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Hat es Hunger oder ist es krank?

Wenn Babys schreien, weinen oder jammern, dann weiß man nie so genau, haben sie jetzt Hunger, ist ihnen langweilig oder sind sie etwa krank? Zum ersten Mal gelang es nun einem Wissenschaftlerteam in Italien, Babyschreie mit Hilfe von Computern zu unterscheiden. Das Gerät soll bald in Serienproduktion gehen. Es wurde an 100 Babys getestet, die Hälfte war gesund, die Hälfte krank. Ihre Äußerungen wurden stundenlang aufgezeichnet und ausgewertet.

Von Thomas Migge |
    Du willst ja nicht, dass sie schreien aber was soll man machen. Man ist ja besorgt, weil man nicht weiß, was los ist. Das gleiche Problem haben auch meine Freunde.

    Maresa Del Bufalo geht es nicht anders als Millionen anderer Mütter und Väter, die große Schwierigkeiten haben, die Schreie ihrer Babies richtig zu interpretieren. Schreit es aus Hunger oder weil es müde ist? Hat es Schmerzen? Tut ihm etwas weh? Muss man ins Krankenhaus fahren?

    So hört sich das Jammern eines Neugeborenen an, der einfach nur Hunger hat.

    Und so schreit ein Baby, das krank ist. Das unter einer Asphyxie leidet, einer schweren, lebensbedrohenden Atemstörung, bei der es zu einem Atemstillstand kommen kann. Bald schon werden sich in Italien besorgte Eltern mit ihren Kleinen an Krankenhäuser wenden können, um herauszufinden, ob es sich um ganz normale Schreie handelt oder ob die Neugeboren schreien weil sie krank sind. Der Neuropsychologe Carlo Lenti vom San-Paolo-Krankenhaus in Mailand und die Psychobiologin Daniela Lenti Boero von der Universität Val d¹Aosto haben ein System entwickelt, mit dem in Sekundenschnelle ermittelt werden kann, warum ein ³bebe² - wie man in Italien Babies nennt - schreit:

    Es ging uns darum, die vorhandenen Kenntnisse zu gesunden Kleinkindern zu nutzen, um das Weinen und die Schreie von kranken Babies genauer zu definieren.

    Die Schreie, das Weinen und das Jammern kranker Neugeborener unterscheiden sich nur gering von denen gesunder Babies. Sie alle schreien ganz individuell, erklärt Daniela Lenti Boero: kein Schrei ähnelt einem anderen. Nur die Intensität und die höhere akkustische Frequenz ihrer Äusserungen unterscheiden sich von denen gesunder Gleichaltriger. Mit Hilfe eines Computers können die Wissenschaftler die Intensität und die Tonfrequenz der einzelnen Babies ermitteln. Die Töne der Kleinen werden über ein Mikrofon in einem Computer gespeichert. Die Form der einzelnen Frequenzkurven erlaubt es den Medizinern normale von patholischen Äusserungen zu unterscheiden:

    Kranke Babies schreien und jammern auch wie gesunde Babies. Ziel unser Forschung ist es deshalb gewesen, eine Möglichkeit zu schaffen, die normalen von den, sagen wir, krankhaften Tönen zu unterscheiden. Das funktioniert in 95 Prozent der Fälle mit Hilfe grafischer Tondarstellungen. Die Schreie kranker Kinder sind auf der Grafik entweder als zu niedrig oder als zu hoch zu erkennen.

    Wie zum Beispiel dieses Neugeborene, das unter einer Leberfunktionsstörung leidet. Die grafische Erfassung von Babyschreien gibt allerdings keine Auskunft über eine bestimmte Pathologie, unter der ein Neugeborenes möglicherweise leidet. Sie liefert aber wichtige Hinweise, die Kinderärzten helfen können, gezielt weiterführende Untersuchungen durchzuführen.