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Hasch im Visier der Häscher

Die toleranten Niederlande stellen fest, dass die Präsenz von Coffeshops, in denen legal weiche Drogen gehandelt werden dürfen, ihren Städten nicht gut tut. So haben sie in Venlo die Zahl der Kiffersalons reduziert oder gleich aus der Stadt verbannt. Die überwiegend deutschen Kunden finden jetzt woanders ihren Nachschub - im Visier der deutschen Grenzfahnder.

    Am Stadtrand von Venlo, 400 Meter von der deutschen Grenze entfernt, liegt der Coffeeshop OASE. Von außen sieht er aus wie ein beliebtes Ausflugsziel mit einladender Terrasse. Auf dem großen Parkplatz stehen fast nur Autos mit deutschen Kennzeichen: Viersen, Krefeld, Duisburg, Essen, Köln.

    Drinnen ein langer Tresen, viele Tische mit Stühlen – und gleich zwei Schalter, an denen sich schon vor 12 Uhr morgens lange Warteschlangen gebildet haben. Hier können sich die so genannten Drogentouristen mit den verschiedensten Sorten Hasch und Marihuana eindecken.

    Seinen Namen will er lieber nicht nennen. 22 Jahre ist er alt, kommt aus Bochum und fährt mit seinem Freund regelmäßig nach Venlo, um einen Joint zu rauchen. Am liebsten würden die beiden einen Vorrat mit nach Hause nehmen, aber das trauen sie sich nicht, denn der Besitz weicher Drogen ist in Deutschland verboten.
    Es sei zwar ganz praktisch, dass man jetzt gleich über der Grenze an der Autobahnabfahrt kiffen könne, ohne in der Venloer Innenstadt erst umständlich einen Parkplatz suchen zu müssen. Aber die Sache habe einen Haken: Die deutsche Grenzschutzpolizei könne nun alles viel besser im Auge behalten:

    "Ja, die schreiben sich die Nummernschilder hier auf, und auf der Autobahn sammeln sie einen direkt ein. Hat man jedenfalls gehört, mir ist es zum Glück noch nicht passiert. Aber wir nehmen auch meistens nichts mit, muss ja nicht sein. "

    Die Bürger von Venlo hingegen sind erleichtert. Für sie kamen die Drogentouristen einer Heuschreckenplage gleich, von der sie tagtäglich zu Tausenden heimgesucht wurden. Denn die unerwünschten Besucher sorgten für Lärm, Abfall, Parkplatzprobleme und Kriminalität, mit ihnen kamen zahllose Drogendealer und Haschzulieferer.
    Vor vier Jahren beschloss der Venloer Bürgermeister Hubert Bruls deshalb, in der Innenstadt nur noch fünf Coffeeshops für Einheimische zu dulden – und am Stadtrand, gleich bei der Autobahnabfahrt, zwei neue zu eröffnen, speziell für die Drogentouristen aus Deutschland. Proteste von deutscher Seite blieben nicht aus: Die Jugend, so hieß es, werde nun erst recht über die Grenze gelockt und ermutigt, Drogen zu konsumieren. Aber, so Bürgermeister Bruls, wir hatten keine andere Wahl:

    "Auf diese Weise konnten wir die Lebensqualität in der Innenstadt enorm verbessern. 90 Prozent unserer Coffeeshopbesucher sind Deutsche! Nun können wir diesen Besucherstrom in gute Bahnen leiten"

    Die Coffeeshops wurden in den 70er Jahren eingeführt, um den Haschraucher von der kriminellen harten Drogenszene fernzuhalten. Zwar sind weiche Drogen auch in den Niederlanden nach wie vor illegal, doch unter bestimmten Bedingungen werden Verkauf und Konsum geduldet: Kein Verkauf an Minderjährige zum Beispiel, keine Reklame, keine harten Drogen. Über kurz oder lang, so der Hintergedanke, würden die anderen europäischen Länder schon nachziehen.

    In diesem Punkt irrten sich die Niederländer. Folge: An der Grenze kommt es seit Jahren zu massiven Problemen. In den Grenzstädten Bergen op Zoom und Rozendaal, die jeden Tag von mehr als 3000 Drogentouristen aus Belgien und Frankreich heimgesucht werden, wurden diese Probleme so groß, dass die beiden Bürgermeister Ende Oktober beschlossen, sämtliche Coffeeshops zu schließen. Eine Verzweiflungstat – aber falsch, findet ihr Kollege Geerd Leers aus Maastricht. Dort treffen jeden Tag mehr als 4000 Drogentouristen ein.

    "Dadurch wird das Problem nur verschoben und in anderen Gemeinden noch größer, in Breda etwa, oder in Rotterdam.""

    Leers ist der Initiator des so genannten "Haschgipfels", zu dem sich fast 30 Bürgermeister trafen. Das Problem mit den Drogentouristen könne nur gemeinsam gelöst werden. Selbst will Leers dem Venloer Beispiel folgen und die Drogentouristen in drei Coffeeshops am Stadtrand abfangen – trotz massiver Proteste aus Belgien und aus Den Haag, wo man die bilateralen Beziehungen nicht weiter belasten will. Doch Leers möchte ein Zeichen setzen: Die Regierung müsse endlich Farbe bekennen:

    "Wir müssen nach links oder nach rechts abbiegen, einen Mittelweg gibt es nicht mehr: Entweder wir legalisieren und entkriminalisieren die weichen Drogen vollständig so wie den Alkohol. Oder wir passen uns dem Rest Europas an und schaffen dieCoffeeshops wieder ab, aber dann alle zusammen und nicht nur vereinzelt ein paar Städte."