemannter Raumflüge aus dem US-Verteidigungsministerium:

    "Ungefähr einmal pro Jahr spielen wir diesen Fall Mode VII durch, bei denen das Shuttle neben der Piste, aber im Trockenen aufsetzt. Alle zwei Jahr üben wir Mode VIII. Dann haben Astronauten über dem offenen Ozean die Fähre verlassen müssen. Als Ausweichlandestellen haben wir auch noch die Edwards Air Force Base in Kalifornien und den White Sands Weltraum-Hafen in New Mexiko. Dort werden ähnliche Übungen abgehalten, das ganze Jahr hindurch. "

    Der erste Teil der Bergung war erfolgreich. Drei Helikopter waren am Unfallort, ebenso drei gepanzerte Mannschaftstransportfahrzeuge. Die Rettungskräfte konnten alle sieben Astronauten aus dem Wrack bergen, alle mit eher leichten Verletzungen. Sie wurden auf die Panzer und Hubschrauber verteilt und zu den nächstgelegenen Krankenhäusern gebracht. Bicket:

    "Wir haben's genau richtig angepackt. Zwischen der Benachrichtigung über die Notlandung bis zum Eintreffen der Hubschrauber hier sind zehn Minuten vergangen. Das ist eine absolut phänomenale Reaktionszeit. Besser geht's nicht."

    John Bicket, der Vize-Chef der Rettungsoperation, zeigt sich begeistert, stellvertretend für die Nasa und für das Militär. Das nachgebaute Shuttle-Cockpit ist gesichert, die verletzten Astronauten abtransportiert. Wenn alles klappt, soll die Discovery 12 Tage nach ihrem Start zurückkehren hierher, nach Cape Canaveral, über das Kennedy Space Center gleiten und sanft auf Runway 33 aufsetzen.