Donnerstag, 16. Mai 2024

Archiv


Harvard in der Heide

Es ist, als fege seit drei Jahren ein Orkan über die Lüneburger Hochschullandschaft: Zunächst werden Universität und Fachhochschule zusammengelegt, es folgen die Umwandlung in eine Stiftungsuniversität und in eine Modellhochschule für den Bologna-Prozess. Dann der neue Name "Leuphana-Universität" und seit diesem Semester auch noch ein neues Studienmodell. Da sind Querelen praktisch vorprogrammiert.

Von Angelika Hoffmann | 15.11.2007
    Wollte man ein Stimmungsbild der Lüneburger Leuphana Universität malen, müsste es krass in Schwarz-Weiß gehalten sein. Die radikalen und temporeichen Reformen erzeugen starke Spannungen. Auf der einen Seite die Aufbruchstimmung und die illustren Gäste. Auf der anderen Seite Geldnöte, Frust und Ängste.

    Die Studenten sind in zwei Lager gespalten - zum einen die Neuen am Leuphana-College, 1400 an der Zahl. Sie werden in einem gemeinsamen Studium-Generale-Semester hart rangenommen, haben eine 50-Stunden-Woche, fühlen sich aber gut begleitet, sagen sie. Arg zurückgesetzt hingegen fühlt sich die große Mehrheit der Altsemester. In den Hauptstudiengängen fehlen Lehrende, 20 Professorenstellen sind nicht besetzt, die Angebote sind ausgedünnt, die Studiendauer droht sich deshalb zu verlängern, heißt es. Asta-Sprecher Mathias Fabian:

    " Wir wollen keine Zwei-Klassen-Lehre an dieser Uni, sondern wir wollen gleiche Bedingungen für alle. Heißt im Klartext - man muss natürlich investieren in das neue Modell, aber man darf nicht vergessen dass noch 8000 andere hier studieren und für die muss was getan werden und das muss sichtbar sein, da man sonst versucht beide Gruppen gegeneinander auszuspielen. Und das kann nicht im Interesse der Uni sein. "

    Uni-Präsident Sascha Spoun und sein Kanzler Holm Keller haben die Reform innerhalb weniger Monate durch die Gremien geboxt. Mit dem komplett neuen Bachelor-Abschluss wollen sie die Absolventen qualifizieren für lebenslanges Lernen - in Lüneburg muss man über den Tellerrand schauen - auch fachfremde Seminare sind zum Beispiel Pflicht. Der mit 38 Jahren jüngste deutsche Universitätspräsident bedauert die Differenzen, bleibt aber auf seinem Weg.

    "Das ist der richtige Schritt hier in die Zukunft zu gehen und wir bemühen uns für die laufenden Studiengänge was zu tun. Aber das sind die typischen Probleme, die es auch an anderen Universitäten in laufenden Studiengängen gibt."

    Spoun ist vor eineinhalb Jahren von der Schweizer Kaderschmiede St. Gallen in die Heidestadt gekommen. Der auch als "Mc-Kinsey-Präsident" bezeichnete Betriebswirtschaftler will gemeinsam mit seinem Vize Holm Keller die ärmliche Provinz-Uni in eine Erfolgsgeschichte verwandeln. Prominenz geht plötzlich ein und aus in Lüneburg: Daniel Libeskind, einer der weltweit profiliertesten Architekten, nimmt eine Professur in Lüneburg an, enwirft ein Audi-Max für die Heidestadt. Und Friedsnobelpreisträger Jimmy Carter eröffnet den neuen Studiengang. Spoun:

    " Wenn sie jemanden wie Jimmy Carter nehmen, der sich 20 Jahre nach seinem Ausscheiden um die zentralen Fragen der Menschheit kümmert und wenn der sagt, zu diesem Kümmern gehört Lüneburg dazu, dann ist das eine ganz hohe Auszeichnung. "

    Sowas sorgt für gute Schlagzeilen. Aber dem laufenden Studienbetrieb nützt das wenig. Denn es fehlt das Geld an allen Ecken und Enden - Lüneburg ist mit einem 44 Millionen-Euro Etat eine arme kleine Universität. Das Rauschen im Blätterwald - nichts als Fassade, sagt Stefan Ahrend, Student im 7. Semester und verantwortlich für die unabhängige Lüneburger Studentenzeitung "Univativ":

    " Wenn man mal dahinter guckt, was hier wirklich ist, dann sind da große Differenzen hinter dem Anspruch ein "Harvard in der Heide" zu sein und dem was tatsächlich ist. Also wenn wir um Büroeinrichtung kämpfen müssen und auf der anderen Seite wird ein großer Prominentenauftrieb veranstaltet - zwischen Anspruch und Wirklichkeit herrscht doch eine große Lücke. "

    Spoun aber ist kein Präsident, der erstmal Papier und Bleistifte besorgt, um dann Bittbriefe zu schreiben. Er und sein Vize arbeiten eher umgekehrt: Nicht kleckern, sondern klotzen - Visionen entwickeln, weithin sichtbare Leuchttürme setzen und so am Ende auch zu Geld kommen. Die Rechnung scheint aufzugehen. Der Uni-Etat wird voraussichtlich schon im kommenden Jahr um zehn Millionen Euro aufgestockt.

    "Es gibt ein sehr großes Vertrauen seitens der Wissenschaft und Politik in den eingeschlagenen Kurs, Wissenschaftsrat, DFG, Helmholtz-Gemeinschaft Wissenschaftsminister, Förderstiftung, also da ist eine unglaublich starke Unterstützung. "

    Das ändert allerdings so schnell nichts am Mißtrauen vieler im beschaulichen Backstein-Städtchen Lüneburg mit dem akademischen Armenhaus auf einem ehemaligen Kasernengelände. Bei der Staatsanwaltschaft liegen Anzeigen gegen den Präsidenten - wegen seines ProfessorenTitels. Und auf anonymen Home-Pages wird der neue Kurs diffamiert. Das seien neue Erfahrungen für ihn, sagt Spoun. Aber er bleibe positiv. Denn gleichzeitig erreiche ihn viel Zuspruch.

    "Da spüre ich auf der Arbeitsebene ein großes Vertrauen, Insofern ist der Weg der eineinhalb Jahre viel mehr als ich erwartet hätte - im Ergebnis. "